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Neue Version von Dylans Album "Self Portrait"

(c) APA (John Szhlesinger)
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Dylans umstrittenste Platte erscheint in neuer Form. Sie enthält viele bisher unveröffentlichte Songs, darunter Sessions mit George Harrison.

Mit Bob Dylans umstrittendsten Album "Self Portrait" sorgte der Sänger 1970 regelrecht für Panik unter seinen Fans: Hatte er seine besten Zeiten schon hinter sich? Wollte er Fans und Kritiker vor den Kopf stoßen? Oder damit den Massengeschmack persiflieren? In der Szene ist man sich bis heute nicht sicher. Nun kommt eine neue Version des Albums in den Handel: "Another Self Portrait" wartet mit erstaunlichem Material und einem tiefen Einblick in Dylans mythenumrankte Phase von 1969 bis 1971 auf.

Wurde "Self Portrait" missverstanden?

Auch heutzutage können mit "Self Portrait" viele Dylan-Anhäger nichts anfangen. Das Album mit seinen zwei Dutzend Songs war eine radikale Abwehr vom gewohnten Dylan-Sound: Zu hören ist ein Mix aus bizzaren Coverversionen und alten Country-Songs - alles überproduziert, kitschig, rätselhaft und schlampig. Fans und Kritiker fühlten sich vor den Kopf gestoßen. Es hieß, Dylan sei erledigt. Was der Grund für dieses komplett aus der Reihe fallendem Album war, ist bis heute ein Rätsel.

Midlife Crisis?

Dylan stand damals an einem Schneideweg in seinem Leben. Der Künstler wurde 30, war Familienvater geworden und nach Woodstock gezogen. Der plötzliche Tod seines Vaters beschäftigte ihn ebenso wie die Horden an Fans, die zu seinem Haus pilgerten, plötzlich im Vorgarten standen und Antworten von ihrer "Stimme der Nation" erwarteten. In dieser Zeit veröffentlichte er "Self Portrait". Dylan meinte zwanzig Jahre später: "We released that album to get people off my back".

Doch schon ein Jahr zuvor verwirrte er seine Fans mit dem Album"Nashville Skyline" (1969), bei dem sich Dylan dem Country zugewandt hatte (Outtakes von dieser LP gibt es ebenfalls auf "Another Self Portrait"). Viele seiner Anhänger konnten diesen kreativen Schritt nicht nachvollziehen. Country galt als Musik der konservativen Rednecks.

Musik, die Dylan prägte

"Ich denke, er nannte das Album 'Self Portrait', weil das die Musik war, die ihn geprägt hatte", meinte Bromberg. Dazu gehörten Folkklassiker und eben Countrysongs, auf "Another Self Portrait" in fantastischen Ausführungen vertreten, aber eben bis heute zurückgehalten. Die Auswahl für "Self Portrait" war nicht optimal - und dann verpasste Produzent Bob Johnston den Liedern auch noch einen Zuckerguss in Form von viel zu glatten Arrangements.

Das nur vier Monate nach "Self Portrait" erschienene Nachfolgealbum "New Morning" wurde bejubelt. "Wir haben Bob Dylan zurück", hieß es etwa im "Rolling Stone". "So weit ich es beurteilen kann, war 'New Morning' eine Reaktion auf die Kritik an 'Self Portrait'", betonte Kooper in dem Promoclip zu "Another Self Portrait", das auch Raritäten der "New-Morning"-Sessions enthält. Allerdings hatten die Arbeiten an "New Morning" schon vor jenen zu "Self Portrait" begonnen.

Entstehung des Albums

"Es muss Anfang 1970 gewesen sein", erinnerte sich Gitarrist David Bromberg in einem auf YouTube veröffentlichten Werbefilm zur Veröffentlichung. "Bob pflegte vorbeizuschauen, wenn wir im Bitter End (Folk-Club im New Yorker Greenwich Village, Anm.) auftraten. Er rief mich eines Tages an und bat mich, mit ihm ein Studio auszuprobieren. So bezeichnete er das. 'Ein Studio ausprobieren' hieß letztendlich, 'Self Portrait' aufzunehmen."

"Wir nahmen Dinge auf, die niemand von Bob erwartet hätte", so Keyboarder und Gitarrist Al Kooper. Es sei eine "Alles-geht"-Situation gewesen. Zahlreiches Material landete aber bloß in den Archiven. "Etwa 70 Prozent der Aufnahmen wurden nicht veröffentlicht", mutmaßte Kooper 2010 in einem Interview mit dem britischen Magazin "Mojo".

Unveröffentlichtes Material jetzt zu hören

"Es blieb unveröffentlichtes Material zurück, das bahnbrechend hätte sein können", erzählte Kooper "Mojo" vor zwei Jahren über die "New-Morning"-Sessions. "Ich habe Bläser auf den Titelsong gemischt, aber Dylan mochte sie nicht. Ich packte Streicher und eine Harfe auf 'Sign On The Window'." Beide Versionen sind nun auf "Another Self Portrait", von Kooper neu gemischt.

"Da gab es viele Sachen, die es damals nicht auf die Platte geschafft haben", so Kooper. Dazu zählten Sessions mit George Harrison, auf "Another Self Portrait" erstmals offiziell zum Teil zu hören. Insgesamt bietet die Standard-Version der "Bootleg Series Vol. 10" auf zwei CDs bzw. drei Vinyl-Scheiben 35 Raritäten. Die teure, aber lohnenswerte Deluxe-Ausgabe wartet zusätzlich mit der remasterten Original-Platte "Self Portrait", einem Live-Mitschnitt von Dylan mit The Band beim Isle Of Wright Festival (mühsam und perfekt neu gemixt) und zwei gebundenen Büchern auf.

Dylans Schaffen neu bewerten

In der aktuellen Ausgabe des britischen Magazins "Uncut" rät Steve Berkowitz, Mastermind hinter der "Bootleg"-Serie: "Lass die Geschichte hinter Dir, mach Dir keine Gedanken über die alten Kritiken." Es gilt Dylans Schaffen von damals neu zu bewerten.

(APA/Red.)

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