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Dorit Chrysler: Die bessere Nancy

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Dorit Chrysler im Gespräch über die Faszination des Theremins und ihre Begegnung mit Lee Hazelwood.

"Die spannenden Sachen kamen aus anderen Ländern, aus anderen Kulturen. Und ich dachte mir: Ich kann jetzt nicht in Österreich sitzen und englisch singen. Das ist irgendwie blöd." Dorit Chrysler, gebürtige Grazerin, tat 1989, wofür sich vor und nach ihr Legionen von hoffnungsfrohen jungen Menschen entschieden: Sie übersiedelte nach New York, um ihr Glück als Rockmusikerin zu suchen. Nicht wenige von ihnen wurden vom Big Apple desillusioniert ausgespuckt. Chrysler jedoch fasste Fuß und verwirklichte sich ihren Jugendtraum: "Mit amerikanischen Musikern zu spielen."

Es waren keine Unbekannten. Chrysler arbeitete mit Matt Johnson ("The The"), dem Avantgardisten Elliot Sharp oder der Industrial-Ikone Foetus. Am liebsten erinnert sie sich aber an eine Begegnung mit Lee Hazelwood, Altmeister des schattenseitigen Country. Bei einem ihm gewidmeten Tribute-Abend interpretierte sie seinen Song "Hey Cowboy", den einst Nancy Sinatra für ihn gesungen hatte. "Hazelwood saß im Publikum und wurde von seiner Frau mit Whiskey versorgt. Er kam dann betrunken angewankt und meinte: ,Du hast das Lied besser als Nancy gesungen. Die konnte überhaupt nicht singen.' Das war schön."

Nachdem ihre eigene Formation Halcion im Vorprogramm von Marilyn Manson spielte, war sie, wie Chrysler heute sagt, vom Mythos Rock'n'Roll "grundsätzlich geheilt": "Selbst als die noch vor wenigen Leuten spielten, haben sie ihre Mitarbeiter nicht gerade respektvoll behandelt." Vom Bandleben aufgerieben, entschloss sich Chrysler, solo weiterzumachen: Sie tauschte ihre Gitarre gegen einen Laptop und werkte fortan alleine in ihrer Wohnung im East Village. "Ich habe dazu viel Mut gebraucht", erzählt die charismatische Mittdreißigerin: "Wenn du in einer Band bist, dann hast du eine gewisse Sicherheit. Du teilst die Verantwortung mit anderen, du bist geschützter."

Im Theremin, jenem seltenen Instrument, das allein durch die Bewegung der Hände in einem elektromagnetischen Feld gespielt wird, fand Chrysler die ideale Ergänzung zur anfänglich misstrauisch beäugten Elektronik. "Mich fasziniert besonders, dass es über einen menschenähnlichen Klang verfügt. Wehmütig, böse, ganz sanft: Das Theremin hat ein riesiges Spektrum. Ich habe mich sofort verliebt."

Auf ihrem kokett "Best of Dorit Chrysler" betitelten Debütalbum lässt Chrysler es zu zart pochenden Beats und süßlichen Melodien jauchzen und wispern. Ihre Live-Performance verleiht den Songs zusätzliche Dramatik: Zu sehen, wie diese Frau ihre sinnliche Gesten in betörende Musik verwandelt, ist schlicht ergreifend.

"In New York hatte ich zunächst das große Bedürfnis, völlig in diese neue Welt und Kultur einzutauchen", schildert Chrysler: "Da wollte ich von Österreich gar nichts wissen." Erst seit gut zwei Jahren tritt sie wieder hier auf. Zu verdanken ist das guten Kontakten zur hiesigen Elektronik-Szene (Chrysler veröffentlicht beim Wiener Label "Plag dich nicht") und der politischen Wende in ihrer Wahlheimat: "Mit Beginn des dunklen politischen Mittelalters in den USA hat sich für mich einiges verändert", erzählt sie: "Bush hat mich wieder zum Europäer gemacht. Bis dahin war ich New Yorker."

Live: 28. 8., 18h: Gürtel Nightwalk, Hauptbücherei; 3. 9.: Dorit Chrysler meets Electric Indigo and Mia Zabelka, Funkhaus Wien; 4. 9.: Forum Stadtpark, Graz.

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