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Scooter: "Keine Veranlassung aufzuhören"

Scooter
Scooter(c) Pinie Wang
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Vor 21 Jahren gründete H.P. Baxxter die Formation Scooter. Ein Interview über Zukunftspläne, Stereotypen in Musikvideos und Thomas Bernhard.

1993 gründete Hans Peter Geerdes alias H.P. Baxxter mit seinem Cousin und Hendrik Stedler (Rick Jordan) die Formation Scooter. Mit der zweiten Single, der Rave-Hymne "Hyper Hyper" (1994), reüssierte die Band in den Charts und erreichte in Deutschland und Österreich Platz zwei. Baxxters Sprechgesang ist eine Konstante in der Musik von Scooter, die sich über die Jahre veränderte und populäre Strömungen wie Dubstep oder Electro-House integrierte. Mittlerweile wurden 30 Millionen Tonträger verkauft. Nach wie vor füllt die Hamburger Band die Hallen, vor allem in Mittel- und Osteuropa. Am Wochenende gastierte das Trio in der Wiener Marx-Halle. DiePresse.com traf H.P. Baxxter, Michael Simon (seit 2006 bei Scooter) und Phil Speiser, der erst vor wenigen Monaten zur Band stieß, zum Interview.

Wie würden Sie den Erfolg selbst erklären?

H.P. Baxxter: Ganz wichtig ist es, dass man hungrig und neugierig bleibt, am musikalischen Geschehen teilnimmt und sich nicht denkt: Ach, wir machen das so und das bleibt für immer so. Wir haben uns stets einem Wandel unterzogen. Trotz Gegenwind, der auch von manchen Fans kam, die sich auf eine Phase unseres Schaffens eingeschossen haben. Selbst auf die Gefahr hin, dass man mal musikalisch daneben liegt: Man braucht manchmal auch einen Umweg, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen.

Michael Simon: In dem man nicht versucht, das Ganze krampfhaft 20 Jahre am Leben zu erhalten.

Rick Jordan, mit dem Sie 1993 die Band gründeten, hat heuer Scooter verlassen. Dafür ist der gebürtige Österreicher Phil Speiser (24), der sich in jungen Jahren als Dirty Disco Youth einen Namen in der Electro-Szene machte, nun Teil der Formation ...

H.P. Baxxter: Rick wollte mehr Zeit haben für sein Privatleben und musikalisch was Neues ausprobieren. Zum Glück hat das mit Phil relativ schnell funktioniert. Mit ihm hat sich vom Sound einiges verändert, und er hat generell frischen Wind hinein gebracht.

Wie wurde man auf Phil Speiser aufmerksam?

H.P. Baxxter: Ich hatte einen Freund gefragt, ob er mir jemanden empfehlen könnte, der zu Scooter passt. Er hat Phil vorgeschlagen und das passte gleich.

Phil Speiser: Ich wusste anfangs nicht genau, was sie von mir wollen, als wir das erste Mal gemeinsam im Studio waren. Für mich war das Große, was in den Jahren zuvor mit Scooter passiert ist, sehr interessant. Man kann nicht wissen, ob es in der heutigen Zeit so ein Phänomen nochmal geben wird.

Wie war der Umstieg vom Underground-Bereich auf die große Bühne?

Phil Speiser: Die Musik, die ich damals produziert habe, also Electro bzw. Electro-House, wurde immer kommerzieller und größer. Es ist auch nicht so, dass ich direkt von einem Club zu Scooter gekommen bin. Und es war nie mein Anspruch, Underground zu machen. Es ging mir um die Musik, ob Underground oder Mainstream war mir egal.

Scooter
Scooter(c) Pinie Wang

Hat sich Scooter mit neuem Personal verändert?

Michael Simon: Phil ist halt jünger als Rick und auch bissiger. Er hatte auch gesagt, dass er nicht mehr gerne in Clubs geht. Und das musst du eben auch tun.

Vor zehn Jahren wurde Scooter mehrfach im Feuilleton erwähnt: H.P. Baxxter nahm im Rahmen der Reihe “Reading Stars” ein Hörbuch auf und las darin Erzählungen von Thomas Bernhard. Haben Sie sich Bernhard ausgewählt oder tat dies die Plattenfirma?

