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McCarthy: "Nie so viel Geld verlangen wie die Stones"

McCarthy viel Geld verlangen
McCarthy viel Geld verlangen(c) EPA (Mate Nandorfi)
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"Right Thoughts, Right Words, Right Action" heißt das vierte Album von Franz Ferdinand. Es vereint auf lockere Art Ruppigkeit und Eleganz. "Die Presse am Sonntag" parlierte mit Gitarrist Nick McCarthy.

Waren Franz Ferdinand nach vier Jahren Pause nicht schon etwas eingerostet?

Nick McCarthy: Das stimmt schon. Zudem hatten wir unsere freundschaftlichen Beziehungen während unserer intensiven Tourneen bis zum Letzten ausgereizt. Wir hatten eine Zeit lang keinen Bock darauf, uns überhaupt zu sehen, und flüchteten uns in andere Projekte. Das war kurze Zeit eine Erleichterung, aber wir merkten bald, was wir aneinander haben. Mit Alex Kapranos Songs zu schreiben ist einfach etwas ganz Spezielles und der Begriff „Bandchemie“ keine Leerformel.

Was halten Sie von den Rolling Stones, einer Band, die trotz interner Querelen, nun mehr als 50 Jahre auf dem Buckel hat. Vorbild oder abschreckendes Beispiel?

Teils, teils. Wir würden niemals so viel Geld für Gigs verlangen, wie die Stones. Ich mag sie dafür, dass sie sich in ihren frühen Jahren immer wieder stark verändert haben. In dieser Hinsicht sind sie ein Vorbild für Franz Ferdinand. Wir wollen unseren Sound noch einige Male verändern.

Kurioserweise gibt es auch Bandchemie bei Leuten, die nicht miteinander befreundet sind. Etwa bei Echo & The Bunnymen, die sagen, dass sie in all den Jahren niemals auf die Idee gekommen sind, miteinander ein Pub zu besuchen. Was sagen Sie dazu?

Das finde ich bemerkenswert, aber auch ein bisschen traurig. Das Fundament von Franz Ferdinand ist auf jeden Fall unsere Freundschaft. Sonst könnten wir nicht so viel Power geben.

Haben sich Franz Ferdinand von Beginn ihr cooles Image überlegt?

Nein. So etwas planen zu wollen, halte ich für dekadent. Das meiste in diesem Business ist doch Zufall.

Junger Popmusik wird gern vorgeworfen, dass sie nichts wirklich Neues bietet. Ist wirklich alles nur mehr retro?

Auf keinen Fall. Die Bedeutungen, mit denen Songs belegt werden, haben sehr viel mit dem Hörer zu tun, hängen von Zufall und Zeitgeist ab. Retro ist heutzutage auf vielen Gebieten en vogue. Ich verstehe das, weil es eine gewisse Sicherheit vorgaukelt, weil es so tut, als wäre alles Heutige eine Fortsetzung von etwas Bewährtem.

Ist Tradition, wie sie im Blues oder im Jazz sehr selbstverständlich zelebriert wird, im Pop verwerflich?

Sicher nicht. Aber ich glaube, jede Generation entwirft sich im Grunde neu, auch wenn es in alten Formen passiert. Kontinuität gibt es meist gar nicht, auch wenn sich formal Parallelen aufdrängen. Richtig peinlich wäre es, würde sich eine Band als Stimme der Zukunft inszenieren. Selbst das wäre dann etwas, was innerhalb einer Tradition zu sehen ist. Wenn man böswillig wäre, könnte man sogar die Beatles als Retroband hinstellen.

Mit (böser) Zukunft hat der Song „Evil Eye“ zu tun. Was ist die Idee dahinter?

Es ist die naive Vorstellung, dass man Menschen verhexen könne. Alex Kapranos kannte dieses Konzept von Alltagsvoodoo namens „Evil Eye“ von seiner griechischen Oma. In den Strophen ergötzt er sich an den Folgen seiner kindlich-bösen Wünsche. Musikalisch gesehen ist „Evil Eye“ unsere Interpretation von R&B. Für die Feinheiten haben wir den famosen, norwegischen DJ Todd Terje konsultiert, der die Sache noch grooviger machte.

In „Fresh Strawberrys“ machen Sie etwas, was auch Burt Bacharach gern praktiziert hat: Musik und Text drücken unterschiedliche Stimmungen aus. Wie kam das?

Das hat mehr mit unserem Humor zu tun, als mit etwas anderem. Der Song ist vollständig in Dur gehalten und handelt dennoch von Tod und Verderben. So etwas macht uns Spaß. Wenn sich das nach Retro anhört, dann war es ein Versehen.

Sie haben einst in Bayern Kontrabass an der Jazzuniversität studiert. Haben Sie eigentlich auch Einfluss auf den Groove, oder konzentrieren Sie sich bei Franz Ferdinand ganz auf die Powergitarre?

Die eigenen Instrumente kommen im kreativen Prozess von Franz Ferdinand erst ganz zum Schluss. Jeder von uns probiert bei den Sessions auch etwas mit den Beats und Grooves. Mein Studium war nicht ganz umsonst. Und ich muss sagen, aus der Harmonielehre ist mir das meiste hängen geblieben. Das hilft mir jetzt. Aber wenn ich auf Alex schaue, dann weiß ich, dass man noch viel mehr mit bloßem Gespür zusammenbringt. Er weiß noch nicht einmal, wo das G auf der Gitarre ist, und reimt sich dennoch alles perfekt zusammen.

Tatsächlich ist es faszinierend, wie viele Popbands langweilig werden, so bald sie ihre Instrumente richtig spielen können. Sehen Sie das ähnlich?

Auf jeden Fall. Um dieser Gefahr auszuweichen, tauschen wir bei Franz Ferdinand im Studio auch ständig die Instrumente. Auch kaputte Instrumente können helfen, einen Sound lebendig zu halten. Auf den ersten beiden Alben habe ich eine kaputte Gitarre gespielt.

Warum haben Sie nach Ihrer Jugend in Bayern Glasgow zum Ort Ihrer Rückkehr nach Großbritannien erkoren?

Weil es sozialistisch geführt ist. In Glasgow konnte ich als unbekannter Musiker prima vom Arbeitslosengeld leben und meine Musik machen. Das hätte in London nicht funktioniert. Weil es so teuer ist und weil alle Energien für den täglichen Überlebenskampf draufgehen. Jeder hechelt hier dem Geld nach. Ich kann nicht sagen, dass mir London wirklich am Herzen liegt.

Jetzt, wo Sie reich und berühmt sind, machen Sie auch etwas für jüngere Kollegen?

Ich habe mir im Osten Londons, in Hackney, ein Studio gebaut, das junge Kollegen gratis nützen können.

Nick (Nicholas) McCarthy, geb. 1974 in Blackpool, England, ist Gitarrist, Background-Sänger, Keyboarder und Songschreiber der britischen Indie-Rockband Franz Ferdinand. Er wuchs in Bayern auf, studierte nach der Matura Kontrabass am Richard-Strauss-Konservatorium in München

Franz Ferdinand waren nach einigen Auftritten immer noch namenlos, und kamen beim Diskutieren auf den österreichisch-ungarischen Erzherzog Franz Ferdinand zu sprechen, dessen Ermordung den Ersten Weltkrieg ausgelöst hatte. Jüngstes Album: Right „Thoughts, Right Words, Right Action“. Die Band tritt am Feiertag, dem 15. August, beim FM4-Frequency-Festival im Green Park, St. Pölten, auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2013)

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