Mavie Hörbiger: "Die irrsinnige Lust sich zu verändern"

Mavie Hoerbiger irrsinnige Lust
Mavie Hoerbiger irrsinnige Lust(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Film-und Theaterstar Mavie Hörbiger spielt im Akademietheater Sian, ein böses Mädchen in Simon Stephens' "Wastwater". Ein Gespräch über die richtige Haarfarbe, falsche Fährten und das echte Leben mit bald zwei Kindern.

Eines Ihrer Markenzeichen ist das weißblonde Haar. Wie ist Ihre echte Haarfarbe? Wie wichtig ist es beim Film blond zu sein?

Mavie Hörbiger: Keine Ahnung. Bei „What a man" habe ich diese saublöde Frisur, diesen Bob, dazu trage ich noch den ganzen Film einen grauen Jogging-Anzug und diese Schuhe, da kann man wirklich nicht behaupten, dass das sexy aussieht. Meine Naturfarbe ist aschblond. Ich habe schon sämtliche Haarfarben, die es auf der Welt gibt, ausprobiert. Ich experimentiere auch gern herum. Ich habe von Thornton Wilder „Wir sind noch einmal davon gekommen" gespielt, das ist aus den 1950iger Jahren, ich habe das Dienstmädchen gespielt. Wenn ein neues Projekt kommt, bekomme ich immer irrsinnig Lust, mich zu verändern. Ich dachte also, ich färbe die Haare rosa, damit ich so ein Straßenkind, einen Punk auf die Bühne stelle. Das habe ich vor Probenbeginn gemacht, damit der Regisseur nichts dagegen sagen kann. Als ich zur ersten Leseprobe kam, hat niemand etwas über meine Haare geäußert. Dann fanden es alle toll. Ich mag es jetzt aber nicht mehr, weil wenn man erstens schwanger ist und zweitens rosa Haare hat, was kann man dann überhaupt noch tragen?

„Wastwater", worum geht es in diesem Stück? Der Name stammt von einem See in England. Es gibt drei Episoden, ein junger Mann verlässt seine Pflegemutter, zwei Leute treffen sich zwecks Sex in einem Hotel - und ein Mann namens Jonathan holt seine von den Philippinen kommende Adoptivtochter am Londoner Flughafen Heathrow ab. Gibt es Geheimnisse in dem Stück?

Mavie Hörbiger: Oh ja. Normaler Weise kann man ein Stück relativ schnell erklären. Hier finde ich das kompliziert. Es sind drei aufeinander folgende Geschichten, die alle zur gleichen Zeit passieren, am 25. Juni um 21 Uhr. Es regnet. Manche Personen kennen einander, manche nicht. In der ersten Episode geht es um Abschied, die zweite ist sehr sexuell aufgeladen, fast aggressiv. Die dritte Szene handelt vom Kinderwunsch und wie weit man gehen würde, um sich diesen zu erfüllen.

Man hat den Verdacht, dass dieser Jonathan das neunjährige philippinische Mädchen missbrauchen wird und nicht zum Zwecke der Adoption gekauft hat - für immerhin 31.000 Pfund.

Mavie Hörbiger: Man glaubt, Jonathan ist pädophil. Simon Stephens will wohl, dass man das denkt. Aber es ist nicht so. Ich habe noch nie Simon Stephens gespielt, aber ich habe fast alle seine Stücke gesehen. Ich mag die Härte seiner Dramen, die einem nur so entgegen knallen, man wird als Zuschauer nicht sanft behandelt. Man weiß nie, woran man ist - und wird oft auf falsche Fährten gelockt.

Musik spielt bei Simon Stephens immer eine große Rolle, er war selbst Mitglied der schottischen Punk-Band Country Teasers. In „Wastwater" gibt es eine besonders wilde Musikmischung: „Carmen", die Indierockband Arctic Monkeys und „Quatuor pour la fin du temps" von Olivier Messian. Welche Bedeutung hat Musik in diesem Drama - und für Sie persönlich?

