Kabarett: Das Leben ist geil. Oder ist es fad?

Flüsterzweieck
Flüsterzweieck (c) Kabarett Niedermayer
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Das Duo Flüsterzweieck aus Graz nimmt im vierten Programm „Stabile Eskalation“ das Publikum mit auf eine Reise durch die instabile Gedankenwelt der jungen europäischen Generation.

Das Leben ist Wiederholung. Und es kommt nur darauf an, ob man die immer gleichen Erlebnisse als geil empfindet, oder als fad und armselig – oder wie Flüsterzweieck sagen: „oam“. Das Kabarett-Duo aus Graz zeigt in seinem vierten Bühnenprogramm, dass man jede Situation als Abenteuer oder als Fadesse sehen kann. Je nachdem, wie man selbst drauf ist. „Veränderungen beginnen immer bei einem selbst“, ist wohl die Moral von der Geschichte, die Antonia Stabinger und Ulrike Haidacher im Stück „Stabile Eskalation“ dem Publikum mitgeben. Die Premiere fand am 17. Jänner im Kabarett Niedermair statt.

Dass sich die jungen Germanistinnen zugleich darüber lustig machen, dass alles auf der Bühne eine Moral haben muss, macht diesen Abend umso prickelnder. Zu Beginn ist es die Figur der Ulrike Haidacher, die alles „oam“ und „fad“ findet. Bis Antonia Stabinger sie wie ein kleines Kind zurecht weist, dass sie bitte endlich was Positives sagen soll, immerhin ist der Kabarettabend „geil“ – vor allem der rote Pullover des Herrn in der ersten Reihe ist geil.

Als kleine Interaktion mit dem Publikum bitten die Künstlerinnen auch, dass sich jeder seinen Sitznachbarn rechts und links ganz genau anschaut: „Mindestens einer davon ist aber schon fad. Oder oam“, sagt Haidacher dazu. Daraus ergibt sich eine locker erzählte Geschichte zweier Freundinnen, die damit hadern, dass immer alles gleich ist im Leben, obwohl früher alles anders war. Und dass man auf den Bühnen dieser Welt nicht mehr provozieren kann, nichts ist mehr „oag“ – weder Rülpsen, noch ein Gespräch über Cervixschleim.

Untermalt mit Klängen aus einem 90er-Jahre-Keyboard und einem Ave-Maria-Gesang, der ganz nach „Faaaade Maaariiia“ klingt, ruft Haidacher ins Publikum: „Ich möcht geil von den Toten auferstehen. Nicht so fad wie Jesus oder so oam wie ein Zombie!“

Früher haben Flüsterzweieck in flotten Szenen schnell zwischen zig Figuren gewechselt. Diesmal bleiben sie die meiste Zeit der jeweiligen Figur treu, dafür ändern die Frauen jeweils ihre Einstellung. Das Verfolgen des Wechselspiels von Stimmung und Ausdruck ist für den Zuschauer nie fad: Wie immer sind Mimik, Gestik und Tonlage perfekt einstudiert, auch wenn die Künstlerinnen Improvisation vorspielen – Regie führte erstmals Simon Windisch.

In der zweiten Hälfte entwickeln sie – zur Übertünchung der gespielten Langeweile – eine absurde Sketch-Parade, bei der das Publikum noch mehr zum Lachen kommt als im ersten Teil. Einerseits hinterlassen sie dabei bleibende Eindrücke, etwa beim Brotfabrik-Sketch („Sie wollen Vollzeit arbeiten? Bei uns geht nur Vollkorn!“), bei dem sich beide mit den Zähnen in den eigenen Unterarm beißen (!). Die Zahn-Abdrücke in der Haut werden stolz dem Publikum gezeigt, mit der Frage: „War des oag?“
Andererseits packen Flüsterzweieck in ihre Sketches eine gehörige Portion an Gesellschaftskritik, sowie Ausführungen über Grenzüberschreitung und Feminismus („Sind wir uns ehrlich: Einen Herd spürt man noch viel mehr als ein großes I“). Fair-Trade-Bobos („Ich kann alle Nestlé-Produkte auswendig, damit ich sie nicht zufällig kaufe“) kriegen dabei genauso ihr Fett ab wie Hassposter, die auf Twitter einer Journalistin schreiben, dass ihr die „Gebärmutter raus gerissen und einem Neger als Haube aufgesetzt gehört“.

So spielen sich Haidacher und Stabinger höchst sympathisch und empathisch durch den kurzweiligen Abend, der in einem harmonischen Kanon über Eskalation, Stabilisation und Halluzination endet.

Nächste Termine:
http://fluesterzweieck.at

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