Volkstheater: Eine heikle Operation für kleine Buben

(c) Alexi Pelekanos/ Volkstheater
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„Der Junge wird beschnitten“ von Anja Salomonowitz wird im Volx von Kindern gespielt: intelligent, gefällig.

Fast gegen Ende von „Der Junge wird beschnitten“, das am Sonntag im Volx uraufgeführt wurde, müssen die Kinder, die zuvor zu einem heiklen Thema eine bezaubernde Vorstellung gaben, die Bühne verlassen. Denn jetzt kommt etwas Ordinäres. Karin Lischka, die einzige Erwachsene der zehn Darsteller, nähert sich dem Thema der Beschneidung über den Umweg der Fellatio. Es ist eine Geschmacksfrage, ob das Thema Oralsex überhaupt zu der gut 80 Minuten langen Aufführung passt, aber auf jeden Fall fiel diese drastische Schilderung im Vergleich zu all den Szenen zuvor stark ab. Der Reiz dieser Inszenierung der Filmemacherin Anja Salomonowitz (*1976), die auf der kleinen Bühne des Volkstheaters in Margareten ihr Theaterdebüt gab, besteht nämlich vor allem darin, dass kulturell Kontroversielles von Kindern vorgetragen wird – mit Spielwitz, großer Energie und heiligem Ernst. Das entschärft die Situation.

Lischka harmoniert mit den Kindern, Bernhard Fleischmanns Musik bestimmt dezent den Rhythmus des Abends mit. Im Hintergrund der kargen Bühne (Katharina Heistinger säumt den leeren Raum mit Sesseln, Tafeln, Schreibmaschinen, Laptops und seltsamen Gewändern) gibt es auf einem großen Video-Screen Clips mit Cartoons und Fotos, die vom Herzigen bis zum Grausamen reichen.

Der Phallus als Zentrum der Macht

Zu den Highlights gehört, dass ein Knirps selbstsicher jüdische Witze zur Beschneidung zum Besten gibt. Vor allem aber hat Salomonowitz Interviews verwendet, daraus ihren Text montiert. Die Argumente von Erwachsenen bekommen eine absurde Anmutung, etwa wenn etwa ein Mädchen im Volksschulalter feministisch den Phallozentrismus kritisiert. Da werden naseweis Lacan und Freud zitiert, Traumata erhalten eine Art Unschuld. Es lebe das andere! Man könnte auch sagen, die intelligente Inszenierung wirkt so gefällig, dass sich allerlei ernste Standpunkte pro und kontra Zirkumzision in Wohlgefallen auflösen. Ist Beschneiden nun barbarisch, bloß eine hygienische Vorkehrung, oder gar gottgewollt? Viele kommen zu Wort – Aufgeklärte wie Traditionalisten, Skeptiker wie Religiöse, Juden, Muslime und Christen. Alle werden gehört, „anything goes“. Beinahe irritiert so viel Toleranz.

Termine im Volx (Margaretenstraße 166): 5., 9. , 10. April, 4. , 9. Mai, 19 Uhr. Mit: Karin Lischka, Fanny Berner, Louize Brudermann, Simon Christian, Robert Czyszczon, Nathan Eckert, Oskar Fried, Mia Perner, Elizabeth Pritchard-Smith und Somya Rathee.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2016)

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