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Balkan Fever Festival: Von hier an ostwärts

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Zum sechsten Mal findet ab kommendem Montag in Wien das Balkan Fever Festival statt. Zuständig für das Booking ist Georgi Dermendjiev.

Einen Monat brauchte er, um sein erstes Konzert zu organisieren. Einen Monat Anrufe, Verhandlungen, Überredungskunst. Dann hatte es Georgi – Joro – Dermendjiev (alias Ambrol Iglenikov) geschafft. Das Roma-Orchester „Karandila“ aus der bulgarischen Stadt Sliven, alte Bekannte des 35-Jährigen, legten mit einem Boot beim Flex am Donaukanal an, gingen musizierend von Deck und zogen, die Tuben und Trompeten stolz von sich gestreckt, in den Club ein.

Fünf Jahre ist das her. „Heute brauche ich ein paar Stunden, um ein Konzert zu organisieren“, sagt er. Heute lässt man Dermendjiev nicht mehr warten. Der gebürtige Sofioter ist für das Booking des Balkan Fever Festivals verantwortlich, das vom 30. März bis zum 9. Mai in Wien stattfindet, zum sechsten Mal. Dermendjiev ist der Mittler, der die Gruppen für das Festival, aber auch das restliche Jahr über nach Wien bringt. Ein Büro braucht er dafür nicht. Computer und Handy genügen. Die mobilen Netze verbinden ihn mit Ni? in Serbien, Bitola in Mazedonien, dem albanischen Tirana. Am anderen Ende der Leitung: die Musiker. Man redet über Songs, Auftritte, Konditionen, Schlafplätze. Wird man sich einig, kommt die Band nach Wien.

Unbekannt, aber exotisch. Dieses Jahr etwa die mazedonische Gypsy-Queen Esma Red?epova, die im Theater Akzent auftreten wird. Oder Oana Catalina Chi?u, die die Sargfabrik (neben Ost Klub und Porgy & Bess ein Veranstaltungsort, an dem regelmäßig der Balkan im Programm läuft) mit rumänischem Tango bespielen wird. Auch dabei die Weltpremiere von „Karandila junior“, dem Jugendorchester seiner Slivener Freunde, damals vorm Flex, mit Nachwuchsmusikern zwischen sieben und 17 Jahren.

Zehn Jahre dauert inzwischen der Miniboom des Balkan-Sound. Begonnen hat er zu einer Zeit, als Südosteuropa noch weit weg war. Mazedonien, Bulgarien, Montenegro, Bosnien. Länder, krisengeschüttelt, grau und vergilbt-orange in der Erinnerung, gefühlsmäßig weit weg von den Mitteleuropäern. Die Musik war unbekannt, als exotisch und daher interessant ging sie aber durch. Vielleicht wegen des Eisernen Vorhangs? „Es gab wenig Wissen“, sagt Dermendjiev. „Ihr habt gedacht, dort ist die Hölle. Und wir dachten, hier ist das Paradies.“

Auch seine eigene Wiener Geschichte begann zu dieser Zeit. Vor zwölf Jahren kam er aus Sofia zum Studium der molekularen Genetik. Warum ein Studium im Ausland? „Ich wollte weg aus Bulgarien“, sagt er. Wegen der Mafia, wegen der Drogen, die das Leben von Freunden zugrunde richteten. Er bewarb sich an der Leipziger und an der Wiener Universität. Von Wien erhielt er früher Antwort. Ganz einfach. Langweilig geworden ist ihm der Balkan-Sound nie. Die Szene sei vielfältig, sagt er, auch wenn im Balkan-Mainstream derzeit die Gypsy-Club-Musik und Hochzeitskapellen den Ton angeben. Schräge Nebenlinien des Balkan-Booms gebe es genügend, wie die Ethno-Jazz-Experimente des Saxofonisten Vladimir Karparov, dessen Quartett im Rahmen des Festivals im Porgy & Bess auftreten wird. Auch wenn die Balkan-Musikszene insgesamt bekannter und kommerzieller geworden ist. Die Folge: Sie wird oft mit Musik verwechselt, die mit dem Balkan wenig zu tun hat; mit Massenerfolgen wie „Russendisko“, den Berliner DJ-Abenden eines Vladimir Kaminers oder „Russkaja“, den Turborussen aus dem ORF-Donnerstagabend.

Richtiger Musikantenstadl. Verändert der Trend eigentlich die Szene? Ein wenig. „Ein paar werden richtig reich“, meint Dermendjiev. Und zwar jene, „die mit östlicher Musik Samples machen, die Musik den Hörgewohnheiten des westlichen Publikums anpassen und dann als Balkan verkaufen. Das wird dann ein richtiger Musikantenstadl. Und hat mit Balkan so viel zu tun wie der Schlager ,Zwei kleine Italiener‘ mit italienischer Musik.“

Einen besonderen positiven Effekt des Erfolgs gibt es aber auch: Abseits des Partysounds würden viele Intellektuelle vom Balkan ihre Tradition inzwischen als Jazz und gute Weltmusik auf einem neuen Niveau entdecken, so der Booker: „Vorher hatten viele ein eher negatives Verhältnis dazu, wegen des Nationalismus und des billigen Folkpops.“ Auch in den Balkanländern selbst tut sich etwas, nimmt doch das junge Publikum die internationalen Erfolge der Gruppen vermehrt wahr. Aber: Es fehlt an Veranstaltungsorten und Netzwerken. Während Karandila im Westen in Hallen spielen, kann man sie in ihrer Heimatstadt zufällig erleben: als typische Roma-Hochzeitsband, die für Bekannte in ihrem armseligen Viertel aufspielt. Eine Brass-Band ist dort so alltäglich, dass sie kaum Musikliebhaber lockt. „Die Leute“, sagt Dermendjiev, „schauen nach Westen, das Unbekannte ist für sie interessant.“ Noch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2009)

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