André Heller: "Ich glaube an die Macht der Liebe"

Andr Heller glaube Macht
Andr Heller glaube Macht(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Am kommenden Dienstag hat die Pferdeshow "Magnifico" in München Premiere. Sie ist nach dem Einhorn aus André Hellers Kindheit benannt. Warum er mit den Pferden tanzt, erzählt er im Gespräch.

Knapp vor Redaktionsschluss ist André Heller der perfekte Journalist: unter Hochspannung, leicht an allem zweifelnd, hellwach und zu jeder Anstrengung bereit. Am kommenden Dienstag hat André Hellers gigantische Show „Magnifico“ Premiere. Und wieder ist André Heller unter Hochspannung. Vor genau einem Jahr steckte er als Chefredakteur in der Vorbereitung der Jubiläumsausgabe der „Presse am Sonntag“, unermüdlich entwarf er Ideen für Texte, kontaktierte Autoren und vergab Recherche-Aufträge. Ein Jahr später sind es Künstler, Artisten und Pferde, denen Hellers Augenmerk gilt. Heller, Regisseur, Autor und Impresario der Show, spricht wörtlich von einem „sehr verstörenden, machtvollen Moment meines Lebens, in dem ich all mein Können und meine bisherigen Ausbildungen benötige, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren“.

In den vergangenen Tagen kamen Heller und seine Crew ins Trudeln: Nach monatelangem Training und Proben in einer Reithalle in Tulln übersiedelte der Tross vergangenes Wochenende nach München, im kleinen Vorort Rhim schlugen Heller und sein Team die Zelte auf. Allerdings funktionierte genau dies nicht wie erwartet: Der lange und starke Frost machte es eine Zeitlang schwer bis unmöglich, das große Zelt für die Show zu errichten und zu befestigen.

Das kostete viel Zeit – Zeit, die zum Proben fehlte. Und Proben braucht Heller bis zuletzt, am kommenden Dienstag ist die Premiere seiner neuen Wunderwelt, benannt nach dem Stich eines Einhorns aus seiner Kindheit: Magnifico. „Magnifico wird dich beschützen!“, versprach Hellers Großmutter dem Buben, der die Dunkelheit fürchtete, und hängte das Bild auf.

Woher Heller immer wieder Kraft und Energie nimmt, können selbst Freunde nur erahnen. Und seine Ruhe, seine familia im altrömischen Sinn – seine über die Jahre gesammelten Freunde nennt er gerne „Verbündete“ – sowie seine Begeisterungsfähigkeit. Mit der stürzt er sich in ein Projekt nach dem anderen. Im Gegensatz zu vielen Künstlern – Heller lehnt die Bezeichnung ohnehin ab – bleibt er nie stehen, entwickelt sich beständig weiter, ohne seine eigene Linie zu verleugnen.


Meister von Märchen und Mythen. Und der ist er auch hier treu geblieben, wie die ersten Eindrücke von Proben und Aufnahmen zeigen: Heller spielt natürlich mit dem Magischem, mit alten Sagen- und Märchenmotiven. Die Idee kam vom vielleicht größten Experten und Spezialisten für populär-kulturelle Spektakel aller Art: Marcel Avram.

Mit Pferden hatte Heller zuvor wenig zu tun gehabt. Für seine Show holte er sich gleich drei der edelsten: Die andalusischen Rösser der Gattung „Pura Raza Española“ gelten als sagenumwobenste Pferde der Welt, einer Markierung auf der Stirn verdanken sie den Ruf, Nachfahren der Einhörner zu sein.

Das Letzte, das Heller im Trubel mit den Pferden, mit fast 200 Mitwirkenden und Helfern braucht, sind originelle Journalistenfragen. Er ist aber PR-Profi genug, um dennoch Interviews zu geben, von der „Bunten“ bis zur „Presse am Sonntag“, der er – trotz allem – fast gut gelaunt antwortet.

Vor einem Jahr haben Sie mit uns die Jubiläumsausgabe der „Presse am Sonntag“ vorbereitet, nun arbeiten Sie an „Magnifico“. Was ist härter oder anstrengender: mit Pferden oder mit Journalisten zu arbeiten?

Ande Heller: „Magnifico“ ist die mit Abstand schwierigste und fallenreichste Theaterarbeit meines bisherigen Lebens. Daran gemessen war die Arbeit für die Sonntagspresse ein Vergnügen von der Art eines sommerlichen Kuraufenthaltes in Meran.

Wie kamen Sie überhaupt auf Pferde? War es die Idee eines alten Schlachtrosses?

