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The Weeknd: Dieser Mann will Popkönig sein

The Weeknd
The Weeknd(C) Reuters
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Der Kanadier Abel Tesfaye vulgo The Weeknd hat einen großen Plan: Er will in die Spuren von Prince und/oder Michael Jackson steigen. Stimmlich könnte das gut gehen.

Sein Sündenfall war „Fifty Shades Of Grey“. Da zündete der 25-jährige Kanadier Abel Tesfaye alias The Weeknd die Rakete Richtung Mainstream. Sein schwelgerisches, sanft groovendes „Earned It“ wurde wesentlicher Bestandteil des Soundtracks des Sadomaso-Kitschepos. „On that lonely night we said that it wouldn't be love“, sang er mit eindringlicher R&B-Stimme, „but we felt the rush.“ Im Szenario dieses Songs finden die Protagonisten zueinander, weil sie ähnliche Brüche in der Persönlichkeit haben. Sozusagen Komplementärneurosen. Sie erzeugen Magnetismus und das Gefühl von Komplizenschaft: „It made us believe it was only us. Convinced we were broken inside.“ Und ab geht's in den schicksalshaften One-Night-Stand mit dem Aschenputtel. Danach gibt sich der Verführer höflich: „Girl, you're perfect, you're always worth it, and you deserve it, the way you worked, girl you earned it.“

Erotische Ambivalenzen prägten schon das Frühwerk von The Weeknd. 2010 war er mit seiner wunderherrlichen Mischung aus Rage und Resignation aber noch exklusives Liebkind des Dance Underground. Zwei Jahre später verschenkte er seine sublimen Kompositionen, um zu mehr Aufmerksamkeit zu kommen, stellte seine hintergründigen, auf elastischen Beats servierten Aphorismen aus dem Nachtleben ins Internet. Dort konnten dann alle Giergeier, die nicht und nicht einsehen wollen, dass für Musik bezahlt werden sollte, die nobel schimmernden Klangflächen mit dem kunstvoll zitternden Gesang gratis absaugen. Wider Erwarten kam die 2012 nachgeschobene Mixtape-Trilogie in den USA und in Kanada in die Top Five. So wurde die Industrie auf ihn aufmerksam. The Weeknd – ohne e, weil es schon eine Band namens The Weekend gab – nennt der Sohn von Exil-Äthiopiern sich, weil er mit 17 eines Wochenendes beschloss, nicht mehr nach Hause und schon gar nicht mehr an die Schule zurückzukehren. Sein Ziel war simpel, aber anspruchsvoll: Popstar zu werden. Auf seinem nun erschienenen zweiten Album „Beauty Behind The Madness“ erinnert er sich im Song „Losers“ mit kraftvollem, ja triumphierendem Gesangsduktus an diesen Wendepunkt: „Only losers go to school. I taught myself how to move.“ Es folgen böse Beats, Spielkonsolengeräusche, euphorisches Chorgeheul. Ein Lied, das auch die unterkühltesten Zeitgenossen mitreißt.

„Wer sonst kann es tun?“

Mit seinem Flatterfalsett erinnert The Weeknd an Michael Jackson und Prince, und das passt ihm ins Konzept. Der junge Mann hat einen Plan. Und zwar einen größenwahnsinnigen. „These kids, you know, they don't have a Michael Jackson. They don't have a Prince. They don't have Whitney“, erklärte er der „New York Times“: „Who else is there? Who can really do it at this point?“

Neuerdings geschmückt mit einer ikonischen Dreadlock-Frisur, will er also selbst in die Bresche springen. Das missglückte noch mit seinem superben Debütalbum „Kiss Land“ (2013). Beim neuen Opus wollte er nichts mehr falsch machen. Er engagierte prominente Sängerkollegen wie Ed Sheeran, Labrinth und Lana Del Rey, vor allem aber den schwedischen Produzenten Max Martin, der für die Erfolge von Britney Spears und den Backstreet Boys verantwortlich ist. Doch trotz leichter Verwässerung ist noch sehr viel Substanz geblieben: The Weeknd ist nach wie vor Speerspitze der Erneuerung des R&B, eines Genres, das seit Langem unter kommerzieller Auszehrung leidet. Immer noch entwickelt er düstere Szenarien, verstört mit seltsamen Klängen, bettet sie aber in konventionelle Songstrukturen ein, auf dass Gelegenheitshörer nicht verstört sind, aber auch die alten Freunde des Morbiden an Bord bleiben.

„Ich bin ein Schurke in meiner Stadt“

Ein Gustostückerl der moralischen Zwielichtigkeit ist das von Kanye West mitproduzierte „Tell Your Friends“. Um Politik hat er sich in den vergangenen Jahren gekümmert, jetzt geht es ihm um eine Reevaluierung der Halbwelt. Dafür begibt er sich in die Pose des Pimp, des Zuhälters: „I think these hoes deserve another fixing. I'm a villain in my city. I'm the nigga with the hair, singing 'bout popping pills, fucking bitches.“

Mit sirenenhaftem Gesang beteuert er zu den monotonen Beats von „Often“ seine sexuelle Überlegenheit: „Baby I can make that pussy rain, often.“ Auch sein aktueller Megahit, das tatsächlich an Michael Jackson erinnernde „Can't Feel My Face“, zu dem Schauspieler Tom Cruise kürzlich begeistert in der Jimmy-Fallon-Show lippensynchron herumhampelte, enthält Bitterstoffe: Was zunächst wie liebestrunkene Romantik anmutet, ist eine mehr oder weniger dezente Schwärmerei für Drogen. Es ist genau diese Spannung aus Kontroverse und eingängiger Melodie, raffinierten Beats und Lyricsm, die „Beauty Behind All The Madness“ zu einem Kandidaten fürs Album des Jahres macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2015)

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