Akademietheater: Die "Junge Burg" spielt Lindgren

Akademietheater Junge Burg spielt
Akademietheater Junge Burg spielt(c) Dapd (Lilli Strauss)
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Annette Raffalt inszeniert "Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker". Einen Krimi, der auf dem Jahrmarkt spielt: Altmodisch, aber ganz herzig. Der erste Teil zieht sich, der zweite ist besser gelungen.

Rasmus und Pontus sind dicke Freunde. Besonders gern gehen sie auf den Jahrmarkt. Dort tritt ein Schwertschlucker auf – der ein dunkles Geheimnis hat. Annette Raffalt hat im Akademietheater „Rasmus, Pontus und der Schwertschlucker“ inszeniert, bearbeitet von ihrem Mann, Peter Raffalt. Das Lindgren-Buch ist aus dem Jahr 1956. Mit seinem pfiffigen, damals wohl subversiv wirkenden Charme kann die Aufführung nicht mithalten, dafür wirkt sie sprachlich moderner.

Die Kinder schienen die zwei Stunden mit Pause zu genießen – wiewohl bei der Premiere am Samstag Plätze frei blieben. Die Kritikerin, von zwei kleinen Mädchen begleitet, die hernach kaum zu bändigen waren und auf dem Heimweg die an Karate erinnernden Schaukämpfe der Polizisten nachspielten, tut sich schwer. Weder reicht die Produktion an rasante Comedy, Slapstick heran, wie man sie vom Fernsehen kennt, noch ist sie so schlagfertig, pointiert wie die Postings auf Facebook – obwohl dort gelegentlich uralte Witze die Runde machen.

Die größte Konkurrenz fürs Kindertheater ist natürlich der Kinderfilm: Allein, dass im Theater zumeist (junge) Erwachsene die Kinder spielen, im Film aber echte Buben und Mädchen auftreten, schmälert die Authentizität, von Comics oder Special Effects des Fantasy-Genres ganz zu schweigen. Und dann der Hang zur Übertreibung, um nicht zu sagen: Schmiere, im Theater. Klar, Kinder mögen das, aber sie würden auch weniger klobige Formen schätzen. Gleichviel, Theater ist live, das ist sein nicht zu unterschätzendes Asset. Und Annette Raffalts altmodischer Stil hat durchaus Vorteile: Es gibt nichts wirklich Grausliches – die Produktion ist für Kinder ab acht Jahre – und sie lockt mit den romantischen Illusionen der Bühnenkunst.

Tolle Geisterbahn mit Ballett der Skelette

In diesem Fall liefert Lindgren dafür reichlich Stoff: den Jahrmarkt mit Clowns, Artisten, grotesken Gestalten. Jonas Laux und Sven Dolinski als Rasmus und Pontus reisen durch diese Welt wie einst Florian über seine Tapete. Sie schleichen sich ins Zelt, wo der Schwertschlucker Alfredo („Ich hab als ganz kleiner Junge begonnen – mit Stecknadeln“) im Schattenspiel seine Eisenteile hinunter- und wieder heraufwürgt: Marcus Bluhm, sichtbar künstlich ausgestopft und tätowiert, ist mehr ein amüsanter als ein schrecklicher Bösewicht. Wirklich großartig ist Marcus Kiepe als sein Diebeskumpan Ernst: ein Gauner wie aus alten Schwarzweißfilmen mit Hut, Intellektuellenbrille und Nadelstreif. Seine Schulter führt ein zuckendes Eigenleben, und auch sonst ist der Bursche ein Nervenbündel. Herrlich.

Mit weniger Aufwand erzielt Hans Dieter Knebel fast den gleichen Effekt: Das Format des dummen August scheint er genau studiert zu haben, er gibt ihn ebenso gekonnt wieder wie den Gangster Silberfisch, noch so ein Typ wie aus einem Film, der um die Häuser schleicht und Dieben ihre Beute abkauft. Wenn sie denn eine haben, denn Rasmus und Pontus, stolze Besitzer einer Alteisen AG, haben das gestohlene Silber gegen Blech getauscht, was sie samt ihrem herzigen Hund Token – für ein Hundeküchlein macht der Vierbeiner fast alles – beinahe in ernste Gefahr bringt. Jana Horst und der besonders fesche Pablo Konrad y Ruopp spielen ein zankendes Liebespaar. Therese Affolter grimassiert allzu viel als Alfredos leidgeprüfte Gefährtin Berta. Robert Reinagl, Juergen Maurer, Stefan Wieland geben die dummen Erwachsenen...Mittellustig.

Der erste Teil zieht sich, der zweite ist besser gelungen. Bernhard Kleber gestaltete die Bühne mit allerlei Blickfang, das Tollste ist die Geisterbahn mit einem einäugigen Riesen, Ballett der Skelette, aber auch der blaue Wohnwagen, in dem Alfredo, Ernst und Berta leben, ist hübsch – ebenso das Finale mit Partystimmung und überdimensionalem dicken Schwein. Die „Junge Burg“ gefällt als buntes Statistenheer. Die Frage bleibt, gewinnt man so künftige Theaterbesucher – oder nur die Kleinen für kurze Zeit?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2010)

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