Die Bitte um eine ungewöhnliche Pferdeshow kam vom legendären Impressario Michael Jacksons, Marcel Avram, der offensichtlich wieder auf der Suche nach Anhebungen seines Adrenalinspiegels war. Nach einigen zweiflerischen Tagen fand ich dann interessante Zugänge zu dem Thema, die weitab von allem liegen, was bisher auf diesem Sektor versucht wurde. Statt Cowboyszenen die Schönheit des Pegasus, statt waghalsigen Don Kosaken Zentaurenspiele, statt Ritterturnier Seepferdparaden etc., dazu Meisterartisten, Exzentriker, Schattenvirtuosen, Tänzer und einige Weltstars der sanftesten Reitkünste, wie Frédéric Pignon, dessen Freiheitsnummer als unübertroffen gilt.

Woher kommt diese Hand, die in der Show auftaucht und scheinbar Pferde hebt? Ist das die Hand Gottes – ironisch gedeutet?

Eine gute Unternehmung muss immer Hand und Fuß haben.

Sie verwenden das Einhorn aus den Märchen? Ist das ein großer Traum der Menschen oder nur noch ein Abziehbild des Walt-Disney-Konzerns?

Ich verehre das Einhorn, weil es in meiner Kindheit der Hauptverbündete gegen die Angstrasereien vor dem Einschlafen war. Meine mitfühlende Guttensteiner Großmutter hatte mir das schöne Tier „Magnifico“ verordnet und als Dämonenschutz in meiner Welt verankert. Es war und ist für mich das Symbol für die Wirklichkeiten hinter den Spiegeln.

Wie nahe ist Ihre Show am Zirkus?

Klassischer Zirkus bedeutet immer das Manegenrund. Aber unser Zelt beherbergt einen Bühnenraum mit Schnürbodengassen, aufwendiger, innovativer Technik – die mir gerade schwere Gelassenheitsprüfungen auferlegt –, eine fahrbare Spielfläche und einen großen Sandplatz für die Rösser. Die Hauptqualität des Zirkus ist, dass er keine Schwellenängste provoziert. Er bedeutet: „Hereinspaziert, ihr Jungen und Alten, Arbeiter und Intellektuellen, Ausländer und Inländer, ihr seid alle willkommen in unserem Laboratorium zur Erforschung der Möglichkeiten des Staunens.“

Fürchten Sie sich vor Kitsch?

Kitsch als Mittel der Ironie ist in Revuen und kaleidoskopischen Aberwitzigkeiten eine beinahe unverzichtbare Farbe, mit der man allerdings sparsam umgehen sollte. Der große Busby Berkeley und der noch größere Ziegfeld haben uns das gelehrt.

Hat die Show auch düstere Momente?

Lieber Herr Nowak, Sie wissen doch, dass ich ganz und gar an die Macht des Lichtes und der Liebe glaube. Nach jahrzehntelangen Kurzschlüssen hoffe ich die Düsternis überwunden zu haben, und freiwillig gebe ich ihr nirgendwo Raum, am allerwenigsten in einer Unternehmung wie „Magnifico“, mit der ich mich und andere zu Leichtigkeit und frohem Herzen inspirieren möchte.

Warum gelten Pferde als die besten Freunde der Mädchen? Der Hund hingegen soll der beste Freund des Mannes sein?

Sie fragen mich Dinge, von denen ich wirklich keine Ahnung habe. Die Mädchen meiner Kindheit jedenfalls haben sich alle den feschen Wimmer Karli aus dem Eissalon Della Lucia als besten Freund gewünscht, und im Cafe Hawelka der 1960er- und 1970er-Jahre galt als der beste Freund des Mannes nicht der Hund, sondern der gebildete, verwegene, witzige Hundling.

Man kennt die Formulierung, dass Pferde durchgehen. Kann auch die Fantasie mit einem durchgehen?

Sie geht mit mir nicht durch, sondern wir gehen im Gleichschritt miteinander immer wieder auf Ziele zu, die sie vorgibt, die wir aber, um nicht größenwahnsinnig zu werden, oft genug verfehlen. Das Motto lautet ja überhaupt: Nie, was man will, immer was wird!

Entwerfen Sie die Shows, die man als Kind nie machen kann?

Ich versuche durchaus den Erwachsenen, der ich bin, durch das Kind in mir zu beflügeln und abseits der Trampelpfade in tiefe Erfahrungen zu locken. Jede Arbeit und so auch jede Show sind eine Feldstudie, die der Verfeinerung dient und dem Abbau von Hybris, Zorn, Anmaßung, Grobheit und anderen Ego-Dummheiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2011)

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