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Albert Hammond: "Ich hatte noch keine Midlife-Crisis"

(c) Dj Matth Fame Matthias Lindner
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Albert Hammond, 70, Hitspezialist der Sechziger- und Siebzigerjahre, ist wieder da. Mit der "Presse" sprach er über marokkanische Musik, Barbarei und seine ewige Jugend.

Ans Altern dachte Albert Hammond schon als junger Mann. Keinesfalls wolle er als bettlägriger Weiser enden, bat er die himmlischen Mächte als 29-Jähriger in „I don't wanna die in an air disaster“. Getragen von einer pfiffigen mediterranen Melodie ging er allerlei Varianten des Ablebens durch und bat um Verschonung. Das auf seinem Solodebütalbum (1973) erschienene Lied wäre wohl ein weiterer Hit für ihn geworden, wäre nicht Songwriter Jim Croce in der Woche von dessen Veröffentlichung bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Aus Pietät nahmen alle US-Radiostationen den Song aus den Airplay-Listen.

41 Jahre später zeigt Albert Hammond beim Interview in einem Wiener Hotel Verständnis für diese Maßnahme. Der Mann, der – sieht man einmal von Burt Bacharach und den Beatles ab – in den Sechziger- und Siebzigerjahren so viele Hits wie kein anderer komponiert hat, trägt mit fast 70 immer noch dunkle Locken, ist schlank, von jugendlicher Ausstrahlung. Die Gottesanrufung mit der Bitte „I wanna be desireable 'til my dying day“ scheint geholfen zu haben. „70 ist einfach nur eine neue Zahl“, sagt er: „Ich fühle mich noch sehr jung. Ich hatte nicht einmal so etwas wie eine Midlife-Crisis. Vielleicht liegt es daran, dass ich im Musikbusiness bin.“

Und das schon lange. Als Kirchensänger brillierte er bereits in seiner Kindheit in Gibraltar. Umgeben war er damals nicht nur vom Rock 'n' Roll eines Buddy Holly, sondern auch von spanischer und arabischer Kultur. Der Flamencogitarre spielende Friseur brachte ihm drei Akkorde bei, mit denen er nach eigenen Angaben bis heute auskommt. „Gerade weil ich Autodidakt bin, wird mir nie langweilig. Manchmal entdeckte ich etwas für mich Neues am Instrument, das für studierte Musiker etwas Stinknormales wäre, mir aber vorkommt, als wäre ich dem Geheimnis des Lebens auf der Spur. Da freue ich mich wie ein Kind.“ Seine ersten Tourneen als Halbwüchsiger mit den „Diamond Boys“ führten nach Casablanca, Algeciras, Madrid. Eifrig belauschte er dort die Kollegen, ließ sich die Texte übersetzen. „Die marokkanische Musik erzählt traurige Geschichten, die der amerikanischen Countrymusik nicht unähnlich sind. Immer stirbt da jemand, und sei es nur der Hund.“ Diese frühe Sozialisierung mit mediterranen Musizierweisen wirkte sich hörbar auf die Eindringlichkeit von Hammonds Melodien aus.

In den frühen Sechzigern ging Hammond zunächst nach London. Dort hauste er in der Nähe von Paddington in einem Wohnblock in dem es vor Kreativität nur so summte. Viele BBC-Produzenten wohnten dort, auch der Sänger Gerry Dorsey, der bald als Engelbert Humperdinck Weltkarriere machen sollte. Hammond erinnert sich: „Das waren alles Einzimmerwohnungen. Ich war so pleite, dass ich mit der Elektroherdplatte heizte. Tagsüber arbeitete ich als Kellner im Grosvenor House Hotel. In der Nacht sang ich im Ballroom. Dort traf ich auch Mike Hazlewood.“ Mit ihm gründete er die Band Family Dogg nach Vorbild der US-Formation The Fifth Dimension. Für ihre Debütplatte „A way of life“ heuerten sie 1969 damalige Mietmusiker wie Elton John und Jimmy Page an. Erste Hits stellten sich ein. Bald wurde Hammond das Terrain zu klein, und er entschloss sich, mit Hazlewood in die USA zu gehen.

Hits für Johnny Cash und die Hollies

Nach zweijähriger Durststrecke ging es dann mit der Weltkarriere unter eigenem Namen los. Mit eingängigen Liedern wie „It never rains in Southern California“, „The air that I breathe“ und „The Free Electric Band“ eroberte er die gerade entstehenden FM-Radiostationen. Plötzlich wollten alle ein Lied von Hammond im Repertoire haben: Johnny Cash, Leo Sayer, Tina Turner, die Hollies hatten Riesenhits mit seinen Songs. Und da war auch noch Julio Iglesias, der Hammonds altes Lied „To all the girls I loved before“ im Duett mit Willie Nelson zu einem Ohrwurm machte. Vor den beiden hatten es schon Tom Jones und Engelbert Humperdinck intoniert. Das musste Hammond dem spanischen Crooner verheimlichen. „Er hätte es sonst garantiert nicht aufgenommen.“

Zu Beginn der Achtzigerjahre zog sich Hammond schwerreich aus dem Musikgeschäft zurück, um sich um seine wachsende Familie zu kümmern. Sein Sohn Albert Jr., der bei der New Yorker Band The Strokes die Gitarre spielt, überredete ihn zum Comeback: 2005 zeigte er mit dem Album „Revolution Of The Heart“ erstmals wieder auf. „Diese Lieder waren Ausdruck meiner Ablehnung des Irak-Kriegs“ sagt der amerikanisch-britische Doppelstaatsbürger: „In mir glüht halt immer noch ein Funke des revolutionären Geistes der Sechzigerjahre, der sich gegen jede Art von Barbarei stellen muss.“

Hammonds Melodien stehen immer noch hoch im Kurs. Radiohead, die für ihren Hit „Creep“ erhebliche Teile von Hammonds „The air that I breathe“ geklaut haben, müssen im Nachhinein Tantiemen zahlen. Die britische Soulsängerin Duffy ließ sich 2010 von Hammond die Songs für ihr zweites Album „Endlessly“ schreiben. Ginge es nach Hammond, dann wäre Alex Turner von den Arctic Monkeys sein nächster musikalischer Partner. „Wir beide brächten zumindest einen wahnsinnig guten Song zusammen.“

Live in Wien: 9. Juni im Konzerthaus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2014)

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