Rebecca Ferguson: „Nicht zu traurig“

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„Lady Sings the Blues“: Rebecca Ferguson überrascht bei ihrem dritten Album mit einer beseelten Hommage an Billie Holiday.

Wenn ich sie zu kopieren versucht hätte, wäre das eine Sünde gewesen. Mir ging es darum, mir diese alten Lieder so anzueignen, dass ich sie ganz aus eigenem Herzen singen kann,“ sagt Rebecca Ferguson, die beste
Sängerin, die jemals aus einer britischen Castingshow hervorgegangen ist, im Interview. Die 1986 in Liverpool geborene Künstlerin hatte es in ihrem Leben nicht leicht, aber mit „Lady Day“, wie Billie Holiday einst von ihrem Saxofonisten Lester Young genannt wurde, will sie sich nicht vergleichen.

Als Kind bitterarmer Einwanderer aus Jamaika träumte Ferguson schon früh davon, dereinst als Sängerin erfolgreich zu sein. Allein, die sozialen Umstände sprachen stark dagegen. Als zweifache Mutter, die schon mit 16 Jahren ihr erstes Baby bekam, beschritt sie zunächst den Pfad der Vernunft und arbeitete als Sekretärin in der Justiz. Als die ersten Fernsehtalentehows aufkamen, nahm sie daran teil. Erfolglos. Ferguson ließ sich nicht entmutigen und bewarb sich noch einmal in der siebten Staffel von „X Factor“. Diesmal stieß sie ins Finale vor. Gewonnen hat zwar dann ein gewisser Matt Cardie, aber Ferguson hat, ebenso wie die Drittplatzierten One Direction, einen Plattenvertrag mit einem Majorlabel bekommen. Mit ihrem erstaunlich beseelten Debütalbum „Heaven“ erreichte sie 2011 Platz drei der britischen Charts. Solch eine Intensität hätte man einer Sängerin, die ihre späte Karriere via Reality-TV startete, nicht zugetraut. Mit ihrer dritten Liedersammlung „Lady Sings The Blues“ ging diese immer noch erstaunlich unschuldige Sängerin ein beträchtliches Risiko ein. Holiday, die am 7. April hundert Jahre alt geworden wäre, gilt als Ikone des Schmerzes, als beste Jazzsängerin aller Zeiten. „Ihr Gesang war total individuell. Niemand hat jemals
so intensiv gesungen. In ihren Liedern reflektierte sie ihr schwieriges Leben. Da gibt es nichts, was nicht von Bedeutung ist“, sagt Ferguson, die es in ihrer Vorbereitung auf die Aufnahmen vermieden hat, Holidays Lieder zu oft zu hören. „Ich habe mir die Originale ein-, zweimal vorgespielt, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Aber dann begann ich mir meine ganz eigene Lesart herauszuarbeiten. Ich wollte, dass es für die Hörer spürbar wird, dass mein Gesang aus dem eigenen Herzen kommt.“

„Summertime“. In siebzehn Liedern, darunter so bekannten wie „Don‘t Explain“ und „God Bless the Child“, seziert Ferguson dramatische Gefühlslagen und vermeidet es zu outrieren. Klugerweise hat sie darauf
verzichtet, Holidays politisch explizitestes Lied „Strange Fruit“ neu zu deuten. Ein überraschendes Statement setzte sie mit dem Opener „Get Happy“. Das Lied stammt nicht aus dem Repertoire von Holiday. „Aber aus der gleichen Ära. Mir ging es aber auch darum, dass das Album nicht zu traurig wird.“ Aufgenommen hat sie in den legendären Capitol Studios in Los Angeles, wo einst sämtliche Granden von Frank Sinatra bis Nat King Cole, von Doris Day bis Sarah Vaughan aufgenommen haben. War das nicht einschüchternd? „Wenn man so durch die Korridore schlurft, hält man schon den Atem an. Aber die Musiker machten es mir leicht. Auch mein Produzent, Troy
Miller.“ Rebecca Ferguson schaffte es sogar, einem ganz und gar abgehört geglaubten Hadern wie „Summertime“ neue Nuancen abzugewinnen. „Das war leicht. Ich stellte mir vor, wie es eine Mutter ihrem Baby vorsingt.“ War Billie Holiday eine tragische Figur, ein Opfer? „Nein, keinesfalls. Sie war definitiv eine Kämpferin.“

Tipp

Rebecca Ferguson: „Lady Sings the Blues“, das
Album der 29-jährigen Britin ist bei Sony Music
erschienen.

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