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Who wants to live forever? - Rockbands offensichtlich schon

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Adam Lambert übernimmt 23 Jahre nach Freddie Mercurys Tod dessen Rolle. Glamour und Stimme dafür hat er.

Eine „Magical History Tour“ ist derzeit plakatiert – als „authentische Zeitreise“, noch dazu „mit zwei Personen live on stage, die die Roaring Sixties wirklich zusammen mit den Beatles erlebt haben“, nämlich Paul McCartneys Halbschwester und deren Mutter...

Man kann darüber lächeln oder seufzen: Während der Pop immer vergangenheitsseliger wird, floriert das Genre, das mit dem Berufsbild Elvis-Presley-Imitator begonnen hat. Eine Prophezeiung sei gewagt: In zehn Jahren werden bei jedem Rockfestival Revival-Bands auftreten, und das Publikum wird routinemäßig die lebenden Replikanten an den via Video vorgeführten Toten messen. Seltsame Zwischenformen ergeben sich, wenn von berühmten Bands just der Star/Sänger schon gestorben ist. So führte Doors-Organist Ray Manzarek bis zu seinem eigenen Tod unter Namen wie „Doors Of The 21st Century“ diverse Jim-Morrison-Imitatoren vor.

Auch Brian May und Roger Taylor hatten nach Freddie Mercurys Tod (1991) keine Lust, Queen ad acta zu legen: Sie schrieben ein Musical („We Will Rock You“), das derzeit wieder in Wien aufgeführt wird; und sie probierten es mit neuen Sängern. Zunächst mit dem völlig unglamourösen Bluesrocker Paul Rodgers, eine offensichtliche Fehlbesetzung: „Queen ohne Freddie Mercury, das ist – natürlich nur ästhetisch gesehen – wie die FPÖ ohne Jörg Haider“, schrieb „Die Presse“ 2005, „kein Champagner, nur Altbier“.

Das kann man von Adam Lambert, einem 33-jährigen Absolventen des amerikanischen „Starmania“-Pendants „American Idol“, nicht sagen: Ihm nimmt man ab, dass er, wie's in „Killer Queen“ heißt, in seinem „pretty cabinet“ Schaumwein der Marke Moët & Chandon vorrätig hat. Bei diesem wohl kunstvollsten Queen-Song räkelte er sich so kokett auf einem rot-goldenen Kanapee, dass man Brian May recht geben muss, der in einem Interview über Lambert gesagt hat: „Er ist auf ganz natürliche Art tuntig und extravagant in seinem Auftreten.“ Dass er's mitunter übertreibt – die mit Nieten übersäte Lederjacke z.B. tat schon in den Augen weh – gehört zum Rollenbild, das hat Freddie Mercury auch getan. Auch dieser kam ja gern zur Zugabe bescheiden mit Krone und Hermelinmantel.

Soliert muss werden!

Vom Stimmumfang jedenfalls ist Adam Lambert seinem Vorbild durchaus gewachsen, dass das Timbre nicht ganz stimmt und vor allem in den tieferen Lagen eher an Ian Gillan von Deep Purple erinnert, verziehen ihm sogar die strengsten Queen-Fans im Publikum, und wer wollte strenger sein als die? Instrumental allerdings störte schon einiges: „Another One Bites The Dust“ wurde mangels Groove der Basslinie zum Hardrock-Stampfer degradiert, und bei etlichen wendigeren Songs hatte man das Gefühl, dass Brian May lieber vorfreudig an sein nächstes Solo dachte, als auf das rhythmische Gefüge zu achten.

Denn soliert muss werden bei Queen, das ist klar. May führte stolz seine Effektgeräte vor und flocht, wie's fast schon zum Pflichtprogramm für Popmusiker auf Wien-Besuch gehört, das Motiv des Donauwalzers ein. Wie einst in den Siebzigerjahren setzte es sogar ein Basssolo (angenehm verhalten: Neil Fairclough), und Roger Taylor trug mit seinem Sohn Rufus eine „Drum Battle“ aus. Berührender war es, als der alte, graue, fast schon taube Schlagzeuger mit den blassbunt tätowierten Oberarmen bei „A Kind Of Magic“ die erste Stimme übernahm: Man freute sich mit ihm über alle getroffenen Töne, und das waren doch einige.

Video-Wiedergänger Freddie Mercury

„If you sing along, something magic will happen“, versprach May an anderer Stelle, vor dem vor Kitsch triefenden „Love Of My Life“. Klar, was da kommen musste und kam: Freddie Mercury im Video. Auch in der „Bohemien Rhapsody“ sang der Lebende abwechselnd mit dem Toten, passend zum Text: „Is this the real life? Is this just fantasy?“

Dieses Meisterwerk des Rock-Rokoko (also der Mittsiebziger) hat seinen silbrigen Glanz nicht verloren, im Gegensatz zu Songs wie „Who Wants To Live Forever“ oder „I Want It All“, die nicht nur manieriert, sondern auch mariniert (wenig Essig, viel Öl) klingen. Und was soll man zu „We Are The Champions“ sagen? Dass man eine Party besser verlässt, wenn jemand diese Hymne aller zweifelhaften Vereine auflegt? Es nützt nichts. In einer Zeit, in der alle über Dystopien reden, haben wir auch eine: Noch in 50 Jahren wird man diesen Song als Zugabe hören, dann halt von einer richtigen Revival-Band.

„We Will Rock You“ in der Wiener Stadthalle (HalleF): noch bis 21.Februar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2015)

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