Tanzen zu Nurejews Ehren

Gaststar Elena Vostrotina mit Vladimir Shishov in William Forsythes „In The Middle, Somewhat Elevated“: kraftvoller, purer Tanz.
Gaststar Elena Vostrotina mit Vladimir Shishov in William Forsythes „In The Middle, Somewhat Elevated“: kraftvoller, purer Tanz.(c) Wiener Staatsballett / Ashley Taylor
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Eine gelungene Leistungsschau zwischen klassischem Tutu und moderner Tanzathletik: Das Staatsballett verabschiedete sich mit einer abwechslungsreichen Nurejew-Gala in die Sommerpause. Toll – und tragisch.

Die Schrecksekunde kam schon im ersten Teil des Abends. Während der Vorstellung von George Balanchines Pas de deux „Stars and Stripes“, einer augenzwinkernden und recht sportlich angelegten Reminiszenz an Balanchines Wahlheimat, die USA, landete Davide Dato nach einem Sprung unglücklich und lag auf dem Boden. Es dauerte einige Zeit, bis man das Missgeschick im Orchestergraben bemerkte und sich der Vorhang senkte. Dato fiel wegen der Verletzung (wohl nicht nur für den Rest des Abends) aus – weshalb der Ausschnitt aus „Peer Gynt“ entfallen musste, den er mit Nina Tonoli hätte zeigen sollen, und den Ballettchef Manuel Legris als Appetithäppchen für die kommende Saison servieren wollte. Das 2015 uraufgeführte Stück von Edward Clug hat im Jänner 2018 an der Staatsoper Premiere.

Inspiriert von einem Vogelschwarm

Zwei andere Vorankünder kamen hingegen problemlos auf die Bühne: Schon der Auftakt zu Edwaard Liangs „Murmuration“ sorgte für erfreutes Murmeln im Publikum: Leise schneite es zu Enzio Bossos Violinkonzert Nr. 1 weiße Federn vom Schnürboden, die die fließende Choreografie umspielten, zu der sich Liang von den faszinierenden Mustern hat inspirieren lassen, die ein Vogelschwarm an den Himmel zeichnet. Ein ästhetisches, zartes Stück zu flirrenden Geigen, das für den Ballettabend der Staatsoper im Februar warb. Dort steht dann auch George Balanchines „Symphonie in C“ auf dem Programm – zu Georges Bizets gleichnamigem Musikstück. Eine hurtige Choreografie aus klassischem Ballettvokabular, die die eleganten Tutus der Tänzerinnen zittern ließ. Ein würdiger Abschluss dieses abwechslungsreichen Galaabends.

Die berauschende Vielfalt, die hier gezeigt wurde, macht die Bandbreite des Staatsballetts deutlich. Sie reicht von Nurejews märchenhaftem „Dornröschen“ bis Hans van Manens Energiebündel-„Solo“, von Grigorowitschs aufwühlendem „Spartacus“ bis John Neumeiers spirituellem „Magnificat“ (gesungen von Margaret Plummer), von Balanchines elegantem „Tschaikowski-Pas de Deux“ bis Liam Scarletts athletischem „With a Chance of Rain“, für das Igor Zapravdin am Flügel Rachmaninow spielte. Dem Orchester unter Dirigent Kevin Rhodes wurde viel Flexibilität abverlangt, es spielte sich routiniert durch das Programm, wobei Konzertmeister José Maria Blumenschein an der Solovioline besonderen Eindruck hinterließ.

Beeindruckend auch die durchwegs hervorragenden Leistungen des Balletts. Masayu Kimoto (er wurde im Anschluss an die Vorstellung zum Ersten Solotänzer geadelt), Richard Szabó und Géraud Wielick brillierten in „Solo“. Der erst 20-jährige Jakob Feyferlik überzeugte mit Nina Tonoli in „Magnificat“ und präsentierte sich im „Tschaikowski-Pas de Deux“ an der Seite von Gaststar Ludmila Pagliero trotz eines kleinen Patzers als eleganter und springfreudiger Kavalier. Es gab noch mehr herausragende Leistungen an diesem Abend – etwa von Alice Firenze, Rebecca Horner, Liudmila Konovalova, Nina Poláková, Roman Lazik, Mihail Sosnovschi, Robert Gabdullin – es ist unmöglich, alle zu nennen. Den internationalen Gaststars – neben Pagliero kamen Maria Shirinkina, Vladimir Shklyarov sowie Elena Vostrotina – steht das Wiener Ensemble jedenfalls nicht nach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2017)

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