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Parov Stelar: "Unsere Musik ist eskapistisch"

Parov Stelar
Parov Stelar(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Der Electro-Swing von Parov Stelar ist längst zur Weltmarke geworden. Die "Presse am Sonntag" sprach anlässlich des neuen Albums "The Art Of Sampling" mit Mastermind Marcus Füreder.

In der Welt der elektronischen Musik ist Parov Stelar der angesehenste österreichische Act seit Kruder/Dorfmeister. Hatten Sie einen Masterplan?

Als Künstler hat man keinen Masterplan, nur die Hoffnung, dass man am nächsten Tag ausschlafen kann.

Parov Stelar ernährt eine Menge Menschen. Spüren Sie eine gewisse Verantwortung?

Auf jeden Fall. Am Projekt Parov Stelar, das ich solo begonnen habe, hängt die Existenz von 15 Menschen. Mehr und mehr musste ich mich auch in betriebswirtschaftliche Materie einarbeiten. Das ist die Kehrseite des Erfolgs.

Leute im Umfeld der Piratenpartei postulierten, sie wollen für Musik nichts zahlen, weil die, die sie machen, dabei Spaß haben. Was sagen Sie so solchen Statements?

Das gehört zu den dümmsten Aussagen, die ich seit Langem gehört habe. Das vorausgesetzt, wäre jeder Mensch gestraft, dem seine Arbeit Spaß bereitet. Die Idee, dass man nur mehr Berufe ergreifen dürfte, die keine Freude bereiten, mutet ein bisserl krank an.

Hat das Internet mit seinen Möglichkeiten der Bereitstellung von Musik negative Auswirkungen auf die Verkaufszahlen von Parov Stelar gehabt?

Das ist schwer zu beurteilen. Wir könnten genauso darüber spekulieren, ob unser Bekanntheitsgrad ohne Internet ein genauso hohes Level erreicht hätte. Unterm Strich bin ich ein Befürworter des Netzes und seiner Möglichkeiten. Heute darf man nicht mehr nur in Verkaufszahlen denken. Es gibt sehr viel Umwegrentabilität.

Bedauern Sie, dass Ihre Formation in einer Zeit großgeworden ist, in der die Albumverkäufe deutlich geringer ausfallen als noch in den Neunzigerjahren?

Es geht heute nicht mehr nur um Albumverkaufszahlen. Es ist eine Mischung aus Livebusiness, Merchandising, digitalem und physischem Musikverkauf und eventuell auch Werbespots. Wenn das Produkt passt, habe ich keine Probleme damit, meine Musik dafür einzusetzen. Manche finden das uncool. Aber diese Leute frage ich, wie uncool wäre es denn, wenn wir nicht mehr von unserer Musik leben könnten?

Parov Stelar haben schon vor Jahren das Label Etage Noir etabliert. Trotzdem ist man jetzt eine Kooperation mit einem Major-Label eingegangen. Warum?

Was wir gemacht haben, ist schlicht eine Lizenzkooperation. Die Gründe sind ziemlich einfach. Für ein unabhängiges Label ist es mittlerweile sehr schwer geworden, einen Vertrieb für die physischen Produkte zu finden. Da tun wir uns jetzt leichter. Auch bei der Rechteklärung hilft es, mit einem Major-Label zusammenzuarbeiten. Auf unserem neuen Album gibt es Samples von so berühmten Vokalisten wie Marvin Gaye, Bryan Ferry und Lana Del Rey. Das sind für mich neue Herausforderungen, mit solchen Stimmen arbeiten zu können.

„Keep On Dancing“, das Stück, für das Parov Stelar Marvin Gayes Stimme in Dienst genommen haben, wird kontroversiell aufgenommen. Für manche ist es eine Art Vergewaltigung eines Toten ...

Marvin Gayes Stimme zählt zu den ausdrucksstärksten Werkzeugen der Soulmusik. Ich habe größten Respekt vor Gayes Lebensleistung und bin ein großer Fan des Motown-Labels. Ich wäre verrückt, wenn ich die Gelegenheit ausgelassen hätte, mit solch einer charismatischen Stimme zu arbeiten. Und wenn das polarisiert, ist es mir auch recht.

Das Album heißt „The Art Of Sampling“. Worin liegt die Kunst beim Sampling?

Ein Sampler gilt in unseren Kreisen längst als Musikinstrument, mit dessen Hilfe man völlig Neues kreiert. Man nimmt ja nicht ständig ganze Grooves oder Melodielinien. Es geht meist um winzige Entnahmen aus bestehenden Stücken, die man in neuen Kontext setzt. Es geht oft nur um einen speziellen Klang.

Parov Stelar arbeiten aber in der Regel mit uralten Swing-Samples. Warum kommt der alte Swing bei jungem Publikum so gut an?

Swing ist auf gewisse Weise mit elektronischer Musik verwandt. Er war eine Partymusik, ein Sound, der einen die Welt samt all ihren innewohnenden Problemen vergessen ließ. Die Swing-Kids waren die ersten Raver, sage ich gern. Bei beiden Genres, bei Swing und Techno, verbinden sich Widerstandsgeist und Lebenslust. In unserem Electro-Swing bauen wir kompromisslose Beats und exzentrische Melodien auf so ideale Art zusammen, dass man von einer Legierung sprechen könnte.

Ist Ihre Musik der Soundtrack zum Tanz auf dem Vulkan der viel beschworenen Krise?

Das mag sein. Existenzielle Unsicherheiten fördern wohl das Bedürfnis nach starken Reizen. Man will die Sorgen von morgen vergessen und schlicht im Hier und Jetzt abfeiern, komme, was wolle.

Parov Stelar haben soeben eine ausgedehnte Europa- und Asientour begonnen. In den USA waren Sie auch schon mehrmals. Unterscheidet sich Ihr Publikum von Kontinent zu Kontinent?

Es sind wenige Unterschiede zu bemerken. Die Leute flippen überall aus. Das ist das Schöne an Musik, dass sie eine Sprache ist, die jeder verstehen kann. Die Menschen genießen es, für ein paar Stunden mit anderen auf dem gleichen Groove zu sein. So gesehen ist unsere Musik eskapistisch. Daran finde ich nichts Schlechtes. Krisen meistert man am besten, wenn man positiv gestimmt ist.

Vor wie vielen Menschen treten Parov Stelar im Ausland auf?

Das ist natürlich höchst unterschiedlich. Wir lieben Clubacts, haben uns aber auch sehr gefreut, das HMV-Forum in London an zwei Abenden auszuverkaufen. Das waren immerhin 5000 Menschen. In Seoul hatten wir einmal 14.000 Besucher. Bei einem Festival in Paris waren gar 110.000 Musikfans. Das sind schon unvergessliche Momente.

In Österreich wird großer internationaler Erfolg oft zwiespältig aufgenommen. Sind Sie Gehässigkeiten ausgesetzt?

Mitunter. Aber das gehört dazu, wenn man einen öffentlichen Beruf ausübt. Wir ertragen das schon. Die Freude an unserer Musik wiegt das locker auf.

Was sehen Sie als Highlights Ihrer Karriere?

Die schon erwähnten Konzerte vor großen Mengen und dass wir heuer in drei Kategorien den österreichischen Musikpreis Amadeus verliehen bekamen. Anerkennung in der Heimat ist immer etwas ganz Besonderes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2013)

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