Arbeitsmarkt aus der Perspektive der Schauspieler

(c) Reinhard Werner/Burgtheater
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„I Work, Therefore I Am“, eine Gruppenarbeit der Jungen Burg im Vestibül: Bemüht und gut gespielt.

Der Beste ist, wie oft im Theater, der Verrückteste: Paul (Raphael Cisar, ein echt begabter Bösewicht) nimmt seine Schauspielkollegin Stella (Laura Hermann), die gerade ein Engagement bekommen hat, als Geisel und hält ihr sein Messer an die Kehle. Was ist das? Ein Mordversuch oder Method Acting, jene amerikanische Methode, bei der Mimen ihre echten Gefühle fürs wahrhaftige Spiel nutzen?

So viele junge Menschen zieht es heute zur Kunst. Diese hier haben ihre Schauspielambitionen als Beispiel für den Arbeitsmarkt genommen, wo bekanntlich die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch ist. Die Produktion „I Work, Therefore I Am“, seit Dienstagabend im Burg-Vestibül zu sehen, hat viele Urheber bzw. Unterstützer: das Europäische Theaterhaus, einen deutschen gemeinnützigen Verein, der sich um die Vernetzung Theaterschaffender kümmert, das AMS, die Arbeiterkammer. Annette und Peter Raffalt (Junge Burg) haben die Erfahrungen der Schauspieler gesammelt und zu einem Stück verarbeitet. Annette Raffalt hat inszeniert, mit dem ihr eigenen Hang zum Pädagogisch-Märchenhaften.

Allegorien und Selbsterfahrung

Die Aufführung mit dem großspurigen Untertitel „Ein Projekt zur Zukunft der Arbeitswelt“ befasst sich wenig innovativ mit dieser. Vielmehr sprechen Fachleute, darunter der Unternehmer Daniel Häni oder der Robotiker Markus Vincze über Aspekte der Arbeit und der Arbeitssuche, die meisten Argumente kennt man aus den Medien. Tenor: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Sie ist ernst, aber man kann diese Dinge auch anders sehen. Zum Beispiel: Wer Künstler werden will, muss mit Unsicherheiten rechnen.

Wir erleben die angespannte Stimmung bei einem Casting. Allegorische Figuren treten auf: die Angst, die Freundin der Künste, der Narziss. Die jungen Leute erzählen, was sie erlebt haben, nach dem Motto: Was ist der Unterschied zwischen einem Schauspieler und einer Pizza? Die Pizza kann eine Familie ernähren.

Die Darsteller wirken lebendig und frisch, speziell Anna Mitterberger als Renate, die behände zwischen Hochdeutsch und Kärntnerisch wechselt. Insgesamt ist das Ganze eine Art Gruppentherapie. Dazu ein Spruch von Shaw: „Man gibt immer den Verhältnissen Schuld für das, was man ist. Ich glaube nicht an die Verhältnisse. Diejenigen, die in der Welt vorankommen, gehen und suchen sich die Verhältnisse, die sie wollen, und wenn sie sie nicht finden können, schaffen sie sie selbst.“ Dies ist auch ein Werbespruch der Berater Team 4, die im AMS-Auftrag Künstlern Arbeit vermitteln.

Die Realität ist leider nicht die beste Basis für einen originellen Theaterabend. Zur freien Kunst gehören das freie, unkonventionelle Denken, die Fantasie, aus virulenten Themen etwas Überraschendes zu machen. Selbsterfahrung ist nur ein Weg. Es gibt viel Lektüre und Theorien über Arbeit. Vielleicht nächstes Mal?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2016)

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