Pop

Casper: "Ich bin kein Revolutionsführer"

Casper
CasperFour Music
  • Drucken

Casper hat mit seinen Nummer-eins-Alben „XOXO“ und „Hinterland“ bewiesen, dass Rap und Intelligenz einander nicht ausschließen. Am 8.3. singt er im Wiener Gasometer, am 10.3. in Linz.

Das „Hamburger Abendblatt“ hat Sie als großen Gesangs- und Gefühlsdirigenten bezeichnet. Sind Sie das mittlerweile?

Casper: Das rührt wohl daher, dass ich den Ehrgeiz habe, so ein Konzert zum Erlebnis für beide Seiten zu machen. Ich möchte schon, dass die Leute ein wenig durchdrehen und sich kaputtspringen, aber die ruhigen Momente sind mir mittlerweile ebenso wichtig. Ich habe nicht so recht verstanden, ob die das nett oder böse gemeint haben.

Was reizt Sie am Spiel mit Kontrasten?

Nur so kann man das ganze Spektrum der Gefühle auslösen. Ich mag es, mit Lautem und Leisem zu spielen. Das kommt in der Klassik genauso vor wie im Black Metal und im Post-Rock. Trotzdem geht es in meiner Musik um Wahrhaftigkeit und nicht um Gefühlsmanipulation. Wenn mein Ding nicht authentisch wäre, hätte es auch nicht diese Breitenwirkung.

Sie treffen mit Ihren Texten offensichtlich einen Nerv. Nicht wenige Jugendliche haben sich schon Slogans von Ihnen tätowieren lassen. Beeindruckt Sie das?

Ganz kalt lässt mich das natürlich nicht. Den kleinen Casper-Kosmos, den ich da kreiert habe, den liebt man, oder man hasst ihn. Schlimm wäre es, würden die Menschen sagen, sie finden das ganz o.k., und wenn es läuft, dann stört es sie nicht. Meine Musik soll Gefühle auslösen, aber ich akzeptiere, wenn nicht jeder mit Pathos und Drama etwas anfangen kann.

Ist der Materialismus im Hip-Hop endlich in einer Sackgasse angelangt?

Ich denke schon. Es gibt in den USA Rapper, die sich dieses Themas mit großem Sarkasmus annehmen. Das merkt man oft beim ersten Hinschauen nicht, aber Rapper wie Lil B nützen die Klischees, um die ganze Chose lachhaft zu machen.

Welche Erfahrung steckt in der Zeile „Wir scheitern immer schöner, versagen mit Stil“?

„Wir scheitern immer schöner“ ist ein Zitat aus „Ich hab die Unschuld kotzen gesehen“ meines Lieblingsautors Dirk Bernemann. Da gibt es Teile meiner Generation, die haben gar nichts. Keinen Schulabschluss und keinen Job, stehen aber auf jeder Gästeliste, wo es etwas zu saufen gibt, tragen die schönsten Klamotten, sind von Mädels umgeben. Hier tarnt Hedonismus die totale Leere.

Materialisten und Hedonisten sind geprägt vom „Egaltum“, wie Sie das so schön formulieren. Was könnte diese Menschen dazu bringen, sich für gesellschaftliche Teilhabe zu interessieren?

Ich weiß es einfach wirklich nicht. Die denken einfach: Warum soll ich jetzt meinen Arsch hochbekommen, wenn ihn sonst keiner hochbringt? Als großen Revolutionsführer stelle ich mich aber nicht hin. Das „Egaltum“ konstatierte ich natürlich auch bei mir selbst.

Kann heutige Popmusik politisch wirksam werden?

Das glaube ich eher nicht. Es gibt heute zu wenig Empathie bei den Kids. Die Indie-Fraktion will am liebsten drei Tage lang Drogen nehmen, da ist kein Platz für eine Message. Und die Rap-Kids sind nicht aufnahmefähig.

Begonnen haben Sie als Emo-Rapper, mit Ihrem Album „Hinterland“ geht es Richtung Rock-Act. Wieso diese stilistische Volte?

