"Jedermann": Triumph für die nächste Generation

Jedermann Triumph fuer Nicholas
Jedermann Triumph fuer Nicholas(c) REUTERS (HERWIG PRAMMER)
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Die Verjüngung des Parade-Stücks der Salzburger Festspiele ist geglückt: Nicholas Ofczarek in der Titelrolle und Birgit Minichmayr als Buhlschaft wurden bejubelt. Der neue Jedermann zeigte sich "überwältigt".

Ein runderneuerter "Jedermann" begeistert in Salzburg: Nicholas Ofczarek und Birgit Minichmayr übernahmen heuer die zentralen Rollen, den Jedermann und seine Buhlschaft. In den 90 Jahren, in denen Hugo von Hoffmannsthals Stück am Domplatz gezeigt wird, sind sie die bisher jüngste Besetzung: Ofczarek ist 39, Minichmayr 33 Jahre alt. Großen Jubel gab es für die verjüngte Inszenierung beim Premieren-Publikum.

Ofczarek präsentiert sich in der Titelrolle als junge, heutige und überzeugende Neubesetzung. Der Burgtheater-Mime zeigt Jedermann als brutalen Geschäftsmann, der Geld mit Macht gleichsetzt, aber - angesichts des Todes - auch ängstlich und beinah zerbrechlich wirkt. Birgit Minichmayr liefert als Buhlschaft im roten Kleid ebenfalls eine prägnante, starke Interpretation dieser stets von viel medialer Aufmerksamkeit begleiteten Rolle.

"Ich war schon überwältigt"

Was Ofczarek empfunden hatte, als er sich vor jubelndem Publikum die Hand aufs Herz legte? "Ich war schon überwältigt, es hat mich doch berührt", sagte er bei der Premierenfeier. Dass er "ja" zu dieser Rolle gesagt habe, sei eine richtige Entscheidung gewesen, resümierte Ofczarek. Seine Leistung müssten andere beurteilen, "aber es war okay. Premieren sind anders als andere Vorstellungen".

Auch Minichmayr zeigte sich mit der Darbietung am Domplatz zufrieden. "Ich bin erleichtert. Weil ich das Gefühl hatte, dass es dem Publikum gefallen hat. Die Arbeit hat sich gelohnt. Ich bin glücklich mit allem." Das Team um Ofczarek und "Tod" Ben Becker sei eben eine ganz feine Gruppe, betonte die "Buhlschaft".

Peter Jordan an der Seite des Jedermann

Für die Neubesetzung hat Regisseur Christian Stückl seine Inszenierung, die in der Grundkonzeption ins neunte Jahr geht, überarbeitet. An Ofczareks Seite prägte Peter Jordan den Abend: Als zynischer Guter Gesell und als schwarzglänzender Teufel bekam er tosenden Applaus. Heftig beklatscht wurden auch Ben Becker als Tod und die junge Angelika Richter als Gute Werke. Neu besetzt wurden auch Mammon (Sascha Oskar Weis), der Dicke Vetter (Felix Vörtler), der Schuldknecht (Robin Sondermann) und der Koch (Robert Reinagl).

"Teufel" Jordan fand ebenfalls lobende Worte: "Es gab keine Fehler und Patzer, es lief wie ein Uhrwerk." Und Schauspielchef Thomas Oberender meinte anerkennend: Die Schauspielgruppe habe ihre Leistung während der Proben von Etappen zu Etappen gesteigert - bis zum Finale. "Eine große Ensemble-Leistung. Sogar das Wetter spielte mit - das war auch ein großes Glück für die Aufzeichnung. Der Gott, der auf dem Domplatz saß, hat alle Beziehungen spielen lassen."

Eine andere Generation

Die Idee, das Stück in die Empfindung einer anderen Generation zu rücken, etwas Eigenes zu entwickeln, "war das Wichtige, und das hat das Stück geschafft", betonte der Schauspielchef. Minichmayr habe das größte Risiko gewählt: "Sie war eine enorm unabhängige Frau und zeigte eine ideale Geliebte. Diese Verbundenheit mitzuspielen, bis sie der Tod trennt - sie ist eine große Figur."

Die abendliche Premiere konnte nach ins Wasser gefallener Haupt- und Generalprobe auf dem "Originalschauplatz" vor dem Dom bei zwar kühler, doch trockener Witterung über die Bühne gehen und wurde live-zeitversetzt von ORF 2 und Bayerischen Fernsehen übertragen.

Bis zu 500.000 Zuschauer im ORF

Der Spitzenwert bei der Quote betrug 500.000 Zuschauer, gab der ORF bekannt. Im Schnitt verfolgten 387.000 das Traditionsstück. Im Bayrischen Rundfunk verfolgten im Schnitt weitere 200.000 Zuseher das Sterben des reichen Mannes. Die beiden bisher letzten "Jedermann"-Übertragungen des ORF sahen durchschnittlich 260.000 (4. September 2004) bzw. 234.000 (14. Oktober 2000). In der TVThek, in der "Jedermann" online übertragen wurde, ist das Stück nicht mehr abrufbar.

Hauptrollen im Wandel der Zeit

"Jedermann":

Alexander Moissi (1920, 1921, 1926-1931)
Paul Hartmann (1932-1934)
Attila Hörbiger (1935-1937)
Ewald Balser (1946)
Attila Hörbiger (1947-1951)
Will Quadflieg (1952-1959)
Walter Reyer (1960-1968)
Ernst Schröder (1969-1972)
Curd Jürgens (1973-1977)
Maximilian Schell (1978-1982)
Klaus Maria Brandauer (1983-1989)
Helmuth Lohner (1990-1994)
Gert Voss (1995-1998)
Ulrich Tukur (1999-2001)
Peter Simonischek (2002-2009)
Nicholas Ofczarek (2010)

"Buhlschaft":

Johanna Terwin (1920,1921)
Dagny Servaes (1926-1937)
Grete Zimmer (1946)
Elfi Gerhart (1947)
Maria Becker (1948/49)
Judith Holzmeister (1950, 1951)
Lola Müthel (1952)
Heidemarie Hatheyer (1953-1955)
Martha Wallner (1956-1959)
Sigrid Marquardt (1960)
Ellen Schwiers (1961/1962)
Maria Emo (1963)
Anna Smolik (1964)
Eva Kerbler (1965/1966)
Nadja Tiller (1967/1968)
Christiane Hörbiger (1969-1972)
Nicole Hesters (1973)
Christiane Hörbiger (1974)
Senta Berger (1974-1978)
Christiane Buchegger (1979)
Senta Berger (1980-1982)
Marthe Keller (1983-1986)
Elisabeth Trissenaar (1987-1989)
Sunny Melles (1990-1993)
Maddalena Crippa (1994-1997)
Sophie Rois (1998)
Dörte Lyssewski (1999-2001)
Veronika Ferres (2002-2004)
Nina Hoss (2005/06)
Maria Bäumer (2007)
Sophie von Kessel (2008/09)
Birgit Minichmayr (2010)

(APA/Red.)

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