ORF: „Bundesland heute“: Türkische Untertitel?

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Türkisches Staatsfernsehen TRT könnte ORF-Sendung in Österreich zweisprachig ausstrahlen. Per Gesetz hat der ORF den Auftrag, alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen abzubilden.

„Auch wenn in Kairo vielleicht Chaos herrscht – das auf der Wiedner Hauptstraße ist für sie interessanter.“ Auch wenn man den Eindruck haben könnte, ORF-Kommunikationschef Pius Strobl spricht von ägyptischen Einwanderern – es geht um türkische Migranten in Österreich: Der ORF hat mit dem türkischen Staatssender TRT Gespräche geführt, wie man „Bundesland heute“ türkisch untertiteln könnte. Eine Möglichkeit: TRT fügt den Lokalnachrichten in der Türkei Subtexte zu und sendet sie im eigenen Programm per Satellit retour nach Österreich. Die ORF2-Sendung bliebe ohne Untertitel.

„Ein für den ORF attraktiver und kostengünstiger Schritt“, meint Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell (Universität Wien) zur „Presse“. Zu definieren seien dabei allenfalls journalistische Standards; TRT sei aber ein „geeigneter Partner“, weil er in Österreich eine große Reichweite habe. Der ORF würde so bei Migranten beliebter; für sie geht es neben der sprachlichen Integration (das Gehörte wird in die Muttersprache übersetzt) auch um die politisch-kulturelle. Sinnvoll wäre für Hausjell auch, einen solchen Dienst digital zuschalten zu können. Bei einer Untertitelung auch auf ORF2 wäre Hausjell „vorsichtig, weil wir in der Hinsicht keine Tradition haben“. Anders ist das z.B. in Skandinavien, wo viele anderssprachige Filme nicht synchronisiert, sondern untertitelt werden.

Per Gesetz hat der ORF außerdem den Auftrag, alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen abzubilden. „Das kann man bei einem Migrationsanteil von 35Prozent in Wien und 18Prozent in Österreich nicht ignorieren.“ Derzeit bekomme auch die nichtmigrantische Gesamtbevölkerung ein falsches Bild von sich selbst.

Türkisch – bald das neue Rumänisch?

Migranten indes stört Hausjells Erfahrung nach, dass sie – wenn schon in den Medien präsent – häufig in negativem Zusammenhang genannt werden. Hausjell ruft alle Journalisten dazu auf, Vorurteile nicht aus dem Bauch heraus zu übernehmen: „Kriminalität zum Beispiel hat kein ethnisches Mascherl. Wir bemühen uns viel zu wenig, Fakten durchzuschauen.“ Auch die gängige Meinung, Migranten hätten ein Sprachproblem, stimme häufig nicht. „Viele der Qualitäten unseres Landes haben mit Zuwanderung zu tun.“ Hausjell fordert ein „strategisches Umdenken“, ähnlich dem Einbeziehen von Frauen in die Medienrealität.

Die ORF-Führung unter Wrabetz sei mit solchen Überlegungen übrigens die erste, so Hausjell – seit Thaddäus Podgorski, der Mitte der 1980er „Heimat, fremde Heimat“ initiierte. „Man muss bedenken: Wo sind wir in fünf, zehn Jahren, wenn die Türkei Teil von Europa ist? Heute lernen Manager Rumänisch, Bulgarisch.“ 2015 ist es vielleicht Türkisch. trick

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2010)

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