Mavie Hörbiger: Ich bin da auf jeden Fall bei den Arctic Monkeys zu finden. Das sind fünf gut aussehende englische Jungs. Ich mag gerne Pop, aber auch Gitarrenmusik, ganz klassisch. Ich höre viel Musik zur Entspannung und um mich daran zu freuen. Ich muss sagen, ich weiß nicht, warum Simon Stephens gerade diese Musikstücke gewählt hat, ich finde es originell, sie gegeneinander zu setzen. Man denkt oft bei ihm, es sind vielleicht Zufälle, aber es sind nie Zufälle. Ich glaube, die Musikstücke spiegeln ein bisschen den Charakter des Jonathan wider.

Sie spielen eine junge Frau namens Sian, die Jonathan in einer Lagerhalle in ein Gespräch verwickelt. Ist das ein chinesischer Name? Sian scheint jedenfalls ein böses Mädchen zu sein.

Mavie Hörbiger: Sian ist ein irischer Name. Sie ist eines der vielen Pflegekinder von Frieda, die Elisabeth Orth spielt, und die im ersten Teil des Stückes zu sehen ist. Sian muss schlimme Dinge gemacht haben, aus einer Angst und einer Panik heraus. Sie hat bestimmt auch selbst schreckliche Dinge erlebt. Sie ist ein gruseliges Mädchen, mit dem man nicht alleine in einer Lagerhalle sein möchte. Vielleicht erledigt sie für Mädchenhändler die Drecksarbeit, das machen die Herren ja meist nicht selber. Sie sagt, sie ist sehr viel unterwegs, reist herum, weil sie sich gerne umsieht. Ich glaube, sie ist völlig skrupellos.

Schlimme und gefährliche Mädchen sind ihre Spezialität, oder? Im letzten „Kottan"-Film „Rien ne va plus" von Peter Patzak haben Sie die Täterin gespielt, Marianne Herzer, eine Martial-Arts-Figur. In der Komödie „What a man" von und mit Matthias Schweighöfer sind Sie als Foto-Model zu sehen, das wegen eines sexbesessenen Fotografen seinen Freund verlässt.

Mavie Hörbiger: Meinen Sie, dass ich einen bestimmten Typ Frau spiele? Ich sehe das nicht so. Marianne Herzer war eine totale Kunstfigur. Natürlich schaut man, was einen so interessiert, vielleicht werde ich auch aufgrund meiner Physiognomie für bestimmte Rollen besetzt. Ich finde aber, dass die Figuren wenig miteinander zu tun haben. „What a man" ist eine groß aufgezogene kommerzielle Komödie, die viel Spaß gemacht hat, weil man da mal so richtig auf die Kacke hauen kann, ohne dass es jemand übel nimmt. Matthias Schweighöfer ist eine Wucht! Oft verpufft ja die Begeisterung schnell, wenn man dann so einen eitlen Schauspieler vor sich hat. Aber er hält komplett, was er verspricht, er ist humorvoll und unkompliziert.

Sie spielen ja auch die Tinkerbell im Kinderstück „Peter Pan" am Burgtheater. Welche Beziehung haben Sie zu Feen, Elfen, Geisterwesen?

Szenenbild aus ''Wastwater'': Tilo Nest, Mavie Hörbiger
Szenenbild aus ''Wastwater'': Tilo Nest, Mavie Hörbiger(c) Burgtheater (Reinhard Werner)

Mavie Hörbiger: Oh Gott, das ist ja auch so eine böse Frau, mit der man nicht in einer Lagerhalle eingesperrt sein möchte, aber man kann auch über sie lachen wie oft über Menschen, die in eine extreme Richtung gekippt sind.

Welche Märchenfiguren mochten Sie als Kind?

Mavie Hörbiger: Ich bin ein totales Fernsehkind, damals kam ja gerade das Privatfernsehen auf. Was ich sehr liebe: Christine Nöstlinger. Ich habe alles von ihr verschlungen und sie hier in Wien dann auch kennen gelernt. Wir hatten einen extrem lustigen Abend im Vestibül. Am Schluss habe ich sie um ein Autogramm gebeten und sie hat auf die Serviette geschrieben: „Für die schönste der Hörbigers". Ich habe mich riesig gefreut, dieses Idol aus meiner Kindheit zu treffen.

