Pop

Anna von Hausswolff: Pop wie ein Begräbnis

Anna von Hausswolff
Anna von HausswolffAnders Nyman
  • Drucken

Wie eine düstere Kathedrale wirkt der Club Berghain in Berlin: Anna von Hausswolff begann ihre Tour passenderweise dort.

Anna von Hausswolff tut weh. Nicht oberflächlich wie bei einem Schnitt in den Finger, der Schmerz kommt von innen. Quälend langsam, schleppend und träge kämpft er sich aus dem Körper. „Come wander with me, away from this sad world“, singt sie. Und es klingt, als meinte sie es ernst. Wie würdig ist da der Rahmen, den sich die schwedische Organistin und Sängerin zum Start ihrer Europa-Tour am Mittwochabend ausgesucht hat – der industriell-kalte Chic des Berliner Clubs Berghain, dessen mächtige Halle auch die Wucht einer Kathedrale ausstrahlt. Mysteriös verklärt ist der Ort ohnehin – keine Fotos von innen, diese Regel gilt nicht nur bei den über mehrere Tage laufenden Tekkno-Partys, auch beim Konzert herrscht Fotografierverbot.

Viel mehr als dunkle Konturen lassen sich auf der Bühne ohnehin nicht ablichten. Die Beleuchtung der Band ist sparsam, die Protagonistin hinter ihrem Instrument häufig im schummrigen Licht. Selbst dort verbirgt sie ihr Gesicht meist hinter den langen Haaren, die sie fast wie einen Umhang verwendet – wie auf dem Cover ihres aktuellen Albums, „The Miraculous“. Das Klischee der kleinen, blonden Schwedin ist ihr nie gelegen. In ihrer Ästhetik wendet sie sich lieber dem skandinavischen Black Metal zu, düster, kalt und geheimnisvoll. Und dabei auch musikalisch weit weg von jeder Nähe zu gefälligen Melodien oder gar einem Rhythmus, bei dem der Fuß unbewusst mitwippen könnte. Hatte ihr Debüt, „Singing from the Grave“ (2010), noch so etwas wie einen klassischen Liedaufbau, legte sie 2013 mit „Ceremony“ jeglichen Verdacht ab, dass ihre Stücke auch nur annähernd in Kontakt mit dem Mainstream geraten könnten.

Wohlfühlen gehört nicht zum Konzept. Hinhören, sich auf die langgezogenen Schreie aus den Gitarren konzentrieren, den Schlag auf die Tom immer ein Stück zu früh erwarten – vielleicht sogar herbeisehnen. Und bei den wenigen Zeilen Text mitleiden, wenn von Hausswolff von der Kopfstimme à la Kate Bush zu regelrechtem Schreien wechselt. „I'll bury all my children, I'll carry them to death.“ Als „Funeral Pop“ hat die Schwedin ihre Musik einmal bezeichnet – wobei Pop hier schon eine eher gewagte Kategorie ist. Und doch löst sich irgendwann all die Anspannung, nach dem Schmerz kommt die Linderung, bauen sich Klänge auf, die das Leid erträglich machen, die Erlösung versprechen. Und all die Spannung plötzlich in Schönheit auflösen.

„Warszawa“ von David Bowie

Auf einmal zeigt sich auch die Zeremonienmeisterin fast schüchtern, lächelt. „Thank you so much!“ Bei all der Schwere und Wucht, hier auf der Bühne sitzt eine Frau, die Freude an der Musik hat. Und die, wo, wenn nicht hier in Berlin, auch noch einem Meister Tribut zollen möchte – „Do I need to tell you, who he is?“ Es folgt David Bowies fast ausschließlich instrumentales Stück „Warszawa“, gespielt ohne Band, nur auf der Orgel. Am Ende lächelt sie wieder. Und die Menge im Berghain kann aus ihrer fast ehrfurchtsvollen Stille wieder in die Realität zurück. Es war anstrengend, es hat wehgetan. Und jeder Moment davon war schön.

Live

Anna von Hausswolff spielt live in Österreich am Sa., 5. März im Forum Stadtpark in Graz und am So. 6. März in der Wiener Arena.

annavonhausswolff.org

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.