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Weltpop aus Österreich: „Wie Falco ein bisserl auf den Tisch hauen“

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Bilderbuch, Pop(c) Bilderbuch
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Bilderbuch lehrten mit ihrem neuen Sound das Publikum im Brut die Raserei. Mit Hits wie „Plansch“ und „Maschin“ sind die ehemaligen Klosterschüler die Band der Stunde.

Ein großer, meist durch Zufall ausgelöster Hipness-Schub ist in der heimischen Popmusik selten. Wer hätte einst gedacht, dass aus den einen recht hilflosen Hip-Hop praktizierenden Dr. Moreaus Creatures der global erfolgreiche Downbeat-Philosoph Peter Kruder hervorgehen würde? Wer hätte dem Drahdiwaberl-Bassisten Hansi Hölzl den Sprung an die Spitze der US-Charts vorausgesagt?

Ähnlich krass mutet die Verwandlung von Bilderbuch an, einer von Gymnasiasten der Stifte Kremsmünster und Schlierbach gegründeten Band. Letzten Herbst war es so weit. Mit der EP „Feinste Seide“ war ein großartiges Soundhybrid aus Elektronik und Punk geboren, und die Band stand am Scheideweg: entweder weiter auf kleiner Flamme im Haifischbecken des Indiepop köcheln oder den goscherten Popentwurf wagen. Das Quartett entschied sich für das Risiko. „Deutschsprachige Musik ist immer so kühl und überraschungsarm. Wir wollten souliger werden“, sagt der 24-jährige platinblonde Sänger Maurice Ernst. „Wie Falco wollten wir jetzt auch einmal ein bisserl auf den Tisch hauen.“

Der Hieb saß. Nicht zuletzt durch zwei smarte Videos von Antonin Pevny. „Plansch“ sammelte über 100.000, „Maschin“ sogar 274.000 Klicks. Die deutschen Festivalveranstalter haben großen Appetit auf Bilderbuch. Im Sommer sind sie auf zahllosen internationalen Festivals gebucht. Ihr mitreißender neuer Sound vereint den Spaß an der Elektronik mit Soul-Feeling und Punk-Attitüde. Und seit Falco hat niemand mehr mit solcher Leichtigkeit freche Parolen gespuckt. „Ich bin wieder da. An der Bar deiner Wahl. Ein Rebell, Rebell wie ein Hund – auf der Jagd“, japste Ernst hormongeladen bereits im Opener „Feinste Seide“. Die transparente Struktur des Songs wurde von wuchtig ins Keyboard gehackten Grooves und passioniertem Gitarrengeknatter effektvoll aufgebauscht.

„Wien, so kenn ich dich gar nicht!“

Die Fans im knallvollen Brut tobten von Anbeginn. „Wien, so kenn ich dich gar nicht!“, rief Ernst so begeistert wie kokett. Seine leicht hysterische Stimme erinnerte an den jungen David Byrne. Wie dieser flirtet er verwegen mit dem Desaster. „Unsere Jugend wird dahin sein wie der Rauch aus dem Schornstein“, hieß es in „Ein Boot für uns“. Befeuert von der Begeisterung des Publikums übte Ernst die totale Entrücktheit. Mit fliehendem Blick und viel Mut zum Falsett platzierte er seine griffigen Sprüche, zuweilen im verzerrten Autotune-Modus.

Diesen Effekt nützt er nicht aus Gründen der Begradigung schiefer Töne. Missgeschicke bringen schließlich Unschuld hervor, deshalb zelebriert er seine gesanglichen Schrägheiten mit breiter Brust. Sie machen den Soul aus. Etwa im schläfrigen R & B von „Moonboots“, in dem schon Lapidares zur Gefühlsaufwallung genügte. Dazu reichte Gitarrist Michael Krammer ein metallisch schmeckendes Zauberriff. Allein schon an der Zahl der Effektkasterln unter seinem Schnürstiefel war zu erkennen, dass in dieser Band Welteroberungsgeist herrscht. Die große Halluzination lobte sie im verrauschten „Calypso“, die Wut der Jugend im punkigen „Kopf ab!“ Highlights waren das vertrackte „Plansch“ und natürlich „Maschin“. Diesem Juwel von Song ist Erfolg auch außerhalb des deutschen Sprachraums zuzutrauen; mit ihm sind Bilderbuch auf Augenhöhe mit einem Pharrell Williams. Mal sehen, wie sich das noch entwickelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2014)

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