„Party Time“ im Theater: Feiern bis das Morgen graut

Harold Pinters
Harold Pinters "Party Time" im Kasino am Schwarzenbergplatz.(c) APA/Burgtheater/Reinhard Maximilian Werner
  • Drucken

Kasino Schwarzenbergplatz. Miloš Lolić inszeniert Harold Pinters „Party Time“ mit einem Ensemble, das sich wahrhaft entäußert: Statt lakonischer, böser Dialoge gibt es eine aufwendige Choreografie.

Am Anfang herrscht Stille. Dann schlendert eine Gruppe schöner Menschen auf eine Tanzfläche. Zu Techno-Klängen bewegen sich die Leute in Zeitlupe. Sie ziehen ein Metall-Gestell in die Mitte der Bühne und erklimmen es. Zunächst geht es noch recht gesittet zu. In den Smalltalk über einen tollen neuen Club mischen sich jedoch gemeine Partner-Rituale. Zwei Männer nähern sich einander an, der eine ist verheiratet und demütigt seine Frau, die sich ungerührt von seinen Beleidigungen an ihn schmiegt: Ein Sado-Maso-Verhältnis.

Ein Kerl in staubigem Anzug kriecht herein und erschießt den Gastgeber, der sich jedoch gleich wieder erhebt. Nun beginnt Phase zwei der Party, die Akteure schieben sich ineinander und übereinander auf ihrem Podest. Es wird immer chaotischer, bis die Leute zuletzt halb nackt ineinander verkrallt sind und ein Goldregen auf sie nieder geht . . .

Mehr kunstvoll als authentisch

Zwischen Akademiker-und Opernball zeigt die Burg „Party Time“ vom Literaturnobelpreisträger Harold Pinter, dessen Stärke die Öffnung von Abgründen unter Alltagsgerede ist. Pinter schrieb das Stück 1991 unter dem Eindruck von rassistischen Ausschreitungen in den 1980er Jahren in Bristol.

Die Society, die sich in „Party Time“ unterhält, wirkt völlig abgehoben. Inmitten einer von der Polizei abgeriegelten Stadt folgt man seinem eingefahrenen Reigen. Das Stück, das leicht an Luis Buñuels „Der Würgeengel“ erinnert, ein Film, in dem Gäste eines Festes dieses nicht verlassen können, wäre als lakonisches Konversationsstück in englischer Sprache vermutlich am besten aufgehoben. Regisseur Miloš Lolić, der als Jugendlicher den Krieg in Ex-Jugoslawien erlebte, baute jedoch dafür eine gewaltige Choreografie, die das Ensemble perfekt ausführt. Dennoch erzielen jene, die sich am wenigsten verausgaben, die größte Wirkung.

Michael Masula erzählt als Gastgeber mit ironischer Miene von Golf-und Bootausflügen, gibt aber seinen Gelderwerb nicht preis; Elisabeth Augustin als Dame Melissa, beklagt schmallippig, dass ihre Limousine an einer Straßensperre aufgehalten wurde. Aber auch Stefanie Dvorak als Liz, ein Mädchen mit feuerroter Krause, Minirock und Plastikstrümpfen erfreut. Die Kostüme von Janina Brinkmann sind teilweise herrlich. Obwohl es einige heiter-böse Momente gibt, tut der hohe Ernst der Veranstaltung nicht gut. Pinters Zynismus angesichts einer Upper-Class, die sich in ihren Lust-Tempeln einschließt, von Häppchen mit gehackter Leber und Privat-Inseln faselt, während draußen die Welt untergeht, ist mit diesem kunstvollen Schauspieler-Abend nicht ideal bedient.

Politisches Theater wird in England auch nicht so demonstrativ zelebriert wie auf dem Kontinent, was ein Vorteil sein kann. Eine Prise von Woody Allens perfidem Thriller „Match Point“ wäre vorteilhaft gewesen.

Trotzdem ist die Aufführung ansehnlich, weil sie zeigt, was dieses Ensemble rein körperlich zu leisten imstande ist: Imposant.

Ein Dramatiker der heute so grimmig-gewitzte Stücke wie Harold Pinter (1930-2008) schreiben könnte, wäre hoch willkommen. Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Osteuropa, der sich aus einfachsten Verhältnissen zum gefeierten Schriftsteller aller Genres (inklusive Fernsehen und Film) hocharbeitete, beherrschte die Kunst, das Zwielicht im Alltag grell auszuleuchten, egal um welche Klasse des diesbezüglich noch immer hermetischen, strengen, elitären Großbritannien es sich handelt. „Von oben herab“ ist einfach etwas völlig anderes als „High Brow“ oder „sophisticated“. Pinter beherrschte die Sprachen unterschiedlicher Gruppen, ob er nun in „Der Hausmeister“, einem seiner Dramen-Hits, Underdogs aufeinander hetzt oder in subtilen Dialog-Werken wie „Betrogen“ oder „Der Trost von Fremden“ komplizierte Paar-Konstellationen ausleuchtet. Gewiss, Pinters spezielles Theater des Absurden, das freilich mit Ionescos listigen, politischen Parabeln nichts zu tun hat, wirkt heute vielleicht ein wenig altmodisch. Umso mehr Freude hätten die Theater vielleicht mit fantasievollen Nachfahren dieses trockenen, britischen Satirikers.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.