Pop

Der kleine Mann mit der Stimme eines Engels

Der unvergleichliche, auch aus Lynch-Filmen bekannte Jazzsänger Jimmy Scott ist 88-jährig gestorben.

Seine zweite, viel größere Karriere verdankte der 1925 in Cleveland, Ohio geborene Jimmy Scott einem Begräbnis: Er sang 1991 am offenen Grab der R-&-B-Größe Doc Pomus. Weil er so klein war, sahen ihn viele Trauergäste nicht. Manchen schien, als sänge ein Engel. So auch Plattenlabelboss Seymore Stein, der er den damals vergessenen Sänger gleich unter Vertrag nahm.

Das Comebackalbum „All The Way“ (1992) ebnete Scott eine späte Weltkarriere, unterstützt von Langzeitverehrern wie Robert de Niro. David Lynch engagierte Scott für ein paar erinnerungswürdige Momente in seine Serie „Twin Peaks“; Lou Reed nahm ihn als Backgroundsänger mit in die Rockarenen. Das war neues Terrain für den unter der seltenen Erbkrankheit Kallmanns Syndrom leidenden Sänger, der nie in den Stimmbruch gekommen war. Seine erste Karriere hatte in der Bigband von Lionel Hampton begonnen. Mit „Everybody's Somebody's Fool“ hatte er 1949 einen Hit. Allein, sein Name wurde nirgends genannt. Scott trug es tapfer. Als es nicht mehr anders ging, weil sein Gesangsstil so außergewöhnlich war, nannte ihn Hampton doch, fügte dem Namen aber ein „Little“ hinzu. Als Little Jimmy Scott wurde er der Lieblingssänger von Billie Holiday, beeinflusste spätere Stars wie Nancy Wilson. Selbst geprägt von Opernsänger Paul Robeson, faszinierte er mit aufreizend langsamer Intonation. Das brachte Spannung in sein Repertoire aus tränentreibenden Balladen wie „Sometimes I Feel Like A Motherless Child“ und „Why Was I Born“. 1955 nahm er sein erstes Soloalbum „Very Truly Yours“ auf. Ray Charles war begeistert und nahm Scott für das orchestrierte Album „Falling In Love Is Wonderful“ unter seine Fittiche. Es folgte ein langer Rechtsstreit, der Scotts Karriere lähmte. Er resignierte, verdingte sich fortan als Altenpfleger und Liftboy.

Um so märchenhafter war sein spätes Comeback. Acht superbe Alben und mehrere Welttourneen waren ihm noch gegönnt. „The whole world is not bad“, sagte er gern. Jetzt starb er 88-jährig. Und lächelt, erstmals ohne dass ihn das Herz schmerzt, wie es im oft von ihm gesungenen Charlie-Chaplin-Song „Smile“ so schön heißt. (sam)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2014)

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