„Game of Thrones“: Finale von Staffel sechs

Jon Snow
Jon Snow(c) HBO
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Die stimmungsvolle zehnte Folge der sechsten Staffel, „The Winds of Winter“, bringt den Beweis für eine weit verbreitete Theorie. In Westeros bleibt kaum ein Stein auf dem anderen.

Spoiler-Warnung: In diesem Episodenblog wird die Handlung der jeweils beschriebenen "Game of Thrones"-Folge verraten.

Im Finale der sechsten Staffel lässt sich „Game of Thrones“ Zeit. Ganze 69 Minuten dauert die zehnte Folge „The Winds of Winter“ – so lange wie keine zuvor. Das merkt man, vor allem am Beginn. In King's Landing beginnt der Tag von Cerseis und Loras' Verhandlung, oder eher Inquisition. Bevor es in die prunkvolle Große Septe von Baelor geht, sehen wir die Figuren noch beim Ankleiden: Königin Margaerys Kleid wird geschnürt, König Tommen bekommt seine Kette umgelegt, Königinmutter Cersei einen Ring angesteckt und Loras Tyrell wird ein Haarschnitt verpasst. Das alles zu stimmungsvoller Musik, keine Worte werden gesprochen. Solche Ruhe verheißt nichts Gutes in „Game of Thrones“. Kontemplative Sequenzen wie diese gibt es sonst vor Schlachten.

Tatsächlich wird diese Verhandlung eine Schlacht, nur wissen es die meisten der Beteiligten noch nicht. Darum trägt Cersei auch ein schwarzes, martialisches Kleid, das wie eine Rüstung aussieht. Was sie wiederum nicht weiß: es ist auch schon ein Trauerkleid. Denn das Komplott, das sie spinnt, fordert mehr Opfer, als sie denkt.

„Sometimes, before we can usher in the new, the old must be put to rest“, sagt Maester Qyburn, bevor er Maester Pycelle von Kindern ermorden lässt (warum, das erfahren wir erst am Schluss). Dieser Satz trifft auf die gesamte sechste Staffel zu: Raus mit dem Alten, rein mit dem Neuen. Viele, viele Figuren sterben in dieser letzten Folge. Vor Staffel sieben (und acht) müssen die Erzählfäden wieder zusammengerafft werden, die Handlungsschauplätze reduziert. „The Winds of Winter“ tut das.

Cersei, was hast du angestellt?

Die Verhandlung ist - wie erwartet - eine fundamental-religiöse Farce. Cersei kommt erst gar nicht zu ihrer Inquisition, ebenso wenig wie König Tommen, den sie daran hindert. So gesteht nur Loras seine Sünden, „all of them“, und bekommt das Symbol der Sieben in die Stirn geritzt. Das hat seine Schwester Margaery so nicht ausgemacht mit dem High Sparrow – aber sie regt sich nicht lange darüber auf. Wie Kassandra sieht sie das größere, das drohende Unheil vor den anderen. „We all need to leave. Let us go“, fleht sie den High Sparrow an. Zu spät. Auch Lancel Lannister entdeckt das Geheimversteck voller Wildfire unter der Kirche zu spät. Die hochentzündliche Flüssigkeit fängt vor seinen Augen Feuer – und verschlingt ihn, alle in der Kirche und sicherlich sehr viele Unschuldige ringsum in King's Landing.

Der High Sparrow
Der High Sparrow(c) HBO

Ein wenig wirkt der High Sparrow so, als würde er das Feuer begrüßen. Wir sehen ihn nur kurz brennen, das Wildfire trödelt nicht, es reißt alles mit sich. Margaery, Loras und ihren Vater Mace Tyrell sehen wir nicht sterben, auch nicht Kevan Lannister, den „Hand of the King“ und die anderen Mächtigen des Hofes. Ich mochte Margaery immer. Sie war ein Ränkeschmiedin, aber eine sanfte, liebenswerte.

Was ihr Tod für ihren Ehemann Tommen bedeutet, hat Cersei nicht vorausgesehen. Dass ihr Sohn jemand lieben könnte, so wie sie, dafür fehlt ihr die Empathie. Trotzdem sieht es nach einer Kurzschlussreaktion aus, wie Tommen vorm offenen Fenster steht, seine Krone abnimmt und dann aus eben jenem Fenster einen Schritt in den Abgrund macht.

