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Vicky Leandros: "Die Jungen werden verheizt"

Vicky Leandros Jungen werden
Vicky Leandros Jungen werden(c) EPA (MAURIZIO GAMBARINI)
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Die Schlagerlegende Vicky Leandros im Gespräch über die Wendung zum Groben in der Branche, die Probleme bei Castingshows und die fehlende Förderung von Talenten. Ella Fitzgerald war ihr Vorbild.

Die Welt des Schlagers hat sich seit den 70ern verändert. Statt der Orchester und Chöre gibt es heute Technobeats und synthetische Sounds. Wie geht es Ihnen damit?

Vicky Leandros: Mir fallen die Veränderungen nicht so schwer. Ich war ja nie nur in der Schlagerwelt zu Hause, habe immer auch Chansons und Popballaden gesungen. Es stimmt: Im Schlager ist der Sound leider sehr grob geworden. Das ganze Genre hat sich nicht gerade zu seinem Vorteil entwickelt.

Als junges Mädchen wagten sie den Sprung nach Amerika. Warum kamen Sie zurück?

Ich wollte dort partout nicht leben. Das wäre aber die Bedingung für eine große Karriere gewesen. Doch meine Wurzeln liegen in Europa. Ich hatte sogar einen Termin beim großen Neil Diamond. Stattdessen bin ich einfach nach Frankfurt geflogen, ohne jemandem Bescheid zu geben. Das hat die Amerikaner schon etwas erbost.

Sie haben in den 1970ern viele sehr beseelt gesungene Pop-Coverversionen veröffentlicht. Waren die Titel immer Ihre Wahl?

Oh, ja. Absolut! Die Freiheit hatte ich immer. Das jeweilige Produktionsteam durfte nur ein, zwei Lieder aussuchen. Das waren dann die kommerziellen wie „Theo, wir fahr'n nach Lodz“, nicht unbedingt mein Lieblingssong. Aber „Scarborough Fair“ von Simon & Garfunkel oder „My Sweet Lord“ von George Harrison habe ich geliebt.

Der Schlager wird gern des falschen Gefühls geziehen. Was passiert bei Ihren Konzerten auf der Bühne?

Ich sage immer: Bei mir findet auf der Bühne die Wahrheit statt. Ich zeige mich so, wie ich bin. Sich zu öffnen, Gefühle herauszulassen, darum geht es. Das verstehen die Menschen im Saal.

Seit einigen Jahren komponieren Sie gehaltvolle Stücke wie „Fremd in einer großen Stadt“ selbst. Wie kam es dazu?

Man könnte sagen, das Komponieren hat mir mein Vater unbewusst beigebracht. Lange habe ich mich nicht getraut, das zu tun. Auf meinem nächsten Album sind endlich viele eigene Songs.

Ihr Vater hat sie schon als kleines Mädchen sehr gefördert. War das eine Art Drill, oder kam der Wunsch zu singen aus Ihnen?

Der kam schon aus mir. Eigentlich wollte in der Familie keiner, dass ich singe. Das sei viel zu anstrengend für ein Mädchen, hieß es. Ich hatte damals schon einen ziemlich starken Willen und habe mich durchgesetzt. Mein großes Vorbild war Ella Fitzgerald.

Christian Anders und Michael Holm, Daliah Lavi und Sie. Ist es nachträgliche Verklärung, oder waren damals wirklich größere Persönlichkeiten im Schlager tätig als heute?

Wir wurden gut gefördert. Plattenfirmen nahmen sich Zeit und Geld, um Talente weiterzubringen. Tatsächlich waren die Künstler sehr unterschiedlich, es ging darum, das Individuelle herauszustreichen. Heute geht die Bestrebung leider Richtung Einheitsbrei.

Was halten Sie von Castingshows?

Mit Sendungen wie DSDS bin ich nicht einverstanden. Da werden junge Leute verheizt. Manchmal sind Gute dabei, aber niemand fördert sie nachher. Viele kriegen einen psychischen Knacks. Gut gemacht ist nur „Voice Of Germany“.

Am 9. Mai gastieren Sie im Wiener Konzerthaus mit der Big Band, mit der schon Nina Hagen unterwegs war. Was erwartet uns?

Zwei, drei Titel meiner nächsten Platte und Publikumsfavoriten wie „Wenn du jetzt gehst“ und „Möge der Himmel“. Der zweite Teil des Abends gehört bewährten Liedern wie „Ich liebe das Leben“, „Après toi“ und einem griechischen Theodorakis-Medley.

Sie haben viele Lieder von Mikis Theodorakis gesungen. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?

Eine einzigartige Persönlichkeit! Ich habe ihn oft zu Hause besucht, er spielt mir immer Musik vor, bis zu acht Stunden lang. Und wir unterhalten uns lang über Musik, Politik und seine Zeit im Gefängnis. Er sagt immer: Könnte er sein Leben nochmals leben, würde er nicht mehr in die Politik gehen.

Sie haben ja auch eine Zeit als Kulturpolitikerin in Piräus praktiziert. Wie war das?

Zuerst hat man hat mich mehrmals in Deutschland gefragt, ob ich in die Kulturpolitik gehen wolle. Das habe ich aus Zeitgründen verneint. In Griechenland wollte ich helfen. Im Rückblick würde ich sagen, die Lage war unübersichtlich. Zwei Jobs unter einen Hut zu bringen, war schwierig. Singen ist halt meine Leidenschaft, nicht die Politik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2013)

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