Michael Heltau: "Der Zauber der Lappalien"

Michael Heltaus Zauber Lappalien
Michael Heltaus Zauber Lappalien(c) APA (Herbert Neubauer)
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Michael Heltaus 33. Soloprogramm am Wiener Burgtheater: "Es ist immer jetzt." wird mit Heltaus unnachahmlicher Mischung aus Chanson, Wienerlied, Operette und Poesie charmieren. Ein "Presse"-Interview.

Was dürfen wir von „Es ist immer jetzt.“ erwarten?

Michael Heltau: Das neue Programm ist das alte. Manche sagen „work in progress“. Aber ist nicht das ganze Leben „work in progress“? Das mit dem Singen hat bei mir in den Siebzigerjahren ganz ohne Spekulation begonnen. Meine ersten Sachen waren die, die ohne jede Absicht an mir picken geblieben sind. Über das Vergnügen habe ich mir ein ziemliches Repertoire angeeignet.


Gab es Vorbilder?

Die, von denen ich lebe, waren sehr gute Leute. Was ich mache, hat alles mit der Vor-Nazizeit zu tun. Die Menschen, die damals Unterhaltung machten, etwa die Fritzi Massary, sind unerreicht. Mir wurden sie von älteren Schauspielerinnen näher gebracht, von Helene Thimig und Elisabeth Bergner. Es geht darum, Richtungen zu bekommen. Es gibt ja nichts Neues auf der Welt. Wenn jemand meint, es gäbe etwas Neues, dann ist er einfach nicht genügend informiert. Dass der Paul McCartney kürzlich den Fred Astaire als Vorbild nannte, hat mich bezaubert. Intelligent und anständig war das.

Folgen Ihre Programme innerer Logik?

Es ist nichts Bewusstes. Wenn es mir gefällt, muss es Sinn machen. So simpel ist es. Ich habe oft auch Federn. Ich zweifle nicht, dass ich mir etwas falsch ausgesucht habe, sondern weil mit den Dingen so miserabel umgegangen wurde und der Schrott, der schon auf so manches abgelegt wurde, abfärben könnte. Das Publikum könnte fragen: das greift er an?


War Ihr Publikum anfangs erstaunt darüber, dass Sie sich der leichten Muse hingaben?

Der Vorteil, den ich habe, ist, dass ich meine Programme erst sehr spät angeboten habe. Ich kam aus der Klassik, meine Konversation war Arthur Schnitzler oder Anton Tschechow. Mir ging es lange Zeit um die Form, dadurch hab ich keinen Dünkel den bezaubernden Lappalien gegenüber. Aus diesem Grund kann ich mit einem Text von Peter Herz etwas anfangen.


Was fasziniert Sie beispielsweise an seinem von Hermann Leopoldi vertonten „In einem kleinen Café in Hernals“?

Darüber hab ich einmal auf der Bühne gesagt: „Da hat Schnitzler die Türe aufgemacht.“ Das ist dem Peter Herz zu Ohren gekommen. Zu meiner Überraschung hat er mich angerufen und seine Freude darüber ausgedrückt. Er muss damals schon 90 Jahre alt gewesen sein. Ich bleib dabei. Peter Herz war ein Weltmeister in seinem Genre.


Im angelsächsischen Raum tun sich die Künstler leichter. Dort weiß jeder, wer Cole Porter oder Gershwin ist. Aber bei uns? Wer weiß noch, wer Peter Herz war? Was macht die Qualität eines Hermann Leopoldi aus?

Für mich sind es die Texte, die er gesungen hat. Die Musik ist ja praktisch austauschbar. In die Füß' geht sie aber, wie der Wiener sagt. Überhaupt hat es in diesem Land so viel Talent gegeben. Auch für spätere Generationen. Der Farkas, der Maxi Böhm. Kürzlich sah ich wieder etwas von Böhm. Das hatte eine Cary-Grant-Qualität. Leider ging danach alles so runter.


