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Robbie Williams: Nur an Sinatra musste er scheitern

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Robbie Williams propagierte in der Wiener Stadthalle charmante Swing-Mimikry. Dabei störten weder Unebenheiten der Stimme noch Streicher aus der Konserve wirklich.

Seine eckigen Tanzbewegungen sahen so possierlich aus, dass der geneigte Hörer den Schlüssel an seinem Rücken suchte, aus blanker Neugier, was den molligen Briten da so in Schwung brachte. Nur an der Musik kann es wohl nicht gelegen sein. Die Streicherklänge quetschten sich aus den Tiefen der Keyboards empor, die Bläsersätze waren gestriegelt wie der Bart des jungen James Last ...

Das eigentlich Menschliche ging indes vom Gesang aus. Die Stimme brach zuweilen spektakulär weg. Was machte das schon? Robbie Williams ist Weltmeister im Andeuten. Perfektion ist für andere. Der 40-Jährige persifliert lieber, wandert wie ein gut gelaunter Tourist durch geschichtsträchtige Songs. Seit 2001, als sein Album „Swing When You're Winning" veröffentlicht worden ist, zieht er sich in unregelmäßigen Abständen das Swing-Repertoire an wie einen seiner Designerfracks. Es mag an manchen Stellen spannen, aber insgesamt ist es von recht fescher Anmutung. Aus diesem Grund hat er sich nach Jahren des Streits wieder mit seinem alten Hitlieferanten Guy Chambers zusammengetan, um gemeinsam Lieder in der alten Façon zu schreiben.

Robbie, der Wiener im Geiste

Mit so einem der vergangenen Glorie nachsinnenden Song begann die Show. „Another dawn, another day, another dollar to be made", hieß es recht pragmatisch in „Shine My Shoes". Da war auch ein Blick auf die waltende Psychologie zu erhaschen: „The way you don't love me, kind of makes you look ugly." Schon damit wies er sich als Wiener im Geiste aus: Schuld sind immer die anderen. Etwa auch beim zähen Erwerb von Bildung. Lustvoll erzählte Williams von seiner glorreichen Zeit als schlechter Schüler. „Am besten konnte ich konzentriert dreinschauen..."

Diese Art Schauspielkunst setzte er dann auch mit viel Verve an diesem Abend ein. Etwa beim herrlich rumpelnden „Minnie the Moocher", bei dem er einen eleganten Schwerenöter à la Cab Calloway gab. Mit elastischen Bewegungen übte er zudem den Gestus der Lässigkeit in „Ain't That a Kick in the Head", das Dean Martin 1960 zum Hit gemacht hatte. Nur an Sinatra musste er scheitern, weil dieser über keinerlei Selbstironie verfügte. Williams hingegen zelebrierte wie besessen das Vexierspiel zwischen selbstbewusster Männlichkeit und deren Karikatur. Wenn er von allerlei erotischen Verstrickungen fantasierte, dann waren das nach wie vor keine Visionen eines späten Fauns. Immer noch wirkt er wie ein Durchschnittsadoleszent, der vom Stachel des Fleisches stets aufs Neue überrascht wird. Und so trippelte er gefährlich über das Oval der Vorbühne und las die Begehren seiner weiblichen Fans laut von den ihm hingehaltenen Transparenten ab. Zuweilen bemängelte er die Grammatik, war aber sonst recht zufrieden mit dem erotischen Geständniszwang.

Schimpansenmaske und „Fatsuit"

In seiner nicht ganz so bekannten Funktion als Trosthändler fungierte Williams in leiseren Szenarien wie „If I Only Had a Brain" (aus „The Wizard of Oz") und „Mr. Bojangles", dieser einstigen Paradenummer von Sammy Davis Junior. Das eigene Geschick kommentiert er entschieden grimmiger. Seine Neigung zu dezenten Fettpölsterchen besang er in Freddy-Mercury-Fistelstimmenpathos in „No One Likes a Fat Popstar". Sehr reizvoll verlief die stimmliche Begegnung von Williams mit einem Wiener Kinderchor in „High Hopes". Kratziger Zynismus traf da auf glockenhelle Zukunftsgläubigkeit. Nicht einmal vor circensischem Übermut schreckte Williams in seiner Gier nach Applaus zurück. Im „Dschungelbuch"-Song „I Wanna Be Like You" trug er deshalb eine haarige Schimpansenmaske. Davor schwebte er schon im „Fatsuit" hoch über den Köpfen. Das bunte Bukett an widersprüchlichen Gefühlen, das er mit seinen penibel choreografierten Eskapaden auslöste, sorgte für jenen Jubel, der Medizin für alle narzisstisch Veranlagte ist. Für ihn ist es längst Routine, dass beinah jede seiner Lebensregungen markttauglich ist. Sein Vater, Pete Conway, mit dem er an diesem Abend tadellos das Duett „Do Nothing till You Hear from Me" vortrug, ist neu in der Abteilung sorgloser Schmetterlingsexistenz: „Swings Both Ways" interpretierte der 65-Jährige jedenfalls so, dass er im Vorjahr eine um 25 Jahre jüngere Dame ehelichte. Pikante Verhältnisse, die der in der Ehrenloge heftig mitswingende Operettenkönig Harald Serafin offenbar goutierte. Hauptsache fidel!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2014)

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