Pop

Wie Elton John unser Leben spannender macht

Elton John
Elton John (c) EPA (GEORG HOCHMUTH)
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Der englische Star sang und spielte in der Wiener Stadthalle eine großzügige Auswahl seiner gemächlichen Songs.

Wer der Popmusik schon länger halbwegs die Treue hält, neigt zur Beschönigung der Vergangenheit: Ja, früher, da war alles besser, intensiver, der Underground sowieso, aber auch die Hitparade! Gegen solche Anwandlungen gibt es ein perfektes Heilmittel: ein Konzert von Elton John. Es lehrt einen, wie spannungsarm Pop in den Siebzigern sein konnte. Nehmen wir nur „Rocket Man“ (1972), eine für Elton John vergleichsweise melodisch einfallsreiche Nummer, die Frisiersalon-Variante von David Bowies „Space Oddity“ (1969). Während Bowies „Major Tom“ die Einsamkeit und die Gefahr spürt, wird dem Raketenmann schlicht und einfach fad im All.

Samstagnacht? Fünf-Uhr-Tee!

Kein Wunder bei diesem Rhythmus: streng Midtempo, wie in fast allen Songs von Elton John. Er muss ja jede Leerstelle mit Klaviernoten ausfüllen, und das geht besser, wenn man nicht hudelt. Selbst wenn er ein bisschen schneller wird, bleibt er gemütlich: Wenn er über Samstagnacht singt, meint er hörbar einen Fünf-Uhr-Tee. Das tat er auch vor 40 Jahren, man kann ihm nicht vorwerfen, dass er mit dem Alter gemächlich geworden ist, er war es immer, auch als er noch Scheibenwischer auf der Brille hatte.

So sang sich Elton John, auch schon 66 Jahre alt, gehüllt in einen glitzernden blauen Anzug, wie ihn die Moderatoren von Verkaufsshows gern tragen, durch seine Greatest Hits, ergänzt durch ein paar rarere Songs, z.B. „Mona Lisas And Mad Hatters“ aus „Honky Château“ (1972), in dem er feststellt, dass in New York keine Rosen auf den Straßen wachsen, aber viele gar seltsame Typen herumhängen. Gott sei Dank dass es auch normale Leute dort gibt! „I thank the Lord there's people out there like you.“

Das ist vielleicht das Erfolgsgeheimnis des Elton John: dass er seinen Zuhörern das Gefühl gibt, dass er ist wie sie. Ein bisschen reicher vielleicht und ein wenig glamourös, aber eigentlich ganz normal. Er glaubt an die Liebe, nicht an den Ruhm, er mag traurige Lieder, weil sie so viel sagen, Freiheit findet er auch wichtig, und Rock'n'Roll natürlich, aber nicht zu wild. Man muss ja nicht übertreiben.

So verließ man nach langen 26 Songs die Stadthalle, mit dem schönen Gefühl: Im Vergleich zu diesem Pop kann das wirkliche Leben nur spannender sein. Danke, Sir Elton. Nur Klavier können wir jetzt ein paar Wochen keines mehr hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2013)

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