ImPulsTanz: Butoh – es brodelt unter ruhiger Oberfläche

(c) Sankai Juku/Impulstanz
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„Meguri“ bricht Gefühlswelten auf, bleibt dabei aber auch rätselhaft.

Es ist die Energie, die man sofort spürt. Ushio Amagatsu scheint davon geradezu zu strotzen – und wenn er die Bühne betritt, wirkt es so, als würde er mit jeder Bewegung zusätzliche Lebenskraft aufsaugen, gespendet durch die Aufmerksamkeit des Publikums. Mit nach oben gestreckten Armen sieht man ihn wie einen Hohepriester schreiten, dann wieder streut er mit einer eleganten Handbewegung unsichtbare Samenkörner auf die Erde oder schiebt mit verkrampften Fingern ein imaginäres Hindernis zur Seite.

Er nimmt den Zuschauer mit an Orte, die jeder aus seinem Innersten kennt. An eine Art Klagemauer – eine Wand, dekoriert mit dem Symbol fossiler Seelilien, zu der er sich immer wieder mit hilfesuchender Gestik wendet –, die später im goldenen Licht wie ein Tor der Erleuchtung aussehen wird. Er führt an den Rand eines Teichs (imaginiert durch den in blaues Licht getauchten Boden), dessen ruhige Oberfläche sanft berührt wird. Und er hält eine Arena bereit, deren Boden mit Sand bedeckt ist, in der die Tänzer Gefühlen Ausdruck verleihen: Kahl geschoren und mit weißer Farbe bemalt, liegen sie wie Embryonen auf dem Rücken, zittern, bäumen sich in Sprüngen auf oder legen die Köpfe in den Nacken und reißen die Münder auf.

„Meguri“ heißt Amagatsus eindrucksvoller Butoh-Tanz, den er mit seiner Company Sankai Juku beim ImPulsTanz-Festival gezeigt hat: Ein Stück über den Kreislauf des Lebens, der Natur, der Energie. Der manchmal schneidende Sound lässt vermuten, dass es unter der ruhigen Oberfläche brodelt. Einiges bleibt rätselhaft, aber auch das Unbekannte ist ein Ort, den jeder aus seinem Innersten kennt. (i. w.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2016)

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