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"Netnakisum": Volksmusik, verkehrt herum

Foto: Julia Stix
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Sie sehen aus, als würde man Sepp Forchers "Klingendes Österreich" auf LSD schauen: Für das Streichquartett "Netnakisum" ist Volksmusik aber nur ein Bestandteil ihres Repertoires. Noch einer ist Humor.

Netnakisum - was ist das? Chinesisch? Nein, umgekehrt gelesen sind es einfach Musikanten. Zusammengekommen sind Marie-Theres Härtel, Johanna Kugler, Magdalena Zenz und Linde Gansch zünftig: bei einem Kurs zum Thema „Einstieg in die Volksmusik". Doch die macht nur einen kleinen Teil des Repertoires des Streichquartetts aus. Einordnen lassen sich die vier (eine Wienerin, drei Steirerinnen) nämlich nicht so einfach. Ohne Scheu lassen sie klassische Musik genauso wie Elemente aus der traditionellen Balkan-Musik oder lateinamerikanische Rhythmen in ihre Arrangements einfließen. Vom Erfolg sind die Dirndln, die allesamt noch unter 25 Jahre alt sind, freilich selbst überrascht. Wie man sich ein Konzert vorstellen kann? Bunt, humorvoll und ein bisschen verrückt.

Die bunten Dirndl-Outfits stechen ziemlich ins Auge - sind die selbstgenäht?

Marie-Theres Härtel: Die meisten Dirndln sind bayerische Dirndln oder vom Secondhand-Laden. Wir nähen sie nicht selber, wir stellen sie nur selbst zusammen. Es ist eigentlich keine große Überlegung dahinter, dass wir in „Tracht" spielen. Es ist entstanden, so wie vieles bei uns.

Sie mischen traditionelle Volksmusik, klassische Musik und Weltmusik - reicht eins nicht?

Härtel: Wir haben uns eigentlich für keine Musik entschieden. Wir sind einfach alle aufgewachsen mit traditioneller Volksmusik, ausgebildet in klassischer Musik und wir nehmen Dinge her, die uns inspirieren, und formen sie um. Wir spielen, was uns gefällt, was unsere Ohren erreicht. Ideen, Kompositionen, Neugehörtes, Melodien ... all das wird von uns selbst probiert, geprobt, arrangiert, bearbeitet.

Das Management machen Sie selbst - freiwillig?

Johanna Kugler: Derzeit machen wir das Management noch selber, hauptsächlich die Resi.

Härtel: Der Anfang war ziemlich schwer, weil dich niemand kennt, es will dich niemand. Man tut sich selbst immer schwerer, sich zu verkaufen vom Preis her, als jemand Außenstehender. Man verkauft sich oft für weniger, als man eigentlich wert ist.

Magdalena Zenz: Für Außenstehende ist es eben schwierig, das zu definieren, was wir machen, vor allem wenn man keine Popgruppe ist. Und auch dann können oft falsche Definitionen entstehen. Jetzt haben wir außerdem auch die Freiheit, was wir aufführen, was wir spielen. Meine Aufgabe, die internationalen Kontakte, sind nicht viel Arbeit. Die trauen sich nur nicht anrufen, weil sie wissen, wie berühmt wir schon sind. (lacht)

Sie studieren zum Teil noch am Konservatorium: Was sagen andere Studenten zu Ihrem Erfolg?

Kugler: Das wissen ganz wenige, vielleicht ein paar Bläser. Neid spürt man eigentlich nicht. Aber unser Quartett ist einfach super, und das hören wir von Mitstudenten und von Professoren.

Härtel: Wenn man studiert, ist das Gefährliche daran, dass man immer das macht, was einem gesagt wird. Und am Konservatorium ist es für mich echt schwer, mit Leuten zusammenzuspielen. Es ist nicht einfach, wenn man nie zusammenspielt und dann in drei Tagen perfekte Kammermusik machen soll. Da spaltet es sich einfach in mir drinnen.

Zenz: Ich habe schon auch gehört, dass manche sagen, wie können die nur mit dem bisschen Jodeln und Herumgefidel Erfolg haben. Wie bekommen die mit so etwas ein Publikum? Aber wir müssen nicht passen. Das ist nicht wie am Konservatorium oder auf der Uni, wo wir passend sein müssen.

Was funktioniert immer?

Zenz: Ein resches Polkerl. Das funktioniert immer!

Linde Gansch: Und mein Schmäh: Wenn ich nach der Pause auf die Bühne gehe und sage: „Danke, dass Sie so zahlreich geblieben sind". Der fährt ein, dieser Schmäh, wie eine Rakete, jedes Mal. Mir wird halt langsam fad dabei, ich werde mir jetzt etwas Neues einfallen
lassen.

Welches Publikum ist für das schwierigste?

Zenz: Am schwierigsten fände ich es, im Heimatort zu spielen. Ich habe es noch nicht ausprobiert, wenn du dann wirklich vor deiner Gemeinde spielst, wo du lange nicht mehr warst, wo dich aber alle kennen. Solche Dinge können genauso schwierig sein, wie in einem großen Rahmen wie dem Konzerthaus zu spielen, wo du Respekt hast, weil der Riccardo Muti oben gestanden ist oder wer auch immer.

Gansch: Ich finde es auch schwierig, vor wenig Leuten zu spielen.

Härtel: Am allerschwierigsten ist ein großer Saal mit einem kleinen Publikum. Aber das haben wir noch nicht gehabt! Verschreien sollten wir es nicht!

Genau, denn am Tag Ihres Konzerts spielt bei der EM Österreich gegen Kroatien ...

Kugler: Ja, mein Großvater macht sich Sorgen, dass das Stadion leer bleibt, weil wir spielen. Wir nehmen dem Fußball einfach die Leute weg.

Netnakisum

Porgy & Bess, 8.6., 20.30 Uhr

www.netnakisum.at

www.porgy.at

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