Richard Schönherz: Der große Verschollene

Richard Schönherz
Richard SchönherzJoerg Steinmetz
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Richard Schönherz, Keyboarder, Sänger, Arrangeur, Produzent, ist mit Rilke-Vertonungen erfolgreich.

Richard Schönherz, Musiker, gebürtiger Wiener, musste weite Wege gehen, bis er bei Rilke angelangt war. Nun ist er bei Rilke angelangt. „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn,“ so beschrieb Rainer Maria Rilke 1899 in seinem „Buch vom mönchischen Leben“ das um Gott kreisende Ich auf die ihm eigene poetische Weise. Seine Kraft hat sich offenbar auch in der englischen Übersetzung erhalten. Richard Schönherz, der große Verschollene der österreichischen Popmusik, hat sie während seines 18jährigen Asyls in einer kalifornischen Künstlerkommune in den Neunzigerjahren in einer Lokalzeitung gefunden, ausgeschnitten und auf sein Keyboard geklebt. „Dort ist der Vers jahrelang gepickt, bis ich begonnen habe, mit der Angelica Fleer zu arbeiten. Ursprünglich wollten wir ja Instrumentalmusik machen. Letztlich haben wir aber doch nach Texten gesucht. Angelica sah dieses Gedicht auf meinem Instrument und hat es wunderbar gefunden. Das war der Beginn unserer Beschäftigung mit Rilke.“ Das von den beiden behutsam musikalisierte, von Mario Adorf rezitierte und von Montserrat Caballé berührend umsungene Poem erschien 2001 auf der ersten „Rilke-Projekt“-CD. Bis 2010 folgten drei weitere, allesamt mit prominenten Schauspieler besetzte Alben. Völlig unerwartet stellte sich erstmals in der mehrfach geknickten Karriere des Richard Schönherz kommerzieller Erfolg ein. Wie überrascht war er? „Total. Für uns war es ein Projekt, wo unser Herzblut drin ist. Es war nicht damit zu rechnen, dass das so gut ankommen könnte.“

Samuel Becketts Diktum „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern“ wäre wohl ein idealer Titel von Schönherz' künstlerischer Biographie bis 2001 gewesen. Dabei sah schon Ende der Sechzigerjahre alles sehr vielversprechend für ihn aus. Auf YouTube kann man die Richard Schönherz Formation sehen, wie sie ihren Beat-Song „Life“ in einer ganz lieb-tolpatschigen Choreographie bei der Show Chance 1969 singen. André Heller sagt sie begeistert als „exklusive Beatmusik“ an und die hip gekleideten, jungen Männer – Walter Sitzmann ist der andere in diesem vergessenen Duo - performen passioniert. Auffällig ist die wunderschöne Melodieführung von Schönherz. Auch sein geschliffenes Englisch überrascht. Gern erinnert er sich an diese Jahre. „Es war eine sehr interessante Zeit. Durch Verwandte, die ich in England hatte,  bin ich sehr oft rüber gekommen und habe diese Aufbruchsstimmung mit den Beatles, den Kinks und den Animals hautnah erlebt. Ich war oft im Marquee Club in der Wardour Street.“ Seine bunten Halstücher, die Raulederjacken und die obligatorischen Clarks Boots kaufte er in der berühmten Carnaby Street. Wie erlebte er die Ankunft der Beatmusik in Wien? „Die Grundstimmung war ziemlich depressiv. Im Wien der Nachkriegszeit aufzuwachsen, das war eigentlich ein Schicksal.

