Pop

Macy Gray: Raue Braut

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Rau ist die Stimme, turbulent die Vergangenheit: Umso sanfter klingt Macy Gray, die Frau mit dem wirklich unverwechselbaren Organ, auf ihrem neuen Album. Naja, Meistens.

Auf gewisse Weise schwimmt sie gegen den Strom. Ganz allgemein nämlich hat die Zahl der Kollaborationen in R & B und Hiphop auf erschreckende Weise zugenommen. Manch ein Fan hat den Eindruck, dass überhaupt keine signifikanten Alben mehr zustande kommen, weil sich die fünfzehn das Genre dominierenden Künstler durch ein Übermaß an Zusammenarbeit gegenseitig lähmen.

Eine berechtigte Kritik, die allerdings für Macy Gray nicht gilt. Denn die 37-jährige Sängerin musste von ihren Produzenten will.I.am und Ron Fair (Christina Aguilera) erst langwierig dazu überredet werden. Dann jedoch wirkten die am neuen Album beteiligten Pop-Fabeltiere von Justin Timberlake über Fergie bis hin zu Natalie Cole wie Katalysatoren, die Gray aus Sackgassen der Manieriertheit herausholten. Auf diese Weise wurde das neue Album „BIG“ zur bislang besten Tracksammlung seit dem Debüt „On How Life Is“ von 1999.

Um dies zu realisieren, müssen Macy-Gray-Fans dem Album aber ein paar Hördurchgänge zugestehen. Klandes-tin gibt sich die musikalische Qualität, der Humor indes kann rascher bemerkt werden. Die grammybekränzte Diva hat ihren Sarkasmus endlich wiedergefunden. Etwa in „Strange Behaviour“, wo sie im Stil eines Hollywood-Film-Noir eine Paarbeziehung schildert, bei der die vermeintlich Liebenden auf den Tod ihres Partners und den Segen der dann einzulösenden Lebensversicherung hoffen. Oder im Song „Treat Me Like Your Money“, wo längst fällige Materialismuskritik humorvoll gelingt.

Unpolitisch können andere sein. Doch nicht allein bei den Songtexten blitzt soziales Engagement auf. Die als Natalie Hinds geborene Sängerin – selbst sieben Jahre lang klassische Klavierstudentin – hat in North Hollywood eine Musikschule für talentierte arme Kids gegründet. Auf der M. Gray Music Academy werden nun Ghettokinder gefördert. Und für die fast schon vergessenen Opfer der Flutkatastrophe in New Orleans engagiert sich die exaltierte Röhre nun auch, ein Teil der Einkünfte aus ihrer aktuellen Tour wird wohltätigen Organisationen gespendet. Es ist ganz so, als wollte Gray die Gospel-Soul-Legende Mavis Staples Lügen strafen, die beim Launch ihres neuen, sehr sozialkritischen Albums „We‘ll Never Turn Back“ darüber geklagt hatte, dass die neue R & B-Generation so apolitisch wäre.

Die viele Rechtschaffenheit jedenfalls kreiert Entspanntheit. In den meisten Passagen schnurrt die Gray überraschend sanft. Sie scheint sich mit den Turbulenzen ihres Lebens ein wenig versöhnt zu haben, auch wenn sie ihrem flüchtigen Ex-Gatten immer noch auf drei Liedern nachschimpft.

Himmelwärts mit Kind. Aber die Tatsache, nun alleinerziehende Mutter zu sein, dürfte beflügelnd sein. Der diesen Topos behandelnde Track „Okay“ bezirzt mit erstaunlich luftigem Groove, den Justin Timberlake als Drummer mitgestaltete. Auch „Ghetto Love“ lockt auf die Tanzfläche. Ausgestattet mit der Ekstase einer frischen Affäre fliegt sie mit dem aus James Browns „It‘s A Man‘s Man‘s Man‘s World“ gesampelten markanten Streicher/Bläser-Thema himmelwärts.

Sinnlichkeit auch in „Finally Made Me Happy“, dem R & B-lastigen Duett mit Natalie Cole, bei dem die Gray wohl ein wenig auf älteres Publikum schielt. Hier grollt die Verlassene ihrem Ex-Mann: „But in my
bedroom baby, moaning oooooooh baby, that‘s my new lover under my covers hollering, uh, uh, uh“.
Und dann sind da noch die Stücke, auf denen sich die raue Braut handzahm gibt. Etwa die Topf- und Deckel-Story von „One For Me“, wo die romantische Heldin der Zeilen ganz bieder auf ihren Mr. Right wartet oder „Slowly“, einem vertonten Stück Biedersinn, wo gemeinsames Altern idealisiert wird. „Would it be so bad if we just stopped for a while and enjoyed the thrills, we could all be still let the world just pass by“. Die Zügel schleifen zu lassen, ist derzeit noch Illusion. Im wirklichen Leben ackert Macy Gray exzessiv. Neben ihren sozialen Engagements und ihrer Musikkarriere, zieht sie die Fäden in der Natalie Hinds Collection, ihrer Modefirma, und spielt in Hollywood-Filmen an der Seite eines Denzel Washington („Training Day“). Und ist mal Zeit, dann grübelt sie über ihre markante rauchige Stimme – die mag sie nämlich erstaunlicherweise gar nicht so besonders gerne. Wir schon.

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