Kabarett

Stermann & Grissemann: Lustige und grobe Späße, manche leicht vergilbt

(c) Globe Wien/Udo Leitner
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Stermann & Grissemann gestalten in ihrem neuen Programm im Globe Wien eine Parodie ihrer Kultshow "Willkommen Österreich", machen sich über Promis lustig - und sorgen sich ein wenig ums Alter.

Vom streitlustigen Fussballer "Mag." Marko Arnautovic bis zur Ex-Opernballlady Lotte Tobisch, Stermann & Grissemann lieben das Namedropping und mancher erleidet dabei erhebliche Blessuren. Wobei die zwei krassen Spaßvögel auch sich selber nicht schonen: "Karfiolfrisur" nennt Christoph Grissemann Dirk Stermanns üppigen Haarschopf, Grissemann selber leidet an "Altersakne" wie er seine unebene Gesichtshaut nennt.  „Gags, Gags, Gags!“ heißt das neue Programm der beiden, seit Donnerstagabend im Globe Wien zu sehen, das Michael Niavarani mit seinen Shakespeare-Bearbeitungen bespielt. Derzeit ist "Romeo und Julia" an der Reihe bzw. genauer: Romeo und Julia, nachdem sie 30 Jahre verheiratet waren, ein erwartbares und amüsantes Desaster.

Warten auf Godot & Co., doch keiner kommt

"Gags, Gags, Gags!", der Titel klingt nach Resteverwertung – und mancher vergilbte Scherz gewinnt hier verlässliche Lacher. Es wird ja inzwischen kaum mehr jemanden geben, der S & G ("Danke Wasserkraft!") nicht kennt, trotzdem dürften den beiden Fernstehende das Programm besonders genießen. Im Design der Kult-Show „Willkommen Österreich“ wollen S & G Gäste empfangen, aber es kommen keine, woraus sich eine vom Absurden Theater bekannte surreale Atmosphäre ergibt: "War Herr Godot zu Hause?" (Beckett). S & G  müssen sich als Alleinunterhalter bewähren, damit haben sie kein Problem, sie sprechen über alles und nichts, führen eine Weinverkostung ad absurdum, indem sie die gesamte (grausliche) Biografie des Winzers aufblättern. Und sie führen eine Fast-Food-Nummer (unter Bezug auf eine MacDonalds-Werbung) auf: Eine Frau küsst Männer und errät, was diese gegessen haben: Altwiener Schlotztopf. Pfui gack!

Melancholische Erinnerung an den geliebten, gehassten Kumpan 

Berührend, heiter und fast genial ist der Schluss des Abends, wenn sich die zwei Satiriker zur Ruhe gesetzt haben und 2035 über ihre vergangenen Abenteuer sinnieren. Die meiste Zeit blüht in den  kurzweiligen zweieinhalb Stunden mit Pause die übliche Mischung aus Kalauer und Comedy – mit Helfern vom Bildschirm.
Sounddesigner Dominik Rabl demonstriert köstliche Geräusch-Kreationen, ORF-Moderatorin Claudia Reiterer bäckt Brot und ist sich nicht zu schade, sich selber als Blondinen-Witz vorzuführen, André Heller spricht salbungsvoll ein paar Worte.

Weil keiner S & G besuchen will, telefonieren die zwei aus ihrem reichen Handybestand mit Toten, angeblich Toten und Lebenden. Tobias Moretti entschuldigt sich verlegen, Josef Hader parodiert sich selbst, er steckt in Berlin fest, eine Dame, die mitteilt, sie sei mit Doggy Style beschäftigt, badet in Wahrheit ihren Schosshund in der Badewanne. S & G bieten auch ein Promi-Quiz. Who ist who in der glamourösen Welt. Bingo! Und kaum sind alle Adabeis genüsslich durch gehechelt, legen sich die zwei selber unters Satire-Messer und erzählen, mit wem sie schon aller verwechselt wurden. 

Klauen bei den alten Größen von Kabarett und Satire

Die beiden Comedians fühlen sich von Leben und Ruhm schon leicht strapaziert und zeigen ihre Blessuren ...
Die beiden Comedians fühlen sich von Leben und Ruhm schon leicht strapaziert und zeigen ihre Blessuren ... (c) Udo Leitner

Die Show wirkt leichtfüßig, tatsächlich ist alles präzise amerikanisch getimt: Am Anfang tiefe bzw. doofe Scherze über Erdogan & Co. ("Der Türke kann nicht an die Evolution glauben, weil Affen keinen Schnurrbart tragen") - oder Juden („Er ging immer in die Bar . . . Mizwa“), dann das Grausliche und Obszöne, nach und nach ein bisschen Esprit. Von diesem haben S & G mehr als es mancher grobe Scherz vermuten ließe. Und obwohl die zwei nie politisch korrekt sind, wirken sie demokratiepolitisch, medienkritisch vermutlich stärker als sie wahrhaben wollen.

Mancher City-Theatermacher mag grün vor Neid werden, wenn er sieht, wie die Scharen an die Peripherie pilgern, um zu lachen. Fast 1000 Leute passen ins Globe Wien und man hat das Gefühl, dass viele von ihnen nicht allzuhäufig die Hochkultur-Tempel besuchen. Fehlt diesen nicht was in ihrem manchmal zu strengen Verharren in Doktrin, die verlangen, dass immer alles, was zwischen Burg, Josefstadt und Volkstheater geboten wird, mit Aufklärung, moralischer Anstalt und mitunter moralinsaurer Belehrung und Weltverbesserung zu tun hat? Stermann & Grissemann sind nicht jedermanns Sache, zu brachial, zu unappetitlich ist manches, was ihnen so einfällt, aber in ihrer Kunst bildet sich doch auch erstaunlich treffend unsere Welt ab zwischen Selbstverbesserung (nicht rauchen, nicht trinken, brav sein), gescheiterten Selbstversuchen (Liebe, Partnerschaft), Lachen, Weinen, Resignation und Verzweiflung.

Und S & G haben sich anscheinend so gründlich umgesehen im Komiker-und Humoristen-Genre wie wenige Regisseure in ihren Klassikern oder zeitgenössischen Dramen. Der Schöne und der Hässliche, Dick & Doof, der Gescheite und der Blöde, eine Prise Qualtinger, ein Quentchen Farkas ohne feinen Anzug, das fleißige Recycling wirkungsvoller Sketches, die das Publikum in Kinder verwandeln, die nicht aufhören können "Nochmal!" zu rufen - S & G verlinken die Tradition mit einer Moderne, die Wahrheiten sucht, auch die im Müll und in der Speibe.

Und noch die fetteste Klamotte zündet, wenn Grissemann einen Schauspiellehrer spielt, der Stermann zwingt, sich in ein läutendes Telefon zu verwandeln ("Und jetzt heb ab!") oder die beiden den Globe-Hausherren Michael Niavarani so lange als B-Gast bezeichnen, bis dieser zornsprühend davon läuft. Am Schluss kauft "Nia" trotzdem ein Buch von S & G und mahnt zwei Cent Wechselgeld ein, wobei die beiden ihn einen persischen Händler nennen. Dann leeren sie endlich wirklich ihre Weingläser, verdient, nach der Anstrengung. War es überhaupt eine?

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