H.P. Baxxter: Das habe ich mir selbst ausgesucht. Der Vorschlag war “Clockwork Orange”, das Buch kannte ich auch. Aber ich wollte etwas lesen, dass mir selbst am Herzen liegt. Ich bin wirklich Thomas Bernhard-Fan. Somit war das naheliegend.

Was fasziniert Sie an Thomas Bernhard?

H.P. Baxxter: Thomas Bernhard ist für mich ein Sprachkünstler, den man in dieser Form nirgends findet. Diese Satzstrukturen und diese Wortgewalt. Dass einem manchmal beim Lesen das Lachen im Halse stecken bleibt oder dass vieles auf den ersten Blick schockiert, aber man doch lachen muss. Schon einzigartig. Ich war jüngst in Hamburg bei der szenischen Lesung von “Alte Meister”. Das war ein Vergnügen.

Auch der Einsatz von Texten in den Songs von Scooter ist auf gewisse Weise einzigartig. Etwa das Eddie Cantor-Zitat “It’s nice to be important, but it’s more important to be nice” (aus "Move Your Ass", 1995)?

H.P. Baxxter: Wir bekamen damals den Gegenwind zu spüren. Alle hackten in den ersten ein, zwei Jahren auf uns herum. Der Satz passte somit ganz gut.

Von wem bekamen sie "Gegenwind"?

H.P. Baxxter: Von allen. Medien, DJs, Musiker.

Michael Simon: Die DJ-Szene hatte sich verraten gefühlt und in Gefahr gesehen.

Dabei hatten Sie ja zuvor mit der Single “Hyper Hyper”, die den kommerziellen Erfolg ebnete, der Technoszene Respekt gezollt. Wie ist das Verhältnis heute zu Westbam, Marusha und Konsorten?

Michael Simon: Wenn man die Kollegen jetzt treffen würde, wäre der Umgang ganz easy. Damals war es auch nicht gar so schlimm. Bis auf Marc Spoon ist keiner ausfällig geworden.

H.P. Baxxter: Einige waren der Meinung, wir seien ein Retorten-Projekt eines findigen Managers. Die wussten nicht, dass wir vorher acht Jahre im Keller saßen und Musik machten.

Heuer wurde mit dem Electro-lastigen “The Fifth Chapter” das 17. Studioalbum, das erste mit Phil Speiser, veröffentlicht. Denkt man schon weiter, an ein neues Album?

Michael Simon: An neue Songs schon. Wobei ein ganzes Album durchzuplanen, das kann kaum ein Künstler.

Anders gefragt: Wie sieht die Zukunftsplanung aus? Werden Scooter auch in 20 Jahren noch auf der Bühne stehen?

H.P. Baxxter: Solange man noch motiviert ist und neue Ideen hat und die Fans einen auch hören wollen, sehe ich keine Veranlassung aufzuhören.

Sind die Scorpions, die im kommenden Jahr ihr 50-jähriges Bandjubiläum haben, da ein Vorbild?

H.P. Baxxter: Na gut, Rockbands gehen auf der Bühne auch mal entspannter an und spielen auch Balladen. Bei uns bedeutet ein Konzert 90 Minuten Vollgas. Ich habe schon Respekt vor den Scorpions. Die spielen nach wie vor Zwei-Stunden-Shows. Das finde ich schon bemerkenswert.

Apropos Alter: Sie sind heuer 50 geworden, wirken nach wie vor erstaunlich jugendlich. H.P. Baxxter, ein Dorian Gray der populären Elektronik-Branche?

H.P. Baxxter: Witzigerweise hat mir meine Englisch-Lehrerin damals in der Schule empfohlen, “Das Bildnis des Dorian Gray” zu lesen. Aber ja, da wird schon was dran sein. Ich bin auch der Meinung, dass mich die Musik auf Trab hält. Dieses ganze Tourleben.

Bei Scooter gibt es seit zwei Jahrzehnten drei Konstante: H.P. Baxxter und sein typischer Stil des Sprechgesangs sowie leicht bekleidete Frauen in Musikvideos. Werden Letztere bewusst kommerziell eingesetzt bzw. sind Normalität und “Notwendigkeit” im Mainstream oder verbirgt sich dahinter gar eine Ironie? Sind solche Überlegungen überhaupt Teil der bandinternen Reflexion?

H.P. Baxxter: Eine gute Frage. Das ist teilweise von den jeweiligen Videoregisseuren sogar gewünscht. Irgendwie hat sich das bei uns verselbstständigt. Man ist zum eigenen Klischee geworden.

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