„Gold shall be their crowns and gold their shrouds“

„Gold shall be their crowns and gold their shrouds“, sagte die Wahrsagerin Maggy the Frog einst über die Kinder, die Cersei damals noch gar nicht geboren hatte. Goldene Kronen, goldene Totenhemden. Nun hat sich diese Prophezeiung bewahrheitet. Am Ende krönt sich Cersei vor den Augen ihres Bruders/Liebhabers Jaime zur Königin von Westeros und „protector of the realm“. Auf diesem Thron saß sie schon einmal, am Ende von Staffel zwei, bei der „Battle of Blackwater“. Sie hatte den kleinen Tommen am Schoß. Bereit, ihn und sich zu vergiften, falls Stannis die Stadt erobert. Auch damals brannte Wildfire.

Wie wird Cersei ohne ihre Kinder sein, die sie so geliebt hat? Einen ersten Vorgeschmack gibt sie darauf vielleicht im Umgang mit Septa Unella, die sie dem Zombie-Mountain überlässt. Andererseits: Das hätte Cersei schon davor getan. Wie gut eine Königin ankommt, die einen Teil ihres Hofstaates, ihre Schwiegertochter und Geistliche in einem Gotteshaus verbrennt, wird sich zeigen.

Daenerys und Tyrion im Gespräch
Daenerys und Tyrion im Gespräch(c) HBO

Cersei ist nicht die einzigen Königin in dieser Folge, die Schwarz trägt. Auch ihre Herausforderin, Königin Daenerys, ist am Ende der Folge dunkel gewandet. Diese macht in Meereen Schluss mit Daario Naharis. Sie will frei sein für eine mögliche Allianz, eine Heirat, in Westeros, wohin sie – endlich, nach sechs Staffeln! – aufbricht. Schön, dass auch Tyrion auf seinen Heimatkontinent zurückkehrt. Als „Hand of the Queen“, mit passender Brosche.

Wohin Daenerys mit ihrer Armee segeln wird? Nach Dorne, wo Olenna Tyrell (großartig herrisch wie immer) bereits mit den Sand Snakes und Varys Rachepläne schmiedet, schließlich hat Cersei die Zukunft des Hauses Tyrell ausgelöscht.

Bücher an Ketten für Sam

So sehr sich die Folge am Beginn Zeit gelassen hat, so flott gehen andere Dinge. Vor allem das Reisen geht in Staffel sechs viel schneller als in den Staffeln davor. Die Produzenten erklären das damit, dass bei den verschiedenen Handlungssträngen verschieden viel Zeit vergeht. Das dürfte in Staffel sieben (und acht) wirklich interessant werden, etwa bei Sam: Er ist in der Citadel eingetroffen, um sich zum Maester ausbilden zu lassen. Aber diese Ausbildung dürfte mindestens zwei Jahre dauern. Zu lange, um für Jon Snow (und Sansa Stark) im Norden von Hilfe zu sein.

Vielleicht wurde er von Autor George R.R. Martin aber auch nur in diese riesige Bibliothek (so stelle ich mir die Bibliothek von Alexandria vor) geschickt, um dort einen Hinweis darüber zu finden, wie die White Walker zu besiegen sind. Angesichts der schieren Masse an (angeketteten) Büchern wünsche ich ihm viel Glück.

Bran hat Visionen
Bran hat Visionen(c) HBO

Die Wall muss fallen

Einen wichtigen Hinweis darauf, wie es weitergehen wird, liefert Onkel Benjen Stark nördlich der Wall. Er bringt seinen Neffen Bran Stark und Meera Reed zur riesigen Mauer aus Eis, die er nicht überwinden kann. Sie besteht nämlich nicht nur aus Eis und Stein, sondern auch aus Magie. „While it stands, the dead cannot pass“, sagt Benjen. Sprich: Vor dem mutmaßlichen Finale der Serie, der großen Schlacht zwischen den Lebenden und den Toten, wird diese Mauer zerbrechen.

„Promise me, Ned“

Wir wissen jetzt jedenfalls, welche magische Fähigkeit Bran als „Three Eyed Raven“ hat: Berührt er einen Weirwood-Baum, bekommt er Visionen. Und endlich sehen wir, was sein Vater Ned Stark am Tower of Joy vorgefunden hat: seine Schwester Lyanna Stark in einem Bett voller Blut. „Promise me, Ned“, sagt sie und flüstert ihm etwas ins Ohr. Was soll er ihr versprechen? Natürlich, ihren und Rhaegar Targaryens Sohn zu beschützen. Kronprinz Rhaegar hat sie damals nicht entführt, sie ist mit ihm durchgebrannt.

Die Serie muss es nicht aussprechen, der Schnitt von den dunklen Augen des Babys auf die dunklen Augen von Jon Snow reicht: Jon ist nicht Neds Sohn, sondern sein Neffe. Ebenso wie er Neffe von Daenerys ist. Die seit Jahren kursierende Theorie über Jons wahre Eltern stimmt also tatsächlich. Aber wird Jon je erfahren, wer seine Mutter ist?