Mich treibt die Neugier. Ich sehe mich nicht als Zulieferer für eine Fanbasis. Clever wäre es gewesen, so zu handeln wie andere Künstler auch, die, wenn sie ein gutes Album gemacht haben, keine Skrupel haben, es sechsmal zu wiederholen. Ich mag das Pferd nicht totreiten. Habe ich Erfolg, drücke ich auf null und mache etwas Neues.

Sie arbeiteten für „Hinterland“ mit dem deutschen Popkomponisten Konstantin Gropper sowie dem Produzenten Markus Ganter zusammen. Wieso?

Ich bin sehr großer Fan von Groppers Band Get Well Soon sowie von Ganters Arbeiten mit Sizarr und Dagobert. Wenn man mit diesen beiden Meistern arbeitet, dann weiß man nie, was am Ende herauskommt. Diese Ergebnisoffenheit ist spannend.

Sie arbeiten kaum mit Ironie. Warum?

In Deutschland findet man die Sachen meist erst cool, wenn sie eine ironische oder sarkastische Kante haben. Das halte ich für eine Schwäche. Man sollte endlich die Kraft entwickeln, Drama als Drama aufzufassen, und nicht versuchen, es durch Einziehen einer doppelten Ebene wieder abzuschwächen.

Im Song „Ascheregen“ gibt es diese Formulierung „Weg vom Immer-nur-Leben ohne Gefahren“. Sollten sich auch Nichtkünstler öfter aufs Spiel setzen?

Auf jeden Fall. Ich wuchs den ersten Teil meiner Kindheit in Bösingfeld auf, das liegt in der Mitte des Nichts. Mir war das schon als Kind zu klein. Dort wachsen Menschen mit Talent auf, die Sehnsucht nach etwas Größerem haben. Und doch verwirklichen sich nur wenige ihren Traum. Wunscherfüllung ist oft mit Angst besetzt. Wenigstens in dieser Hinsicht war ich furchtlos.

Zu welchem Preis?

Nun, ich habe sicher auch viele falsche Entscheidungen getroffen, aber ich bin weitergekommen. Ich bin nicht der Typ, der es sich im Konjunktiv gemütlich macht. Dazu bin ich zu rastlos. Es tun sich für mich immer neue Ziele auf.

Könnte ein Ziel darin liegen, es mit einem englischsprachigen Album zu probieren?

Das würde ich schon einmal mehr oder weniger ernst anstreben. Es ist natürlich der Traum vieler europäischer Künstler, einmal eine US-Tour zu machen. Es wäre auf jeden Fall ein Experiment. Eine kleine Casper-Fanbasis gibt es bereits in Amerika. Aber ich glaube, die besteht hauptsächlich aus Au-pair-Mädchen.

Was war Ihre größte Illusion zu Beginn Ihrer Karriere?

Das war wohl meine Vorstellung, wie es sich anfühlt, berühmt zu sein. Ich dachte, mein Leben würde sich mit dem Grad der Publizität ändern. Die gute Nachricht: Das tat es nicht. Ich habe immer noch keinen Führerschein.

Aber man verkehrt doch dann in anderen Sphären, trifft Popstars, die man verehrt. Ist das kein Privileg?

Ich weiß nicht. Ich hätte einmal die Gelegenheit gehabt, Liam Gallagher zu treffen, und dann wollte ich es doch nicht, weil ich Angst hatte, er könnte von dem Podest fallen, auf das ich ihn gehoben hatte. Wenn der schlecht drauf ist und mich das spüren lassen würde, könnte ich vielleicht nie mehr wieder einen Song von ihm hören. Das zahlt sich nicht aus.

Steckbrief

Casper
1982 als Benjamin Griffey in Bösingfeld (D) geboren.

1982–1992
Er wächst in Augusta (Georgia, USA) auf. Sein Vater nennt ihn Casper (wie das Filmgespenst), weil er nicht braun wird.

2003
Wieder in Deutschland ruiniert er sich die Stimme in Punk- und Hardcorebands. Seine heisere Intonation ist sein Markenzeichen.

Alben
2004 „Rap Art War“, 2006 Mixtape „Die Welt hört mich“. 2010 Wechsel zum Label Four Music. 2011 erstes Casper-Album „XOXO“, 2013 Album „Hinterland“.

Konzerte 2014
8.3., Wien; 10.3., Linz; 13. 6., Novarock
Four Music

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.