Pop

Robbie Williams: Er umarmte, beichtete und sang

Robbie Williams
Robbie Williams(c) APA/EPA/HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)
  • Drucken

Wer will heute noch Rock'n'Roll-Einzelkämpfer? Robbie Williams ist keiner: Er liebt alle und will von allen geliebt werden. Besonders an zwei Abenden in der Linzer Tips-Halle.

Linz – am I still your son?“, ließ Robbie Williams, noch bevor er leibhaftig da war, mit Hörnern und allem, via Videowall fragen. Ja klar, riefen viele voreilig, doch zwei Stunden später stand fest: Die Stadt Linz hat einen neuen Ehrensohn, einen aus Stoke-on-Trent, Staffordshire, zugereisten. Den sie sich freilich mit der gesamten Republik teilen muss, denn Williams lobte auch diese mit bewegten Worten: „Austria is a very special place for me!“, rief er.

Das Spezielle an Robbie Williams ist: Auch wenn er das überall auf der Welt sagen sollte – und er schwor, dass er das nicht tue –, man glaubt es ihm. Der ist so. Der zahlt jede Lokalrunde, der küsst jede und jeden, noch bevor die Sperrstunde anbricht. Dass das in größeren Hallen doch seine Kräfte überschreiten würde, tut ihm selbst am meisten weh. Robbie Williams ist, was Bono von U2 zu sein vorgibt: ein Menschenfreund, ein Weltumarmer. Einer, der alle liebt und von allen geliebt werden will. Damit der Gegenentwurf zum Typus des einzelkämpferischen Rock'n'Roll-Rebellen, der heute ohnehin eher in Vorstandsetagen waltet.

Sehr sympathisch also. Und dabei nicht blöd. So hymnisch, eingängig und mitsingbar seine Hits sind, sie sind auch doppelbödig, reflektiert. Nicht frei von Zweifeln. „If Jesus really died for me“, singt er in „Bodies“, „then Jesus really tried for me.“ Er liebt diese Rolle des unverbesserlichen, aber reuigen Sünders: „I got too much life running through my veins“, erklärt er in „Feel“, und hat Tränen in den Augen, als alle mitsingen. „I've got too many regrets“, beichtet er in „Monsoon“, „I've smoked too many cigarettes, I've had more blondes than brunettes“, und auch die Nichtraucher und Braunhaarigen im Publikum lieben ihn dafür, für seinen „Catholic shame“, wie er's im selben Song ausdrückt.

„Whole Lotta Love“ ohne Text

Darin sagt er auch: „I've sung some songs that are lame.“ Ja, das stimmt, aber an diesem Abend war kaum Lahmes im Programm. Vom rollenden Klavier-Groove in „Let Me Entertain You“ bis zum gerade in seiner Schlichtheit unmittelbar berührenden „Angels“, alles Mainstream, aber okay. Wobei Robbie Williams nicht nur alle Menschen, sondern auch alle möglichen Stilrichtungen umarmt, vom Swing-Gassenhauer „Minnie The Moucher“ (1929) bis zum ähnlich scherzhaften „Ignition“ seines Zeitgenossen R. Kelly, das sind fast 90 Jahre U-Musik-Geschichte. Darunter etwa „We Will Rock You“, das unter seinem freundlichen Zugriff das unangenehm Martialische verlor, direkt (unter Auslassung des grässlichen Gitarrenparts) in „I Love Rock'n'Roll“ mündend. „Still Haven't Found What I'm Looking For“ von U2 als Ergänzung zu seinem eigenen „Come Undone“. Es gab sogar einen Ausschnitt aus „Whole Lotta Love“, ohne den Originaltext natürlich, Sexualprotzerei ist nicht Robbies Fach; selbst wenn er dem Publikum mitteilt, dass ihm just die Hose gerissen sei, ist das eine jugendfreie Ansage. Weibliche Fans bieten diesem alten Buben per Transparent Schokolade an, nicht Sex. Und er würde nie daran denken, einer auf die Bühne geholten Linzerin anders als virtuell zu nahe zu kommen...

Schließlich als Zugabe die „Bohemian Rhapsody“ von Queen, erschienen 1975, als er gerade ein Jahr alt war: vokal natürlich – auch vom mit einem recht flexiblen Organ gesegneten Williams – unbewältigbar, aber eine spannende Wahl. „I'm just a poor boy from a poor family“, ist eine zentrale Zeile dieses manieristischen Meisterwerks, in dem dann auch der seltsame Satz vorkommt: „Beelzebub has a devil put aside for me.“ Ein Hinweis darauf, wieso der katholische Robbie Williams im ersten Teil der Show just mit Teufelshörnern adjustiert ist?

Egal. Seine Familie war jedenfalls präsent: sein kürzlich geborener Sohn durch einen ihm gewidmeten, liebevoll (und gewiss nicht ödipal) „Motherfucker“ betitelten Song; seine Tochter durch einen kleinen Exkurs, in dem er, ganz strenger Papa, erklärte, was er dereinst etwaigen Verehrern auszurichten gedenke. Sein Vater sogar persönlich, der ehemalige Varietékünstler Peter Williams, der die Familie verlassen hatte, als Robbie drei war. Er sang mit ihm „Better Man“, Vater und Sohn fanden sich in Zeilen wie „As my soul heals the shame, I will grow through this pain, Lord I'm doin' all I can, to be a better man.“ Gut, schön und rührend. Glücklich die Stadt, die einen solchen Ehrensohn hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.