Festspiele Reichenau: Schnitzler im grünen Irrgarten

Die Gusti hat ein Glück, es gfallt ihr ein jeder, besonders aber der mitunter jäh und kräftig zupackende Sekundararzt Felix Faber: „Im Spiel der Sommerlüfte“ mit Maria Schuchter und David Jakob.
Die Gusti hat ein Glück, es gfallt ihr ein jeder, besonders aber der mitunter jäh und kräftig zupackende Sekundararzt Felix Faber: „Im Spiel der Sommerlüfte“ mit Maria Schuchter und David Jakob.(c) Festspiele Reichenau/Dimo Dimov
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„Im Spiel der Sommerlüfte“ macht Spaß, ist aber auch etwas grob geraten. Maria Schuchter erfreut als kokettes Mädchen.

Eine Fusion aus „Das weite Land“ und „Der einsame Weg“ brachte der 1931 verstorbene Arthur Schnitzler Ende der 1920er-Jahre auf die Bühne: „Im Spiel der Sommerlüfte“ gilt als verhältnismäßig leichter Stoff. Näher betrachtet trifft das nicht zu. Im Örtchen Kirchau, das es tatsächlich gibt, obwohl das Drama mutmaßlich von der Sommerfrische-Gesellschaft in Reichenau inspiriert war, werden schwere Themen verhandelt, vor allem moralische und solche über die katholische Kirche. An dieser kam Schnitzler allerlei „spanisch“ vor, etwa die strengen Grenzen, die Liebe und Freiheit gesetzt sind, damals mehr als heute.

Bildhauersgattin Josefa ist einsam und spricht gern mit dem Kaplan, während ihr berühmter Mann in der Stadt ein Dionysos-Relief baut und Modelle beglückt. Die junge Schauspielerin Gusti erhört gern Verehrer, unter ihnen auch Josefas Sohn Eduard.

Besonders tief hat Regisseurin Beverly Blankenship nicht in das Schauspiel hineingeleuchtet, manches ist grob, anderes wieder zu laut und demonstrativ – und einige Figuren wirken etwas hölzern. Im Gesamteindruck ist die Aufführung dennoch ansehnlich, Sommertheater mit Niveau.

Julia Stemberger zeigt Herz und Seele

Maria Schuchter hat nicht das saftige frivole Talent Katharina Straßers, die heuer in Reichenau Lady Chatterley spielt und vermutlich die Idealbesetzung für Jungmimin Gusti gewesen wäre, die nichts, aber schon gar nichts anbrennen lässt. Schuchter entzückt trotzdem, wenn sie teils mädchenhaft, teils altklug, teils verschämt und teils offensiv die Herren verwirrt. Gusti ist im Grunde leicht nymphomanisch und bindungsscheu, aber pathologische Elemente sind an diesem Abend selbst in Andeutungen tabu.

Auch Miguel Herz-Kestranek könnte den Bildhauerprofessor schärfer und abgründiger konturieren, aber er tut, was er am besten kann, mit souveräner Beiläufigkeit und der ihm angeborenen Ausstrahlung: konversieren und beredte Blicke senden. Bei seiner Frau kommt das erstaunlich gut an, sie ist keine Genia Hofreiter, die niemals verzeiht, sondern gleich wieder versöhnt, wenn der Göttergatte sie in die Stadt mitnimmt und ins Imperial ausführt: Julia Stemberger, sie hat die Genia in Reichenau gespielt – in Hermann Beils subtiler, kenntnisreicher Regie – tut ebenfalls, was sie gut kann. Sie zeigt Herz und Seele und berührt vor allem in den Annäherungen an den Kaplan. Nach dem großen Erfolg, den Marcello de Nardo als Marchese Vincelli in Nestroys „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ im Vorjahr hatte, wollte der damalige Hauptdarsteller, „Nebel“ Herz-Kestranek angeblich mit dem allerdings dick auftragenden „Abräumer“ de Nardo nicht mehr in den Ring steigen.

Fanny Altenburger lässt es krachen

Jetzt hat er es offensichtlich doch wieder getan, „Never say never . . .“, das Match entscheidet Herz-Kestranek diesmal klar für sich. De Nardo bleibt, speziell wenn man ihn von anderen Rollen in Reichenau („Stützen der Gesellschaft“) kennt, die meiste Zeit erstaunlich blass und unauffällig. Auch er hat seine stärksten Momente im tiefgründigen Dialog mit Frau Josefa. Stembergers Tochter Fanny Altenburger singt Gstanzln, zertrümmert Geschirr und holt das Maximum aus der Dienstmädchenrolle heraus. Warum die „Rainer-Mädln“ ständig kreischen müssen, warum die jungen Herren dressiert wie Marionetten wirken, man weiß es nicht. Tobias Reinthaller, der dem Publikum hörbar gefiel, hat immerhin eine starke Szene als Eduard, der sein Herz an Gusti hängt und von ihr wie alle andern verlassen wird: Hier, sieht man, zerbricht etwas in einem jungen Menschen, der die Liebe künftig anders, zynischer betrachten wird.

Im grünen Irrgarten, den Bühnenbildner und Intendant Peter Loidolt in den Neuen Spielraum einbaute, stoßen die Akteure sich immer wieder die Knie an, ob damit etwas ausgesagt werden soll oder nicht, bleibt offen. Starker Applaus belohnte diese engagiert und konzentriert gespielte, aber nicht sonderlich facettenreiche Aufführung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2017)

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