Horror: Herzblut für den fantastischen Film

(C) /Slash-Filmfestival
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Donnerstag startet die dritte Ausgabe von Wiens populärem Genrekino-Fest. Bis 30. September platzt das Programm aus allen Nähten – von Francis Ford Coppola über David Hasselhoff bis zu „Toilet of the Dead“.

Das ist wahre Liebe: Eine entzückend kuschelige graue Fellmonsterhandpuppe mit Zyklopenauge, Hut und brennenden Hörneröhrchen sieht die Puppendame seines Herzens, ein Wuschelschopf wie von Frankensteins Braut über ihrem Totenkopfgesicht. Der Pas de deux von Tschaikowskys „Nussknacker“ schwillt dazu auf der Tonspur an, während das Monsterchen verliebt starrt, der glucksenden Angebeteten eine Blume überreicht... und dann Blut auf ihr weißes Kleidchen spritzt, als er sich das Herz aus dem Leib reißt, um es ihr zu geben.

Selig fällt das Fellmonster nach hinten aus dem Bild – darüber die Einblendung: „/Slash Filmfestival“. 2010 wurde dieses Wiener Genrekino-Festival von „Presse“-Filmkritiker Markus Keuschnigg und seinen Mitstreitern ins Leben gerufen, um eine Lücke zu füllen: Trotz starken Interesses an und reichhaltiger Produktion von fantastischem Kino ist es im regulären Verleihbetrieb größtenteils in DVD-Regale verbannt. Wie das in Deutschland schon lang erfolgreiche „Fantasy-Filmfest“ und vergleichbare internationale Veranstaltungen hievt „/Slash“ solche Filme wieder auf die große Leinwand, wo sie hingehören. Mit beträchtlichem Publikumserfolg trotz (nicht nur relativ) geringfügiger Förderung. So gesehen passt der hinreißende Trailer für die heute beginnende dritte „/Slash“-Ausgabe nur zu gut: Gestaltet hat ihn der New Yorker Heimbastler Brian Lonano, dem man im Vorjahr einen Tribut gewidmet hat, und er ist – wie das Festival selbst – eine Herzblutangelegenheit.

Totes Sushi und falscher Johnny Depp

So platzt das Programm auch wieder aus allen Nähten: Knapp 40 Filme laufen bis 30.September im Filmcasino, fast alles Österreich-Premieren, der Eröffnungsfilm heute sogar eine Uraufführung: „Flukt“ („Escape“), ein norwegisches Action-Abenteuer vor mittelalterlichem Pestepidemie-Hintergrund, inszeniert von Roar Uthaug, der 2007 mit dem Horrorfilm „Cold Prey“ weltweit Aufsehen erregt hat und zur Premiere anreist.

Genregrenzen sind bei „/Slash“ aber ohnehin da, um eingerissen zu werden. Vom obligaten Zombie-Schwerpunkt am ersten Wochenende (samt japanischen Umnachtungswerken mit so viel versprechenden Titeln wie „Zombie Ass: Toilet of the Dead“ sowie „Dead Sushi“ vom verrückten Genrekönig und alten „/Slash“-Bekannten Noburo Iguchi) reicht die Bandbreite zur unabhängigen 3-D-Gruselfreude „Twixt“ von Hollywood-Altmeister Francis Ford Coppola mit Val Kilmer oder zur fürwahr fassungslos machenden Dada-Anarchie des US-Komikerduos Tim Heidecker und Eric Wareheim.

Längst ist die surreale, aggressiv an den Nerven zerrende „Tim And Eric Awesome Show“ US-Kult, ihr kompromissloses Billig-Zapping-Erscheinungsbild wird im Kinofilm „Tim And Eric's Billion Dollar Movie“ zwar etwas gemildert und mit genial aufspielenden Gaststars von Will Ferrell bis John C. Reilly aufgemotzt, der heimtückische Humor leidet aber nicht im Geringsten: Erzählt wird, wie die beiden Komiker dringend den titelgebenden Milliardenfilm fertigstellen müssen, nachdem sie in den ersten drei Minuten ihr Budget verpulvern, indem sie auf einen schlechten Johnny-Depp-Imitator hereinfallen, den sie auch noch in einen Anzug aus echten Diamanten stecken. Dann wird im Namen des schlechten Geschmacks alles geschändet, was Hollywood-Komödien sonst heuchlerisch heilig ist.

Dem Mainstream ist man dabei keineswegs abhold: „Piranha 3DD“ ist schon wegen der Mitwirkung von Bademeister David Hasselhoff eine Pflichtselektion, für den Connaisseur gibt es im üppigen Programm indessen wahre Perlen: etwa die ultrarare Langfassung von Clive Barkers Meisterwerk „Nightbrees“ – oder ein Gastspiel von Johsua Grannel. Als Dragqueen Peaches Christ sorgt sie mit „Midnight Mass“-Filmveranstaltungen in San Francisco seit anderthalb Dekaden für Furore: Zu „/Slash“ kommt sie mit ihrem Regiedebüt „All About Evil“, einem Liebesbrief an das Schundkino. Auch das: eine Herzblutangelegenheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2012)

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