Er hat zwar mit Sansa Winterfell erobert, aber solange der machtgierige Petyr „Littlefinger“ Baelish dort ist, fürchte ich um ihn (gerade, weil Davos und Jon Melisandre wegen ihres Mordes an Shireen weggeschickt haben). Denn das Vertrauen zwischen Jon und Sansa ist brüchig, und das weiß auch Baelish, selbst nicht gerade vertrauenswürdig. „Only a fool would trust Littlefinger“, sagt Sansa. Immerhin verrät er endlich, was er will: den Eisernen Thron und Sansa an seiner Seite. Na, wenn es sonst nichts ist.

„He is the White Wolf! The King in the North“

Im letzten Blog habe ich gefragt, wo Lyanna Mormont ist. Wir können aufatmen: Sie hat nicht nur die Schlacht unbeschadet überstanden, sie wird auch unvermutet Königsmacherin. Nach der Reihe rügt sie bei der Versammlung in Winterfell die Adelshäuser Glover, Manderly und Cerwyn. „You refused the call“, schimpft sie. Und macht Jon nicht nur zum Herrscher über Winterfell – diesen Posten hätte er selbst nobel seiner (Nicht-)Halbschwester überlassen –, sondern erhebt ihn gar zum König: „He is the White Wolf! The King in the North“, ruft sie und alle schwören ihre Treue. Lustig, dass ein Mädchen, das nach seiner wahren Mutter benannt ist, den Bastard Jon Snow zum König macht.

„Jon Snow is not a King“, hatte Ser Davos noch in der letzten Folge gesagt. Das stimmt jetzt nicht mehr. Auch wenn er selbst nichts dazu gesagt hat. Nun muss er darauf achten, Sansa nicht wegzudrängen. Denn „Winter is here.“ Und mit ihm wird der König der Nacht kommen. Da müssen die Starks zusammenstehen, egal welchen Nachnamen und Titel sie tragen.

Arya serviert „Frey Pie“

Viele Fans haben es den Serienautoren David Benioff und D.B. Weiss übel genommen, dass sie Lady Stoneheart aus den Büchern gestrichen haben. Nach dem Finale wissen wir endlich warum. Ihre Aufgabe übernimmt jemand anders. Welche das ist? Freys töten. Die hübsche Bedienerin bei der Siegesfeier der Freys, die auch schon ein Augen auf Jaime geworfen hat, ist niemand anderes als Arya Stark.

Walder Frey lässt es sich schmecken
Walder Frey lässt es sich schmecken(c) HBO

Sie hat tatsächlich ein Gesicht aus dem House of Black and White mitgehen lassen (oder weiß sie einfach, wie man diese herstellt?). So getarnt setzt sie dem alten Walder Frey einen „Frey Pie“ vor: eine Pastete mit dem Fleisch seiner eigenen Söhne. Ihr Gesicht ist das letzte, das er sieht. So kann es weitergehen.

Zitate der Woche:

  • Sansa: „I always thought about what I wanted, not what I had.“
  • Maester zu Sam: „This is irregular“
    Sam: „I suppose life is irregular.“
  • Davos zur Melisandre über den Red God: „If he commands you to burn children, your Lord is evil.“
  • Tormund Giantsbane: „We didn't invade. We were invited.“
  • Tommens letzte Worte: „Alright. I'm ready.“


Die Toten von „The Winds of Winter“:

  • Margaery Tyrell
  • König Tommen
  • Loras Tyrell
  • Lancel Lannister
  • Kevan Lannister
  • High Sparrow
  • Maester Pycelle
  • Mace Tyrell
  • Walder Frey
  • Black Walder Frey
  • Lothar Frey
  • Lyanna Stark (in Brans Vision)

Habe ich jemanden vergessen? Bitte um Ergänzungen

NACHTRAG: Was macht Varys auf dem Schiff?

Die mögliche Antwort: Es sind bereits Schiffe aus Dorne in Daenerys Flotte. Auch hier ist der unterschiedliche Zeitablauf bei den verschiedenen Handlungssträngen irritierend.

NACHTRAG 2: Hier ist die Musik vom Anfang, geschrieben von Ramin Djawadi

Der "Game of Thrones"-Blog im Überblick

Redaktioneller Hinweis: Die aktuellen "Game of Thrones"-Folgen werden der Autorin vom Sender Sky zur Verfügung gestellt, der die Serie in Österreich zeigt.

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