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James Williamson: "Iggys Texte sind reifer geworden"

James Williamson:
James Williamson: "Iggys Texte sind reifer geworden"(c) EPA (BJORN LARSSON ROSVALL)
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Am Freitag gastiert Proto-Punk-Ikone Iggy Pop mit The Stooges in Österreich. Ein Gespräch mit James Williamson, seinem Gitarristen und Ko-Komponisten.

Die Presse: Sie haben 30 Jahre keine Gitarre mehr angerührt. Welche andere Arbeit war es das wert?

James Williamson: Ich machte all die Zeit einen ganz normalen Job in der Entwicklungsabteilung von Sony, Kalifornien. Zuletzt war ich Vizepräsident und hatte eine Menge Leute unter mir. Als ich 2009 tatsächlich dieses Angebot des Vorruhestands annahm, waren die Leute von Sony sehr erstaunt, weil sie mich als ehrgeizig kannten. Also haben sie mich gleich als Konsulent weiter verpflichtet. Statt in Frühpension zu sein, habe ich jetzt eben zwei Jobs.

Hatten Ihre Kollegen in der Management-Etage eine Ahnung von Ihrem wilden Vorleben?

Lange Zeit nicht. Ich zog es vor, das nicht zu erwähnen. Aber mit dem Aufkommen des Internets war das irgendwann einmal nicht mehr möglich. Stück für Stück kam die Wahrheit raus.

Geschadet hat es Ihnen aber nicht?

Nein, eher im Gegenteil: Plötzlich galt ich wieder als wilder Hund.

Sehen Sie Parallelen zwischen dem Musikerleben und einer Existenz als Computer-Nerd?

Ja, da gibt es viele Parallelen. Wenn Leute prinzipiell schöpferisch sind, dann können sie auch das Gebiet wechseln. Meine Begabung, Gitarre zu spielen, setzte ich in den Jahren bei Sony auf andere Weise kreativ um. Wie man sich vorstellen kann, gibt es in der Computerbranche sehr viele brillante Köpfe, wo es Spaß macht, sich auszutauschen. Es waren faszinierende Jahrzehnte, mindestens ebenso aufregend, wie meine frühen Rock 'n' Roll-Jahre.

Sprechen wir vom Rock 'n' Roll. Wie kam das, wie fühlt es sich an, wieder Teil der Stooges zu sein?

Mittlerweile sehr gut. Das Ganze kam für mich sehr überraschend. Nach dem Tod von Gitarrist Ron Asheton im Jänner 2009 kamen Iggy und ich wieder ins Gespräch. Zunächst ging es nur um die Begräbnisdetails. Ein paar Wochen später fragte mich Iggy, ob ich mir vorstellen könnte, wieder einzusteigen. Ich verneinte erst, bekam dann aber ein schlechtes Gewissen.

Wie schwierig war es, wieder reinzukommen ins Gitarrespielen?

Das war ein hartes Stück Arbeit. Zunächst habe ich einmal ein halbes Jahr lang mit einer lokalen Band geübt. Die erste Show mit den Stooges ging dann in Brasilien vor 40.000 Menschen über die Bühne. Ich könnte nicht sagen, dass das schon Spaß gemacht hat. Die Freude am Lärmen kam nach und nach.

Warum haben Sie nach den missglückten Sessions für „Soldier“ 1980 gleich ganz mit der Musik aufgehört?

Ich war schon länger total fasziniert vom Aufkommen der ersten Personal Computer. Mich zog es schon in die digitalen Welten, als mich Iggy 1979 bat, mit ihm „New Values“ aufzunehmen. Weil ich das Geld brauchte, machte ich vorerst noch mit. Silicon Valley war ab Beginn der Achtziger meine neue Welt. Das hab ich nie bereut.

Einerseits ist das verständlich, andererseits bedauerlich, weil Sie ein so hervorragender Gitarrist waren. Wie erinnern Sie sich Ihrer musikalischen Anfänge?

Durch meine Schwester wurde ich auf Elvis Presley aufmerksam. Ich fand ihn wahnsinnig cool und wollte so sein wie er. Ich begann mit einer Akustik-Gitarre. So richtig gut wurde ich aber dann erst auf der E-Gitarre. Als ich sah, dass man als Musiker immer Geld und Mädchen hatte, erwachte mein Ehrgeiz dann richtig.

Sie verbrachten viele Jahre in Heimen, weil Sie nicht mit Ihrem Stiefvater auskamen. Wie sehr hat das Ihre Persönlichkeit geformt?

Man hat mich wegen meiner langen Haare von der Schule gewiesen. „Komm erst wieder, wenn du sie dir geschnitten hast“, sagte man mir. Mein Idol war damals Bob Dylan. Ich fragte mich also, was er in meiner Situation machen würde? „Abhauen“ war meine Antwort. Das tat ich. Als ich geschnappt wurde, kam ich ins Heim. Dort schnitt man mir sofort die Haare ab. Es gibt bei uns diesen Ausdruck „Don't fight City Hall“. Diese Lektion hab ich damals gelernt.

Als Sie später zu den Stooges gingen – wie wichtig war es, dass die ein Rebellen-Image hatten?

Persönlich war ich sicher rebellischer als die Stooges. Aber es stimmt schon, sie kreierten auf gewisse Weise ihre eigene Subkultur. Ich war schon im inneren Kreis dieser Band, als es sie noch gar nicht gab. Umso natürlicher war es zuzusagen, als ich gefragt wurde, ob ich nicht mit meiner Gitarre mitmischen wolle.

Ihr Einstand mit dem Album „Raw Power“ war eindrucksvoll. Sie komponierten sämtliche Lieder gemeinsam mit Iggy. Wie erinnern Sie sich daran?

Der kreative Prozess war, wie er heute noch ist: Alles beginnt mit einem zündenden Riff. Den tüftelte meistens ich aus, alleine, auf meiner akustischen Gitarre. Sobald Iggy einmal angesprungen war, fielen ihm sofort schlüssige Texte ein. Genau diese Arbeitsweise hatten wir auch auf „Ready To Die“, unserem jüngsten Album.

Für „Ready To Die“ waren Sie erstmals nach 30 Jahren wieder mit Iggy Pop im Studio. Hat er sich verändert?

Ja und nein. Was das Songwriting anlangt, verlief es genauso wie immer. Aber Iggys Texte sind reifer geworden. Bei „Raw Power“ war der Krieg in Vietnam das Hauptthema, bei „Ready To Die“ ist es ein gewisser allgemeiner gesellschaftlicher Pessimismus.

Was war denn Ihre größte Illusion zu Beginn Ihrer Karriere mit Iggy Pop?

Die Idee, dass wir jemals so etwas wie eine Hitsingle haben könnten.

Eine Rückkehr mit der Gitarre

James Robert Williamson wurde 1949 in Castroville, Texas, geboren. 1969 lernte er The Stooges kennen. Er wurde bei der Band 1971 Gitarrist, schrieb mit Iggy Pop die Songs. Noch in den Siebzigerjahren zog er sich sukzessive zurück, studierte Elektrotechnik, ging zu Sony. 2009 Rückkehr zur Band.

Das Konzert in Wien: Iggy Pop & The Stooges, Freitag, 9. August, Arena, 20Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2013)

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