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Black Market: „Nur Leute über 40 kaufen Platten“

Die Presse (Köck)
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Das „Black Market“, Österreichs wichtigstes Unternehmen für elektronische Musik, ist pleite. Gründer Alexander Hirschenhauser über die Ursachen.

Das ist alles sehr, sehr traurig.“ Schlicht reagierte Fritz Plöckinger, seit vielen Jahren Mitarbeiter im legendären Wiener Plattengeschäft „Black Market“, als kurz vor Weihnachten die Nachricht publik wurde, dass das Unternehmen Insolvenz anmelden werde. Verstörung machte sich in der heimischen Szene breit: Ausgerechnet das Black Market, das sich so wohltuend vom allseits regierenden Provinzialismus der Branche abhob...

Firmengründer Alexander Hirschenhauser ist dieser Tage nicht nur seelisch beschwert. Nach so vielen Jahren des Kampfes kam auch so etwas wie Erleichterung auf. „Ohne jemandem etwas Schlechtes nachsagen zu wollen, aber ein kerngesundes Unternehmen in der Tonträgerbranche gibt es derzeit nicht“, erklärt er der „Presse“: „Dennoch kam unser Konkurs letztlich überraschend. Wir schnürten jedes Jahr neue Maßnahmenpakete, die wurden aber durch die permanente Schrumpfung des Marktes nie so wirksam wie intendiert. Bis zuletzt entwickelten wir fleißig Konzepte. Zuletzt fand sich aber keine Finanzierung mehr.“

Jeder DJ trank dort Kaffee

Begonnen hatte das „Black Market“ als Ableger des Clubs „Soul Seduction“ im Volksgarten, wo die Wiener Liebe zur Black Music allmontäglich gepflegt wurde. In der Gonzagagasse konnte man sich ab 1990 mit Soul, Rare Groove, Hiphop, Funk, Acid Jazz auf Vinyl und CD versorgen, unter den orangefarbenen Wänden stundenlang Platten hören und dazu Kaffee trinken. Dort trafen sich die DJs aller Dancefloor-Fraktionen friedlich, dort fanden sich selbstverständlich internationale Größen wie Gilles Peterson, die Stereo MC's und Frankie Knuckles ein.

Ab 1993 entwickelte sich im Schatten des Techno-Booms ein neues, elektronisch generiertes Genre, das die Amerikaner „Jazz No Jazz“ und die Engländer „Headz“ nannten. Irgendwann hieß die angenehm blubbernde Angelegenheit dann „Downbeat“, war für die einen Sound-Evangelium, für die anderen Klangtapete. Egal, es war der Sound zur Zeit, und auch Österreicher mischten an der Weltspitze mit. Im Sog des heimischen Kreativ-Schubs wurde das Black Market zum kraftvollen Vertrieb. Unter dem bewährten Signet „Soul Seduction“ wurde Heimisches von Kruder/Dorfmeister bis Pulsinger/Tunakan exportiert: Der entspannte „Sound of Vienna“ eroberte die Lounges global.

Es folgten Jahre der relativen Sorglosigkeit. Hirschenhauser hatte Exportschlager mit Kruder & Dorfmeister, Waldeck, Dzihan & Kamien und Parov Stelar, vertrieb wichtige internationale Labels von Compost bis Jupiter. Einen Riesenerfolg brachte das französische Elektronik-Tango-Trio „Gotan Project“: 30.000 Tonträger in Österreich! Parallel zum physischen Vertrieb entwickelte man einen preisgekrönten On-Line-Vertrieb, der als reiner Digital-Store auch weiter bestehen wird.

Die Gründe für die Pleite sind vielfältig: die schlechte, von den Elektromärkten zerstörte Struktur des Tonträgerhandels, die Unübersichtlichkeit durch zu große Vielzahl an Produkten, die Zersplitterung der Szenen, das nur begrenzt hilfreiche Radio,...

„Hemmungsloses Klonen“

Wie ein Schock wirkte der Einbruch chinesischer Verhältnisse, das Kopieren und illegale Downloaden, das Hirschenhauser selbst zu Hause erfahren musste: „Mein siebenjähriger Sohn tauscht schon fleißig Soundfiles übers Handy. Heute kann man physische Tonträger nur an Menschen über 40 verkaufen. Alle anderen sind für den Tonträgerkauf verloren. Ich glaube auch nicht, dass sie je zu einem ethisch korrekten Umgang mit dem Kulturgut Musik kommen werden. Aber eine Gesellschaft, die geistige Kreation nicht mehr wertschätzen kann, die alles hemmungslos klont, hat auf der zivilisatorischen Evolutionsachse einen Schritt zurückgemacht!“

Sagt man nicht, dass die Musiker in Zukunft eben mehr vom Live-Spielen leben werden? Das hält Hirschenhauser für ein „sehr problematisches Beschwichtigungsszenario.“ Und Mäzenatentum? „Auf heute übersetzt würde das bedeuten, dass Finanzierung nur über Markenartikelfirmen oder Werbeindustrie möglich wäre. Es ist eine grauenhafte Vorstellung, dass diese der Filter dafür sein könnten, welche kulturellen Kreationen das Licht der Welt erblicken! Man müsste für alles kreative Repertoire, das copyrightgeschützt ist, eine globale Kulturabgabe kreieren. Das wäre gerecht.“

Bis Ende Jänner ist Abverkauf im „Black Market“, Wien 1, Gonzagagasse 9.

ZUR PERSON

Alexander Hirschenhauser, 1962 geboren, wollte ursprünglich Förster werden. Nach einigen Jahren als DJ (z.B. im „Ring“) und Barman (z.B. in „Die Bar“) organisierte er ab August 1987 die Soul Seduction, einen Soul- und Rare-Groove-Club im Wiener Volksgarten. Bis Ende 1993. Demnächst wird er eine Sendung auf „Superfly FM“, dem neuen Wiener Stadtradio, gestalten.

1990 gründete er das Plattengeschäft „Black Market“, 1994 den Vertrieb „Soul Seduction“. 2007 Insolvenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2008)

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