Pop

Wilder Blues aus dem Libanon

The Wanton Bishops
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The Wanton Bishops spielen den Blues mit derselben Härte wie die Black Keys. Das Besondere daran? Sie stammen aus Beirut, einer Stadt fernab des Mississippi.

Vom Aussehen her würde man die beiden nicht unbedingt der arabischen Welt zuordnen: Nader Mansour trägt das Haupthaar wirr, versteckt nicht zu wenig Tätowierungen unter der schweren Lederjacke; sein Kollege Eddy Ghossein hat von den Haaren (akkurat frisiert) und der Kleiderordnung (hochgeschlossen) her unverkennbar Anleihen an den britischen Mods der Sechzigerjahre genommen. Gemeinsam nennen sich die beiden Gitarristen The Wanton Bishops und spielen wüsten, wuchtigen Bluesrock, fast ohne arabische Aromen, der an Genregrößen wie Motor Rebel Cycle Club und The Black Keys erinnert.

Waren das Vorbilder? „Wir lieben sie natürlich“, sagt Ghossein, „aber sie sind weniger Inspiration als Hilfe. Sie machten den Blues wieder hip und sexy. Unsere Inspiration ist aber der afroamerikanische Blues, speziell die Mischformen zwischen ländlichem und urbanem Blues. Etwa Robert Johnson.“

Die Wanton Bishops sind Teil der interessanten Underground-Szene von Beirut, die 1997 entstand, als sich die Soap Kills gründeten und gefährlich zischenden orientalischen Trip-Hop machten. Unter der Jugend des vom Bürgerkrieg (1975 bis 1990) devastierten Landes herrschte damals echte No-Future-Stimmung. Es sollte Jahre dauern, bis sich eine wirkliche Popszene formierte. „Heute haben wir etwa zehn exzellente Bands“, sagt Nader Mansour. „Mashrou'Leila waren nach den Soap Kills die nächsten: Sie mischen arabischen Folk mit Punkelementen und Breakbeats. Dann kamen wir mit unserem rüden Bluesrock-Konzept.“ Obwohl sich in Beirut einiges tut und es schon vereinzelt libanesische Labels gibt, mangelt es an Auftrittsmöglichkeiten und an Airplay. Im libanesischen Radio laufen fast ausschließlich süßliche Arab-Pop-Petitessen. „Für diesen Bubblegum-Pop gibt es ein System in der Region. Damit kann man halbwegs überleben“, sagt Ghossein. „Aber es gibt kein Radio, das unsere Musik spielt“, ergänzt Mansour.

„Wir singen nicht über Politik“

So mussten sich die Wanton Bishops international orientieren. In Schweden und Dänemark schlug ihre Musik schon ein. Nun stehen ein Auftritt in Indien und eine US-Tour an. Dass sie eben von Red Bull Publishing unter Vertrag genommen wurden, ist sicher auch hilfreich. „The shit is getting real“, sagen die beiden frohgemut. Es gibt ganz offensichtlich ein Bedürfnis nach martialischen Riffs, wie sie die Wanton Bishops auf ihrem Debütalbum „Sleep With The Lights On“ servieren, mitunter gewürzt mit psychedelischen Chören oder Anklängen an den Wüstenblues aus Mali und Gnawa-Sounds aus Marokko. Die meisten Songs kommen ohne Zierrat aus. „Wir wollen eine Art Minimalismus.“

Schon an Songtiteln wie „Bad Liver And A Broken Heart“ kann man ablesen, dass sie eher an Universellem interessiert sind als an konkreten Problemen ihrer Heimat. Oft geht's um Liebe, Intimität, Sex. Politisches oder Religionskritisches findet man in ihren Songs nicht. Eine Art innere Zensur? „Ich denke nicht. Wir wollen einfach nicht über Religion und Politik singen“, sagt Ghossein, dessen Familie der Bürgerkrieg übel mitgespielt hat. Gibt es einen gewissen Druck vonseiten der Religiösen? „Viele Leute im Libanon kümmert Religion gar nicht“, sagt Mansour, „die Theologie ist nie das Problem. Das sind vielmehr jene, die sich als religiöse Führer gebärden, aber nur an Macht interessiert sind.“ Das tägliche Leben sei in Beirut mittlerweile erträglich, besonders im Ausgehbezirk Gemmayzeh. „Wir Künstler leben in unserer Blase. Das wird akzeptiert.“ Sollte es doch nicht mit der Musik klappen, können die beiden auf etwas Solides zurückgreifen. „Im Notfall werden wir halt Banker“, lachen sie. Beide haben einen Uni-Abschluss in Wirtschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2013)

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