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Mit 19 Jahren im Land der Verheißung

British singer Jake Bugg performs at the the Brixton Academy in London
British singer Jake Bugg performs at the the Brixton Academy in London(c) REUTERS (DYLAN MARTINEZ)
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Jake Bugg entzückte im Gasometer Fans und Zweifler mit den Liedern seines neuen Albums „Shangri La“.

Als Jake Bugg die Bühne enterte, tönte aus dem Off ein alter Blues-Song aus dem Mississippi-Delta. Das war wohl kein Zufall. Im Gehen schon schrammelte er das kernige Riff von „There's A Beast And We All Feed It“. Dann erhob er die charakteristische Heliumstimme und stolperte traumwandlerisch durch die vielen Strophen dieser neuen Klage...

Jake Bugg, aufgewachsen in einem Sozialbau eines Problemviertels in Nottingham, singt vorzugsweise über Nöte, die er nun – quasi über Nacht wohlhabend geworden – nicht mehr erleiden wird. Auf seine unterprivilegierte Herkunft ist er, der auf der Bühne erstaunlich stoisch wirkt, trotzdem stolz. Er hat keine abgeschlossene Ausbildung, nicht einmal eine musikalische. Mit seiner Musik hat er einfach alles auf eine Karte gesetzt. Diese Fokussierung hat sich ausgezahlt. Bugg, immer noch erst 19 Jahre alt, hat sein Debütalbum auf Platz eins, den eben erschienenen Nachfolger „Shangri La“ immerhin auf Platz drei der britischen Charts wuchten können. In der Popgeschichte findet man wenige männliche Musiker, die in diesem Alter Ähnliches erreicht haben. Bob Dylan veröffentlichte sein erstes Album mit 20, Elvis Presley mit 21. Neil Young schrieb zwar an seinem 19.Geburtstag seinen berühmten Song „Sugar Mountain“, hatte aber erst mit 22 seinen ersten Hit mit Buffalo Springfield. Nur Paul Weller, wie Bugg aus der britischen Arbeiterklasse, hatte mit 19 schon zwei Alben veröffentlicht.

„Trouble Town“, „Messed Up Kids“

Im Gasometer lockte Bugg zunächst in die „Trouble Town“. Auch in „I've Seen It All“ deutete er an, dass er mehr schlechte Erfahrungen gesammelt hat, als es guttut. Viele seiner Lieder kokettieren mit einer Düsterheit à la Charles Dickens. Sogar Produzent Rick Rubin hat ihn auf „Shangri La“ aufgemuntert, weniger auf Sozialromantik zu machen, lieber mehr über Persönlicheres zu singen. Bugg hat es nur teilweise beherzigt. Mit seltsamer Lust reflektierte er etwa in „Slumville Sunrise“ die grauenhafte Situation, in einem winzigen Schlafzimmer im verregneten England darauf zu warten, dass das Leben beginnt. Ein anderer prägnanter Moment des Konzerts war „Messed Up Kids“. Da ging es zurück ins Elend der Straßenecken: „They sell their time, they sell their drugs, they sell their body.“ Buggs trockene Conclusio? „This place is just not for me.“

Auf dem Cover seines neuen Albums steht er mit abwesendem Blick im kalifornischen Abendlicht: Der Stoiker ist angekommen im Land der Verheißung. Wie viele andere erfolgreiche britische Acts ist er durch und durch von der Popmusik der USA inspiriert, transformiert alle Americana aber in etwas total Britisches. Seine Einflüsse reichen von Don McLean über Neil Young bis zu Bob Dylan. Und doch ist Buggs am Traditionalismus angelehnte Musik erstaunlich zeitgenössisch, frei vom schalen Gefühl des Retro.

Toll war seine furchtlose Interpretation von Neil Youngs „My My, Hey Hey“. „There's more to the picture than meets the eye“, hieß es da so schön. Die Sorgfalt, mit der Bugg diese Zeile sang, ließ schmunzeln. Sie mutete an wie eine Beschreibung von Buggs introvertierter Persönlichkeit. Großer Abend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2013)

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