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Hannes Eder: Abschied eines Musikmanagers

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Universal Music Austria und ihr Managing Director Hannes Eder trennen sich. Was sagt das über den Zustand der Branche? Eder sprach darüber mit der „Presse“.

Ein Paukenschlag für die österreichische Musikindustrie: Hannes Eder, ihr namhaftester Manager, und „seine“ Firma Universal verkünden ihre Trennung. Das lässt sich als Zeichen der Krise der Branche lesen – und wirft Fragen auf: Wird Österreichs umsatzstärkstes Majorlabel in bisheriger Größe weiter bestehen und Akzente am heimischen Markt setzen? Oder wird es nach dem Vorbild der Konkurrenten Sony und Warner geschrumpft? Droht die Gefahr, dass Österreich nur mehr als Absatzmarkt wahrgenommen wird? Hannes Eder sprach mit der „Presse“ über seine Erfahrungen – und die Schlüsse daraus.

Fast 13 Jahre lang waren Sie Chef des führenden österreichischen Majorlabels. Wie fällt Ihr geschäftliches Resümee aus?

Grundsätzlich sehr positiv, obwohl natürlich die Nullerjahre, auch global gesehen, eine sehr schwierige Phase im Musikgeschäft waren. Die damalige Talfahrt der Umsätze hat Umwälzungen ausgelöst: Es gibt die BMG nicht mehr, sie hat mit Sony fusioniert. Warner Music ist in einem ganz anderen Zustand als noch in den Neunzigerjahren; EMI und Virgin existieren gar nicht mehr. Dazu war 2004 der Start von iTunes, damit des digitalen Musikbusiness. Wichtig für uns war auch die Expansion in den Balkan: Dort haben wir gleich in mehreren Ländern gleichzeitig einen Markt aufgebaut. Dort war ja vorher Wildwest.

Gab es denn nicht auch Misserfolge?

Natürlich. Mit UrbanTV und LalaTV haben wir z. B. bereits 2008 zwei Mobil-TV-Sender betrieben. Das war von der Technologie her richtig, aber leider locker um fünf Jahre zu früh. Heute schauen die Amerikaner praktisch nur mehr auf iPads fern . . .

Warum also haben sich Universal und Hannes Eder trotz persönlich positiver Bilanz getrennt?

Wenn man in einem extrem technologiegetriebenen und somit innovativen Bereich tätig ist, wo mit jeder neuen App ein neues Geschäftsfeld eröffnet sein kann, dann ist das inspirierend. Dafür brauche ich aber einen klaren Handlungsspielraum und eine grundlegende Einigkeit über Strategie und Vision mit der Konzernführung. Stimmt dieses Setup nicht (mehr), und man ist in der privilegierten Lage, für sich Alternativen zu sehen, dann muss man daraus seine Schlüsse ziehen. Dazu gehört auch der Schlussstrich.

Laut Statistik machte der Marktanteil von CDs und Vinyl in Österreich 2014 mehr als 60 Prozent aus. Sind österreichische Konsumenten innovationsscheu?

Die Älteren auf jeden Fall. Das digitale Geschäft entwickelt sich hier langsamer als im internationalen Durchschnitt. Das ist zum Teil genrebedingt, weil bei uns Volksmusik, Schlager und Klassik sehr stark gehen, und diese Käufer wollen physische Tonträger.

Und die Jungen? Zieht es sie eher zum Streaming oder zum Vinyl?

Es ist verblüffend – und sagt viel über die Trägheit, mit der neue Technologien hierzulande adaptiert werden: Die Wachstumsrate bei Vinyl ist höher als die beim Streaming. Das ist eigentlich kurios.

Beim illegalen Download kennen sich aber Opa und Oma und die Enkerl gleich gut aus. Welche Maßnahmen haben Sie gegen die Piraterie ergriffen?

In Österreich war das Breitband sehr gut ausgebaut, bevor es noch legale digitale Angebote gab. Als Präsident der IFPI Austria (Verband der österreichischen Musikwirtschaft), war für mich daher der Kampf für das Urheberrecht vorrangig – verbunden mit einem Werben für den Markt Österreich bei den Digital-Partnern von iTunes bis Spotify. Letztere wollten ja gar nicht nach Österreich, aber ich hatte bei den Swiss Music Awards deren Business Developer kennen gelernt und praktisch gezwungen, nach Wien zu kommen. Drei Monate später war der Launch.

Warum sehen Majorlabels die Streamingplattformen nicht als Feind, der zerstreute Hörer züchtet, die sich nie gezielt eine CD oder ein Album kaufen werden?

Das war ja keine strategische Entscheidung. Streaming war plötzlich da – und durch die Gratis-Testphase sofort eine wirksame Maßnahme gegen Filesharing. Viele junge Menschen haben heute nicht nur keine Beziehung zur Kunstform Album mehr, sondern auch keine Bindung an den Künstler, ja nicht einmal ans Genre. Die meisten Nutzer konsumieren Musik über Playlists. Sie verlieben sich in einzelne Songs. Deshalb raunzen auch ältere etablierte Künstler darüber, dass sie zu wenig bezahlt bekommen. Ihre Fans hören einen Song vielleicht einmal am Tag, während sich 17-jährige Avicii-Maniacs „ihr“ Lied auch 30 Mal am Tag anhören. Auf Streaming-Plattformen lassen sich jedenfalls auch gut Künstler entdecken und daran sind alle Labels interessiert.

Sie nahmen sich die Zeit, bei zwei Staffeln von Starmania in der Jury zu sitzen. War das sinnvoll?

