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Vom Mississippi an die Donau übersiedelt

Ernst Molden - der Blues von Wien
Ernst Molden - der Blues von WienORF
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Er kennt sich aus in Wien und Umgebung: Ernst Molden erweist sich auf seinem neuen Album „Ho Rugg“ wieder als Meister des Blues seiner Heimatstadt. Mit Willi Resetarits stellte er es im Stadtsaal vor.

Auf seine ganz eigene, versonnene Art macht Ernst Molden Ordnung in seiner Heimatstadt. Etwa, indem er „Urban Legends“ entschärft. Wie in „Rudschduam“, einem elegant pulsierenden Highlight des neuen Albums „Ho Rugg“. Darin geht es um die alte Legende vom herausstehenden Span im Toboggan, diesem kürzlich wieder in Betrieb genommenen Überbleibsel aus entschwundener, unschuldigerer Zeit. „Und der fohrt da durch die Hosn, und der fohrt da durch dei Lem“ sangen Molden und Willi Resetarits auf herzerwärmende Art unisono. Wie sich ihrer beider Stimmen umrankten, das hatte etwas erstaunlich Organisches. Resetarits' sehnsuchtsvolle Intonation, die das Linkische souverän zur Grazie überführt, und das Erbeben des rauchig-herben Organs von Molden, das mischt sich so gut wie Veltliner und Soda.

Gerne folgte das Publikum Molden in die Gegenwelt eines Undergroundbeisls. Das Malipop in der Ungargasse wurde als schützender Hort vor jeglicher Form von Weltuntergang vorgestellt. Bewehrt mit Fernet, Spezialtoast und einer Tschick der Marke Smart trotzt der Gast dort angeblich jeder Gefahr. Das flächendeckende Rauchverbot mag kommen, es wird scheitern: an den rauchgeschwängerten Szenarien des Ernst Molden. Er lobt ja den Akt der innigen Inhalation so konsequent, wie es einst die Indianer taten, die das Rauchrohr im fernen Amerika erfanden.

Waldviertel? Lieber Neusiedler See!

Von dorther kommt auch der Blues, den Molden ungekünstelt vom Mississippi an die Donau übersiedelt. „Ho Rugg“, der Titelsong, könnte mit seinen hell lodernden, von Hannes Wirth ersonnenen Gitarrenriffs locker auch von Tom Waits stammen. Im höllischen Szenario zwischen Fischamend und Bruck herrscht beste Laune: „Da Bostla bringd an Schbiridus, gee dringg man o an schlugg, ho rugg, ho rugg, mia san zwaa oede Rauchfaungdaum auf unsan ledsdn Flug.“

Was für ein schönes Bild! Erstaunlich, dass Molden so lange an der Hochsprache festgehalten hat und erst 2008 den Mut gefasst hat, ins Wiener Idiom zu wechseln. Die passionierte Art, mit der er die Wolke des Lamento, die so oft über der Stadt hängt, mit Dialekt-Metaphern bannt, ist schlicht Labsal. Selbst die untergründige Nervosität Wiens macht er zur seinen. So im postapokalyptischen Schlaflied „Kinda Ruggds Zaum“, wo er mit überlegener Geste Grantlern jeder Statur die Säure nimmt. „Du gibst“, rief Molden beim nächsten Liedbeginn Walther Soyka, dem Meister der Knöpferlharmonika, in Bauernschnapser-Manier zu: So innig sind diese Musikanten miteinander...

Seine Novitäten mischte Molden mit thematisch passenden alten Liedern wie „Stagl Ma D'Schui“ und „Hammerschmidtgassn“. Die Dramaturgie des Abends war bestrickend. Mal dominierte Anakreontik, dann Didaktik die lyrische Marschrichtung. Vom Waldviertel riet Molden im etwas unheimlichen „Drom En Noadn“ ab: „Für den Wiener ist des nix!“. Denn: „Do is entrisch und koed, do wean de Wappla ned oed.“ Lieber ist Molden Künder sanfter Lebensvergeudung, wie in „Liad Ibas Losziagn“, das von der schwer zu erwerbenden Kunst der Leichtigkeit in Langzeitbeziehungen erzählt. In „Da Neisiedla See“ lobte er die Kunst des luftraubenden Kusses. „I bigg da meine Lippn auf dein Mund und noch ochd bis zehn Minutn geds da wieda deitlich bessa – schbedasdns en aana Viadlschdund.“ Das sollte reproduzierbar sein – spätestens wenn die „Akaziebam wieder auschlagen und der Kuckuck ruft“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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