In ihrem letzten Programm haben Sie das berühmte „Die Hausherrnsöhnl'n“ nur gesprochen. Warum?

Ich habe mir einmal gesagt, ich bemühe mich, möglichst solche Lieder zu singen, die ich auch einfach nur sprechen könnte. Da kommt der Schauspieler in mir durch. Schon während meiner Ausbildung war jedes Lied zunächst einmal ein Gedicht. Mein Atout ist, so glaube ich, dass ich Geschichten erzähle und dass sich dadurch etwas ergibt. Jede der Geschichten, die ich erzähle, egal ob durch ein Lied oder dazwischen ein bisserl mit Hilfe von Friedell oder Polgar, ist letztlich eine Liebesgeschichte. Das interessiert mich, das interessiert die Menschen.


Sehen Sie in den Texten von Anton Kuh, Egon Friedell oder Alfred Polgar eine Qualität, die es so heute nicht mehr gibt?

Ja, absolut. Was mir so gut an diesen Leuten gefällt, ist, dass sie eine Scheu hatten, für bedeutend gehalten zu werden. Das ist eine wunderbare Geschichte! Ich bin allergisch gegen das, was in unserem Metier als wichtig daherkommt.


Was macht für Sie selbst die Faszination Ihrer Liederabende aus?

Ich spiele seit über zehn Jahren kein Theater mehr. Es ist alles gewesen. Im Falle des Singens interessiert mich die Verführbarkeit eines Publikums. Wozu ich verführe, liegt in meiner Verantwortung. Parteitreffen will ich keines veranstalten. Mein Publikum ist eine aufregende Mischung höchst unterschiedlicher Menschen. Die suche ich mir nicht aus, die suchen sich mich aus.


Ihre bis ins kleinste Detail inszenierten Lieder erinnern an Aznavour. Ein Zufall?

Aznavour, Montand und Brel – das waren alles große Schauspieler, unverwechselbare Charaktere. Der Brel war sogar ein Berserker. Diese Leute haben ihre Lieder so viel differenzierter gesungen, als es Sänger mit klassischen Singstimmen tun hätten können. Chanson ist Welttheater in drei Minuten, hab ich vor langer Zeit gesagt. Dazu steh ich nach wie vor.


Verspüren Sie bei Ihren Soloabenden einen Druck zu unterhalten?

Das nicht. Wenn ich einen Abend mit meinen Himmelsmusikern mache, gehe ich davon aus, dass sich niemand eine Karte kauft, um sich vorsätzlich zu ärgern. Gäbe es ein Unvermögen, würde man es sofort erkennen. Ich bekomme für meine Leistung sofort die Quittung. Man agiert ja ohne Schutz einer Rolle, eines Ensembles. Da muss es vom ersten gesungenen Wort an spannend sein. Bei den Franzosen ist das immer der Fall, aber das gab es auch im deutschen Sprachraum. Nicht nur bei Brecht/Weill, auch bei Friedrich Hollaender und Theo Mackeben.


Ist das im Theater anders?

Ins Theater gehen die Menschen mit viel zu viel Hochachtung. Ein mittelmäßig gespielter Shakespeare oder Schiller gehen locker durch. Ich staune darüber, wie geduldig das Publikum ist. Ich war einmal Ohrenzeuge, wie eine Dame meinte: „A bissl fad ist's.“ Ihr Begleiter: „Das g'hört so“. So etwas ginge bei einem Liederabend niemals.

Worum geht es in der Kunst?

Es gibt einen Brief von Arthur Schnitzler an seine Frau Olga. Da berichtet er von einem wenig anregenden Besuch in den Münchner Kammerspielen. Wörtlich: „Dass sie es nicht begreifen, ob Faust oder Weißes Rössl – ohne Glanz geht's nicht.“ Das ist es. Ein gewisser Glanz ist essenziell.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2012)

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