Sie sind schwanger mit Ihrem zweiten Kind und spielen trotzdem. Wie erleben Sie das? Ist es nicht eine Belastung?

Mavie Hörbiger: Gesundheitlich würde ich nie wegen meinem Beruf meine Kinder riskieren, das wäre ja geisteskrank. Ich habe mich sehr gefreut, als Matthias Hartmann mir die Rolle der Sian angeboten hat, weil ich unbedingt einmal mit Stephan Kimmig arbeiten wollte, der „Wastwater" inszeniert. Erst nachher habe ich erfahren, dass ich schwanger bin, ich habe gesagt, ich würde trotzdem die Rolle gerne spielen und Kimmig hatte damit kein Problem. Es fällt anscheinend auch nicht groß auf. Neulich sollte ich einen Tisch tragen, da sagte ich, das kann ich jetzt nicht. Da sagte Stephan, stimmt, habe ich vergessen. Schlimm waren die ersten drei Monate. Da war ich in der Schweiz und habe dort gespielt. Ich konnte nicht aussteigen, weil das die gesamte Produktion gekippt hätte. Mir war so übel, ich dachte, ich sterbe. Das war beim ersten Kind dasselbe wie beim zweiten.

Wie haben Sie sich durch die Mutterschaft verändert?

Mavie Hörbiger: Alles hat mehr Sinn und ist strukturierter.

Haben Sie feste Vorstellungen von Kindererziehung?

Mavie Hörbiger: Ich kenne eine Frau in der Schweiz, die fliegt mit ihren Kindern jedes Wochenende nach Wien, damit sie hier Geigenunterricht nehmen. Ich hoffe, meine Kinder haben keine Sonderbegabungen. Ich hoffe, sie werden einigermaßen gute Menschen und keine Schwerverbrecher. Ich möchte, dass sie eine schöne Kindheit haben und sich gern an ihre Eltern erinnern. Ich möchte, dass sie glücklich aufwachsen und glückliche Menschen werden.

Sie haben geschafft, wovon viele träumen, eine tolle Karriere beim Film zu machen, wie ist Ihnen das gelungen? Sie haben mit ihren 32 Jahren schon drei Dutzend Filme gedreht und auch viele Theaterrollen gespielt.

Mavie Hörbiger: Ich habe sehr früh angefangen. Mit 17 Jahren habe ich meinen ersten Film gemacht. Ich drehe auch nicht so viel, zwei Filme im Jahr. Ich hatte großes Glück. Ich gehöre sicher zu den 300 Schauspielern und Schauspielerinnen, mehr werden es wahrscheinlich nicht sein im deutschsprachigen Raum, die viel zu tun haben und sich nicht beschweren können. Ich kenne sehr viele Leute, denen es nicht gut geht im Moment, durch die Wirtschaftskrise und die Einsparung von Sendeplätzen. Es wird definitiv viel weniger gedreht, 80 Prozent der Künstler krebsen am Existenzminimum herum. Das ist schrecklich, denn sie sind wahrscheinlich genauso talentiert wie ich. Sicher, man arbeitet auch hart daran, niemanden zu enttäuschen, vor allem sich selbst nicht, aber ich bin schon sehr dankbar, auch dafür, jetzt am Burgtheater zu sein.

Factbox

1979
Mavie Hörbiger wird am 14. 11. in München geboren. Sie ist die Enkelin Paul Hörbigers Ihr Name kommt von Ma Vie: Mein Leben.
1996
Hörbiger steht erstmals vor der Kamera in Michael Gutmanns TV-Film „Nur für eine Nacht“. Seither hat sie über drei Dutzend Filme gedreht und 15 Theaterrollen gespielt.
2006
Mavie Hörbiger heiratet Burg-Star Michael Maertens. 2012
Am 29. April feiert "Wastwater" Premiere am Burgtheater. Im August bekommt sie ihr zweites Kind. Seit dieser Saison ist Hörbiger am Burgtheater engagiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2012)

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