Die zerbombten Häuser und die vielen alten Nazis, die auch in der Schule als Lehrer fungierten....“ Mit sechs Jahren hat Schönherz mit klassischem Klavierspiel begonnen, mit zwölf hat er wieder aufgehört. 1962 begann ihn die Popmusik zu interessieren. Er begann wieder zu spielen. In der Coverband „The Only News“ schärfte sich Schönherz mit seinem späteren Kompositionspartner Manuel Rigoni, Christian Haller und dem schon erwähnten Walter Sitzmann die Krallen an den internationalen Hits der Beatles, der Stones und der Animals. Sitzmann, der oft in den USA weilte, brachte neuen Stoff mit: Little Stevie Wonder, Bob Dylan. Wo spielte man? „Es gab damals nur vier Möglichkeiten. Und die nützten wir alle. Die Camera, das Voom Voom, das Go Go und das Atrium am Schwarzenbergplatz. Schönherz mischt kurz bei der Kultformation Gipsy Love (mit Peter Wolf, Karl Ratzer, Kurt Hauenstein) mit, länger in Ratzers Band C-Department. Schön langsam kam er ins Geschäft. Er arbeitete viel für die ORF-Big Band und bekam 1971 die Chance, das Lied für den Eurovisions Contest zu komponieren. Der recht raffinierte Song „Musik“ bekam tatsächlich den Zuschlag. Marianne Mendt sang mit der problematischen Startnummer 1, der damals backenbärtige Robert Opratko dirigierte verwegen und am Ende war man Drittvorletzter.

Eine erste, milde Enttäuschung für Schönherz. „Das Lied ist völlig baden gegangen. Eigentlich war es ein Protestsong gegen derartige Wettbewerbe. Das ist nicht wahnsinnig gut angekommen.“ Ein Jahr später probierte er es mit „Falter im Wind“ abermals. Gesungen von den Milesstones, wurde man immerhin Fünfter in Edinburgh. In der Folge nahm Schönherz Alben mit Erika Pluhar und André Heller. Insgeheim arbeitete er aber an seinem Opus magnum, der Rockoper „Victor“, die keine Vergleiche mit ähnlich opulenten Werken wie „Tommy“ oder „Quadrophenia“ von The Who scheuen braucht. Beim gemeinsam mit Manuel Rigoni und Kurt Hauenstein realisierten Werk wirkte neben dem Wiener Akademie Kammerchor auch das berühmte Royal Philharmonic Orchestra mit. Aufgenommen wurde standesgemäß in den durch die Beatles berühmt gewordenen Abbey Road Studios. „In unseren Aufnahmepausen saßen wir damals mit Pink Floyd in der Kantine. Das ist schon unvergesslich,“ seufzt Schönherz. Das ehrgeizige Opus entpuppte sich bald, auch wegen mangelnder Unterstützung seines Labels, als radikaler Flop.

„Das war sehr, sehr enttäuschend, dass das Label aus internen Gründen keinerlei Promotion gemacht hat. Der Chef von Bellaphon hat sich geweigert auch nur einen Groschen in Werbung zu investieren. Das war sehr hart für mich, weil ich alleine an den Orchesterpartituren jahrelang gearbeitet hatte.“ Letztlich hat ihn diese Erfahrung aus dem Land getrieben. Schönherz folgte Kurt Hauenstein nach Frankfurt, spielte u.a. mit ihm den Welthit „Love Machine“ ein. Mit dem verdienten Geld ging er in die USA, wo er wieder schlechte Erfahrungen mit Labels machte. Ende der Neunzigerjahre kehrte er nach Frankfurt zurück. Seine 2000 begonnene Zusammenarbeit mit Angelica Fleer floriert bis zum heutigen Tage. Man vertont Liebesgedichte von Rumi bis Octavio Paz, Hesse-Texte, vor allem aber Rilke. Die vier so erfolgreichen Rilke-CDs wurden eben in einem prächtigen Box-Set (Ear Book) neu veröffentlicht. Und exakt zum 140. Geburtstag von Rainer Maria Rilke zelebrieren ihn Fleer und Schönherz samt zahlreichen Stargästen mit einem aufwendigen Event in der Alten Oper Frankfurt. Abermals wird die Symbiose von Wort und Musik gewagt.

Tipp

„Dir zur Feier“ mit Ben Becker, Hannelore Elsner, Nina Hoger, Robert Stadlober, Peter Maffay u.  a. 4.  Dezember, Alte Oper Frankfurt. „Rainer Maria Rilke“ von Schönherz-Fleer (4-CD-Box-Set) auf EarBook.

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