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Prince, so funky und kryptisch wie seit Ewigkeiten nicht mehr

(c) EPA (DIRK WAEM)
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Mit dem Album "Hit n Run" zeigt Prince es seinen Epigonen von The Weeknd bis Miguel: Endlich ist er wieder der alte Gaukler.

Den Veröffentlichungen von Prince zu folgen war in den letzten Jahren schwer. Manche Alben waren nur auf seiner Homepage zu erwerben, andere verschenkte er exklusiv bei Konzerten. „Planet Earth“ war 2007 in einer Ausgabe der britischen „Mail on Sunday“ eingeheftet. 2010 verkündete er: „The internet is completely over.“ Dann versöhnte er sich mit seiner alten Plattenfirma Sony, veröffentlichte dort im Vorjahr zwei Alben an einem Tag. Doch das Internet hat abermals gelockt, diesmal mit Streamingplattformen wie Apple oder Spotify – die jedoch kaum etwas für Musiker abwerfen.

Prince fand eine andere Lösung. Nun favorisiert er Tidal, das Streamingunternehmen von Rapper Jay-Z, in das dieser 100 Millionen Dollar seines Privatvermögens investiert hat. Das macht glaubwürdig. Außerdem zahlt Tidal Künstlern entscheidend mehr. Das überzeugte Prince wie Kollegen von Jack White bis Madonna. Und so präsentierte Prince sein 38. Studioalbum „Hit n Run“ zunächst exklusiv auf Tidal. Jetzt darf es das Majorlabel Universal auf CD vertreiben. Die gute Nachricht: Der Meister will seine treuen Fans aus den Achtzigerjahren nicht völlig abschütteln. Die noch bessere: „Hit n Run“ klingt so progressiv und funky wie zuletzt das 1994 veröffentlichte „Black Album“.

Ein Grund dafür ist, dass der viele Jahre lang ausschließlich monoman arbeitende Prince diesmal die Zusammenarbeit suchte. Joshua A. M. Welton, Gatte seiner Schlagzeugerin Hannah, half entscheidend mit. „Hit n Run“, abermals eingespielt mit seiner Mädchenband 3rdeyegirl, ist eine glaubwürdige Auseinandersetzung mit aktuellen, elektronischen Sounds. Die anfängliche Sperrigkeit des Materials weicht nach sieben bis acht Hördurchgängen. Hat man diese Hürde genommen, ist „Hit n Run“ ein permanentes Vergnügen. Das in den Charts ziemlich schlecht abschneidende Werk (USA nur Platz 70, Großbritannien 50) zieht mit vielen Vertracktheiten in seinen Bann. Zwar hebt es mit einem Sample eines eigenen, alten Hits („When Doves Cry“) an, dann aber segelt es munter durch zeitgenössische Fahrwasser. Intelligent eingesetzte Elemente aus Dubstep, Electronic Dance Music, Reggaeton und Neodisco werten Princes bekannte Formensprache sehr auf. Das von Lianne La Havas Stimme veredelte „Mr. Nelson“ etwa startet karibisch und endet in vitalem Techno-Funk. Das hitverdächtige „Like a Mack“ offeriert hitverdächtigen, funky Electro-Hokuspokus und frischeste Vocals des jungen Girlie-Duos Curly Fryz. Eine Überraschung ist der hintersinnige Remix von „This Could Be Us“, einem Song, der erst im Vorjahr auf „Art Official Age“ erschienen ist. Ganz im Bann des zuletzt durch Daft Punk und Mark Ronson wieder aufgewerteten Disco-Grooves zeigt sich „Fallinlove2nite“. Nach den wilden Sounds schmeicheln am Ende zwei überragende Balladen, das zart pulsierende „1000 X's & O's“ und der hauchige Showstopper „June“. „Pasta simmers on the stove in june, makes no sense yet, but it all will soon.“ So kryptisch, so experimentell, so soulful lieben ihn die Fans. Farben und Formen verwandeln sich in Bilder, die kreisen. Endlich ist Prince wieder der alte Gaukler, der Eros und Thanatos zusammendenkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2015)

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