Damals auf jeden Fall. Es schadet nicht unbedingt, wenn eine Company ein Gesicht hat. Diese daraus gewonnene kurzfristige Popularität konnte durchaus viele Türen für Partnerschaften mit Firmen aus anderen Branchen öffnen. Besonders gut glückte das mit den Mobilfunkern, mit denen wir ziemlich experimentelle Dinge durchgezogen haben. Starmania war natürlich auch der Türöffner dafür, wieder einmal eine heimische Künstlerin zu Millionenverkäufen in Deutschland zu führen. Ich rede von Christina Stürmer.

Andere Majorlabels bedienen den österreichischen Markt teilweise von Deutschland aus. Sind die ca. 150 Millionen Euro, die man mit Musik hierzulande lukrieren kann, nicht profitabel genug?

Unter meiner Ägide war Universal stets hochprofitabel. Aber Ergebnisse wie vor zehn, 15 Jahren, als der Markt fast doppelt so groß war, kann man heute natürlich nicht mehr erzielen. Aber es ist gelungen, die Talfahrt zu stoppen und auch mit geringeren Umsatzzahlen schöne Gewinne zu erwirtschaften.

Muss man nach Ihrem Abgang befürchten, dass Universal Österreich auf Schrumpfkurs geschickt werden wird?

Das entzieht sich meiner Kenntnis, aber es wäre eine der Möglichkeiten. Kurzfristig gesehen wäre das ein Ansatz, um die Kosten runter- und damit den Gewinn nach oben zu bringen. Das ist aber auch eine sehr kurzfristige Denke: Gerade in den Bereichen Kultur und Entertainment muss der Blick ein zumindest mittelfristiger sein, sonst wird man nicht lange erfolgreich arbeiten. Was ich in dieser Branche immer aufregend fand, war, dass zwar immer mehr Daten zum Analysieren zur Verfügung stehen, aber die strategisch wichtigen Entscheidungen doch aus dem Bauch kommen müssen.

Erfolgreiche heimische Bands wie Wanda wurden von Universal Berlin unter Vertrag genommen. Was spricht denn gegen eine Verlagerung von Agenden des österreichischen Musikmarkts nach Deutschland?

Verlust von Autonomie und Eigenständigkeit ist gerade im kulturellen Umfeld gefährlich. Ich persönlich habe neben den wirtschaftlichen Interessen auch stets eine Verpflichtung verspürt, der kulturellen Identität des jeweiligen Landes – gerade als Global player – ihren Platz einzuräumen. Besonders wichtig ist das für die sogenannten Nischen wie Klassik und Jazz. Dass sich ein zentralistisch geführter Aufbau von Künstlern als optimal herausstellen wird, glaube ich kaum. Weit über die Hälfte des globalen Universal-Umsatzes wird mit lokalen Künstlern lukriert!

Ist ein Musikgeschäft ohne Majorlabels vorstellbar?

Nein. Schon wegen Fort Knox nicht, wie ich den jahrzehntelang aufgebauten Backkatalog gerne nenne. Der bringt laufend Gelder, ohne dass weitere Investments nötig sind. Wenn man diese klug in die Entwicklung junger Künstler steckt, macht man wieder frisches Geld. Und doch kann man sich als Majorlabel viel von Independent Companies abschauen. So manche lustige Idee entwickelt sich aus Geldmangel.

Schrecken die berüchtigten 360-Grad-Verträge (ein Label übernimmt die Komplettvermarktung eines Künstlers, ist aber auch an allen Einnahmen beteiligt), die die Industrie vorlegt, junge Musiker nicht ab?

Die Einkommenskanäle haben sich bekannterweise in den letzten zehn Jahr stark verschoben. Man verkauft weniger Tonträger, dafür mehr Merchandise und Konzertkarten. Wenn man einen jungen Musiker zur Marke aufbaut, dann finde ich es legitim, dass die Firma dafür einen Anteil aus seinen anderen Einnahmen bekommt. Wenn man dem Künstler sagen kann, was man konkret für ihn tut, dann ist das korrekt. Ihn nur abzugreifen, wäre unseriös.

Im April eröffnet Universal den EMI-Shop in der Kärntner Straße neu. Was erwartet man sich davon?

Mein jüngstes Baby und das letzte für Universal. Meine Idee war, aus einem simplen CD-Geschäft eine Art Musiktempel zu machen, einen lebendigen Ort wo Musikfans in diese wunderbare Welt eintauchen können. Es wird einen eigenen Vinyl-Floor geben, eine schallisolierte Rockkapsel, den lautesten Musikabhörplatz in Österreich, ein Mini-Kino für Musik- und Arthousefilme, auch eine „Kinderhöhle“. In der großen Jazz- und Klassikabteilung wird fix ein Bösendorfer Flügel stehen. Mindestens zweimal die Woche wird es dort Showcases von lokalen und internationalen Pop-, Jazz- und Klassikkünstlern geben. Dazu noch Podiumsdiskussionen, Autogrammstunden und Ausstellungen. Es wird Ihnen gefallen!

Zur Person

Hannes Eder, geb. 1967 in Wien, war Bassist der Bands Dr. Steiff und The Bates. 1989 arbeitete er als Journalist, 1991 wurde er Chefredakteur von „Treffpunkt Ö3“, 1995 Leiter der Abteilung Programmgestaltung bei FM4. Seit 2003 ist er Geschäftsführer bei Universal Music Austria & Western Balkans. Anfang 2007 wurde er zum Präsidenten des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI) gewählt.

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