Burgtheater: Ein flotter Diener, der für zwei Herren tanzt

Voller Schwung serviert Markus Meyer als Diener Truffaldino vor seiner Herrschaft (Andrea Wenzl). Pantalone (Peter Simonischek) kriegt hier einiges von ihm ab.
Voller Schwung serviert Markus Meyer als Diener Truffaldino vor seiner Herrschaft (Andrea Wenzl). Pantalone (Peter Simonischek) kriegt hier einiges von ihm ab.Burgtheater/Reinhard Werner
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Carlo Goldonis 270 Jahre alter Klassiker, „Der Diener zweier Herren“, wird von Christian Stückl effektvoll inszeniert. Sein Hang zum Melodram nimmt der Komödie aber die Leichtigkeit.

Dunkel ist es im Gasthaus, das Stefan Hageneier für die Premiere am Sonntag als Raumteiler der Länge nach auf die Bühne des Burgtheaters gestellt hat. Die Sessel und Tische sind noch gestapelt. Durch Fensterscheiben dahinter sieht man schemenhaft eine Gestalt. Ein Schuss fällt. Carlo Goldonis bewährte Komödie „Der Diener zweier Herren“ beginnt in Christian Stückls Inszenierung anschaulich mit einem Mord, der im Text nur berichtet wird. Das Melodramatische ist symptomatisch für diese Aufführung – effektvoll zwar, aber dem Lustspiel nimmt es auch etwas leichte Raffinesse. Es dominiert der brachiale Humor.

Wer ist der Tote? Der Turiner Federigo Rasponi ist aus dem Weg geräumt worden. Seine Schwester Beatrice (Andrea Wenzl) verkleidet sich nun als Federigo, um in Venedig ihren Geliebten Florindo (Sebastian Wendelin) zu suchen, der aus Turin geflohen ist, weil er beschuldigt wurde, ihren Bruder ermordet zu haben. Zugleich will Beatrice bei Pantalone de' Bisognosi (Peter Simonischek) immens viel Geld eintreiben, das dieser ihrem Bruder schuldete. Pantalone sieht so mafios aus, dass man ihm eine Liquidierungunliebsamer Konkurrenz jederzeit zutraut. Eine weitere Verwicklung: Er hatte seinem Geschäftspartner Federigo die Tochter Clarice (Irina Sulaver) versprochen, sie aber sofort einem anderen gegeben, als er verdächtig früh vom Mord in Turin erfuhr.

Er wollte schon, wenn sie „wöllte“

Mit Vorbereitungen zur Verlobung beginnt nun das eigentliche Stück, auf einer Drehbühne mit zwei gegenüberliegenden Gasthäusern und einem Gang dazwischen. Truffaldino (Markus Meyer) hetzt dort bald hin und her, als ob er zu zweit sei. Er ist der Grund für die größte anzunehmende Verwirrung. Dieser anarchische Harlekin betreibt wie die meisten hier ein Doppelspiel, hat sich, um endlich satt zu werden und zu etwas Geld zu kommen, zum Diener zweier Herren gemacht, Beatrices und Florindos.

Vor allem aus diesem stets am Rande der Aufdeckung dahin tänzelnden Verwirrspiel ergibt sich der Spaß der Komödie. Vom ersten Moment seines Auftretens an gilt die Aufmerksamkeit Truffaldino. Er platzt ins Wirtshaus, als Pantalone eben das Heiratsgeschäft mit Dottore Lombardi (Johann Adam Oest) besiegeln will. Dessen vertrottelter und aufbrausender Sohn Silvio (Christoph Radakovits) soll Clarice bekommen. Truffaldino aber kündigt seinen Herrn an, die verkleidete Beatrice. Von nun an wird gelogen und manipuliert, was das Zeug hält. Stückl mag den Klassiker rustikal, mit derben Scherzen, viel Slapstick, flotten Tanz- und Rauf-Einlagen sowie Italo-Schnulzen, die Urlaubsstimmung aufkommen lassen (Musik: Tom Wörndl).

Das Ensemble meistert seine Aufgaben toll und dreist, obwohl nicht alle ausgelassen sein dürfen. Wenzl zum Beispiel wird in ihrer Doppelrolle häufig aufs Sentiment reduziert, Wendelin hingegen als ihr verfolgter Geliebter kann sich in der Farce ausleben, darf wie Harlekin mit Essen spielen. Es wird gekaut und gespuckt, gerauft, geknallt und kopuliert. Am dankbarsten sind die Rollen für Meyer, der eine fantastische Show bietet, in der alles sitzt, wie auch für Mavie Hörbiger als Kindermädchen Smeraldina im Haus de' Bisognosi. Man erkennt ihre Schönheit kaum unter der langen schwarzen Perücke. Sie hat eine riesige krumme Nase, die wie ein Zitat alter Masken wirkt. Diese verhärmte Frau gehört eigentlich der unterdrückten Klasse an, aber wenn sie mit rauer, tiefer Stimme spricht, kann man sich ihr nicht entziehen. Eine Chefin an sich. Smeraldina ist die geborene Skeptikerin, die beherzt zur Waffe greift, um mehr als nur sich selbst zu verteidigen. Ihre Ansichten zu Männern – nichts als die brutale Wahrheit. Unter der harten Schale aber lauert die Liebe. Das ahnt man im ersten Moment, als sich Diener und Dienerin erblicken. Er „wöllte“ sie schon haben . . .

Die Tücke blitzt aus Pantalones Augen

Viel gesetzter ist der Pantalone hier angelegt. Simonischek wurde eine abenteuerliche Zahnprothese verpasst. Zum Slapstick gehört auch, dass ihm abgetrennte Finger angenäht werden, als ob das bloße Routine wären. Unter der Hülle des Grotesken aber sieht man die Augen blitzen. Der hat Tücke, da spürt man bei allem Understatement Kraft. Etwas schmal sind die Parts für Oest und Radakovits geraten – betulich muss der Vater, dumm der Sohn sein, mehr nicht. Sulavers Clarice ist auch ziemlich eindimensional angelegt – eine verzogene Tochter mit Hang zum Heulen, das sie zu sirenenhaften Lauten steigert. Perfekt sind zwei kleinere Rollen besetzt: Hans Dieter Knebel als Gastwirt Brighella und Stefan Wieland als Kellner sind herrlich in ihrer Lakonie, als nötiger Kontrast zu all der Tollerei. Padrone Brighella weiß schon vor dem Happy End: Dem Ruf seines Hauses werden solch irre Gäste eher schaden.

GLANZSTÜCK DER COMMEDIA

Carlos Goldonis Bühnenstück „Der Diener zweier Herren“ wurde 1746 in Mailand uraufgeführt. Es gilt als ein Höhepunkt der Commedia dell'arte.

Im Burgtheater ist nun eine Koproduktion mit den Ruhrfestspielen zu sehen. Mit der Inszenierung von Christian Stückl wurde das Festival am 3. Mai 2016 in Recklinghausen eröffnet. Die Premiere in Wien war am 22. Mai. Weitere Termine im Burgtheater: 24., 27., 29., 30. Mai, 11., 16., 27. Juni.

(Print-Ausgabe, 24.05.2016)

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