Theater der Jugend

„Peter Pan“: Im Nimmerland gibt es keinen Handyempfang

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Eine verspielte Inszenierung will Lust machen aufs Erwachsenwerden – und kritisiert kindliche Technik-Abhängigkeit.

„Jetzt werdet doch endlich erwachsen!“, ruft der Vater, entnervt vom Nimmerland-Gerede der Tochter, in einer frühen Szene der „Peter Pan“-Inszenierung des Theaters der Jugend. Es wird – bei allem Zelebrieren von Fantasie und kindlicher Lebenslust – die Grundbotschaft der Vorstellung bleiben. Abenteuer sind toll, aber Erwachsenwerden ist das größte Abenteuer – die Phrase wird allzu oft wiederholt –, also flugs zurück nach London, wo es Handyempfang gibt und echtes Essen aus Asia-Boxen statt unsichtbarer Fantasienahrung. Seid vernünftig, Kinder!

Dieser pädagogische Eifer ist schade, präsentiert sich die Inszenierung von Michael Schachermaier (in einer hauseigenen Fassung nach James Matthew Barries Vorlage von 1904) ansonsten doch so verspielt und fantasievoll: Ein paar Bühnenelemente umgeworfen, und aus dem Kinderzimmer wird ein Piratenschiff. Der entlaufene Schatten von Peter Pan ist ein akrobatisch versierter Typ im schwarzen Morphsuit. Captain Hook (Frank Engelhardt) trampelt in seiner Kabine auf einem Einhornfell herum – er hat das letzte umgebracht, lernt man. Und jetzt will er auch Pan (verschmitzt mit Dreadlocks: Jakob Elsenwenger) erledigen.
Unterstützung bekommt dieser von der mütterlichen Wendy (Lisa-Caroline Nemec), die dem unreifen Pan vergeblich romantische Gefühle zu entlocken versucht, und ihrem Bruder Michael, einem Nerd, der sein iPad auch im Nimmerland, wo „der gewünschte Dienst leider nicht verfügbar“ ist, nicht aus der Hand gibt – unser durchtechnologisierter Alltag präsentiert sich hier als klares Gegenmodell zum unendlichen Reich kindlicher Fantasie. Die „Lost Boys“, Pans wilde Bandenbrüder, hingegen definieren sich nur dadurch, dass sie von ihrem Anführer abhängig sind. Der Führerkult, der in vielen Banden der Jugendliteratur präsent ist, wird hier sehr deutlich – was beim jungen Publikum wohl davon hängen bleibt?

Eine ganz unsexy Tinkerbell

Dem gefiel die Premiere jedenfalls, trotz oder wegen der recht unheimlichen Spannungsszenen: Wenn Pan etwa mit Ketten gefesselt an einem Felsen im Meer hängt, und die Flut – signalisiert durch bedrohliche Lichteffekte – immer näher kommt. Überhaupt sind viele Handlungselemente visuell schön umgesetzt: Für die Flüge in und durch das Nimmerland nehmen die Darsteller Puppen zur Hand, eine Handpuppe ist auch die quiekende Tinkerbell. Mit dem breiten grünen Gesicht und den pinken Haaren sieht sie zwar mehr wie ein Minitroll als wie eine Elfe aus, ist aber immerhin auch nicht so übersexualisiert wie die blonde Pin-up-Figur aus den Disney-Filmen. „Peter Pan“ ist noch bis 27. Juni im Renaissancetheater zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2017)

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