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Nino aus Wien: „Die schwarze Luft macht mich lebendig“

Nino aus Wien
Nino aus Wien(C) Problembär Records
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Der Nino aus Wien lockt mit seinen neuen Alben „Bäume“ und „Träume“ in ein faszinierendes Labyrinth der Schrulligkeiten. Am 13. Mai stellt er sie im Wiener WUK vor.

In Erdberg stieg er in den Bus. In Prag und Dresden verließ er ihn kurz für Rauchpausen, der Nino aus Wien. Ziel war Berlin. Abgesandte der deutschen Presse erwarteten ihn, um über seinen neuesten Coup zu sprechen: Nach Bruce Springsteen, Tom Waits und Bright Eyes wagte es der exzentrische, aber auch scheue Wiener Songwriter, zwei Alben gleichzeitig auf den Markt zu bringen.

Auf „Bäume“ perfektioniert er seine bisherige Arbeitsweise: Auf sehr persönliche Gedankenskizzen platziert er sanft melancholische Melodien, die Meister wie Lukas Lauermann (Cello) und Walther Soyka (Akkordeon) behutsam einrahmen. Das eher anarchische Album „Träume“ zeigt Nino in experimenteller Stimmung: „Da hab ich statt in mich hinein überall anders hingeschaut, nur um dann draufzukommen, dass diese Lieder fast noch mehr über mich aussagen als die persönlich gemeinten Songs von ,Bäume‘“.

In „Fantasy Dreamz/Mexiko“ ließ er seinen inneren Rocker von der Leine. In „Tobacco Lied“ singt er Englisch; mit „Abtauen Girl“ (einem unveröffentlichten Lied der Münchner Band Weißes Pferd) hat er erstmals eine Coverversion auf ein Album gebracht. Seine dunkelschwarze Interpretation von Will Oldhams „I See a Darkness“ gab es ja nur im gleichnamigen Spielfilm zu hören. „Die schwarze Luft macht mich lebendig“, sagt er über seine nächtliche Schaffenskraft. Beinah magische Momente erlebt er, wenn sich die Schatten der Nacht bereits mit dem Licht des Tages mischen. Dann schaut er nach getaner Arbeit meist total erschöpft noch stundenlang den Wetterkanal im Fernsehen.
Doch die besten Ideen für seine abenteuerlichen Songszenarien kommen ihm im Gehen: In Nino sind die Talente des Poeten und des Spaziergängers untrennbar verschränkt. Immer noch ist das, was er der Realität für seine Kunst abtrotzt, von einer erfrischenden Verspieltheit, wie man sie einem Mann von 27 Jahren nicht mehr zutrauen würde.

Brillen für die Ohren!


In seinen Texten schafft er das Kunststück, Tristesse und Ereignislosigkeit zum Abenteuer umzudeuten. Oft ersinnt er Lieder über seine Freunde. Die Klara etwa, die man schon aus „Du Orsch“ kennt, die taucht jetzt in „Grant“ auf. Aus vielen lapidaren Informationen über seine Figuren entsteht eine Art Sittenbild einer leicht orientierungslosen Generation, die unter einem Zuviel an Reizen und Optionen leidet. „Gäbe es Brillen für die Ohren, ich trüge sie ständig, um zu filtern, was ich höre“, singt Nino mit perfekter Verzweiflung in der Stimme in „Wiener Melange“.

Ein exzellenter Ohrwurm glückte mit dem Song „Die Hütte vor dem Haus“, der ein wenig an den jungen Wolfgang Ambros erinnert. Den zählt Nino zu seinen Lieblingssängern. Neben Bob Dylan und Leonard Cohen. Wie sie schwimmt Nino am liebsten in einem Meer aus Mollakkorden. „Manche sagen, der Cohen macht depressive Musik“, sagt er nachdenklich, „aber mich beflügelt sie.“

Diesmal hat er sich allerdings auch an etwas Lustigem versucht. Im „Tobacco Lied“ mischt er Elemente von Shanty, Wienerlied und Schlager, um die eigene Sucht nach dem Rauch ein wenig zu desavouieren. Wer glaubt, dass „Oh, wie glücklich und wunderschön mein Leben ist“ ebenfalls autobiografisch wäre, der irrt. Ans Glück stellt Nino nur eine Minimalforderung: „Ich hab noch nie Medikamente gegen Depressionen nehmen müssen. Das soll so bleiben.“

Den Zauber seiner Kunst macht auch diese gewisse Gefährdetheit aus, die bei seinen Liveauftritten ins Auge sticht. Nino zählt zu den Künstlern, bei denen Niederlagen interessanter sind als die Erfolge der Kollegen. An seiner spinnerten Parallelwelt prallt der Zwang zur Logik genauso ab wie normierte Verhaltensweisen und jeder Erfolgshunger. „Das Wort Erfolg ist nicht in meinem Sprachgebrauch“, beteuert Nino und geht dennoch im Mai auf große Österreich- und Deutschlandtour. Aus den in seinen Songs behutsam aufgefädelten Sonderbarkeiten, vor allem von seiner Seinsgelassenheit kann jeder lernen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2014)

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