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"Ich wusste immer, dass ich gut bin"

Lisa Simone
Lisa SimoneAlexandre Lacombe
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Tochter einer berühmten Mutter und spät berufene Musikerin: Lisa Simone über ihren Marsch durch die weite Welt.

Ihre Mutter Nina zählte zu den politisch aktiven Ikonen des Jazzgesangs des 20. Jahrhunderts. Instinktiv wählte Tochter Lisa zunächst lieber einen anderen Beruf aus. Dass es die amerikanische Armee wird, entsetzte ihre Mutter einigermaßen. Letztlich regte sich aber doch ihr künstlerisches Talent, und sie machte späte Karriere. Ihr Wien-Debüt feiert sie mit dem neuen Album "My World". Das "Kulturmagazin" traf die 53-jährige Sängerin, die ihre Laufbahn am Broadway begann, in Salzburg und plauderte mit ihr über ihre schwierige Kindheit, die späte Berufung und natürlich über ihre Mutter.

Als Kind waren Sie mit Ihrer berühmten Mutter, Nina Simone, viel auf Reisen. Wie wirkte sich das auf Ihre Persönlichkeit aus?
Man könnte aus verschiedensten Blickwinkeln darauf zurückblicken. Eines war es sicher: eine hervorragende Einführung in eine Welt mit vielen Sprachen und Kulturen. Ich hatte sicher von Beginn an tiefere Einsicht in die Gegebenheiten unserer Welt, dahingehend, dass wir auf dem Papier alle gleich, aber in Wirklichkeit durch unsere kulturellen Prägungen sehr unterschiedlich sind.

Konnten Sie überhaupt Freunde gewinnen bei all den Ortswechseln?
Das war schwierig. Gern hätte ich jemandem in meinem Alter gehabt, aber ich wechselte im Jahresrhythmus Schule und Land. Darunter litt ich lang. Nach der Scheidung meiner Eltern war es für meine Mutter schwer, als Entertainerin von Weltgeltung mit einem Kind unterwegs zu sein.

Wo fühlten Sie sich am meisten zu Hause?
Das ist schwierig, aber als Kind passt man sich schnell an. Schön war es in North Carolina, wo die Familie meines Vaters her ist, und auch in Monrovia in Liberia. Auch an Barbados, eine Insel auf den Antillen, erinnere ich mich gern. Am glücklichsten war ich wohl in Northhampton, Massachusetts, wo wir auf einem Bauernhof mit vielen Tieren lebten. Nach den Schulaufgaben durfte ich stets reiten. Ich war ein richtiges Cowgirl.

Wann hat sich in Ihrem Leben der Wunsch gebildet, selbst Sängerin zu werden, wenn Sie schon als Kind mit den Nachteilen dieses Berufs konfrontiert waren?
Eigentlich erst ziemlich spät. Zunächst ging ich ja zur Luftwaffe und war in Frankfurt stationiert. Meine Mutter hatte fast eine Herzattacke, als sie es erfuhr. Den Job mochte ich aber nicht wirklich. Trotzdem blieb ich elf Jahre dabei. Mit 27, 28 Jahren überlegte ich Alternativen dazu. Ein Glas Rotwein hat schließlich meine Perspektive Richtung Singen verändert. Über etwaige Nachteile habe ich nicht nachgedacht. Dieses Ziel spät, aber doch zu erreichen, einzig das war wichtig.

Wie sind Sie es dann angegangen? Genossen Sie eine formale Ausbildung?
Die Broadway-Theater waren meine Universität. Learning by Doing, lautete meine Devise. Ich bin keine Musikerin im konventionellen Sinn. Ich kann keine Noten lesen und weiß nichts über Musiktheorie, aber ich habe einen ausgezeichneten Instinkt. Ich wußte immer, dass ich gut bin.

In welchen Shows haben Sie denn so mitgewirkt?
"Jesus Christ Superstar" mit dem Jesus aus dem Originalfilm, danach die Hitshow "Rent", die lang am Broadway lief. Es folgte eine Auszeit, in der meine Tochter geboren wurde. Nach ein paar Jahren kehrte ich in diese Shows und neue Stücke wie "Aida" zurück. Der Broadway hat mir viel über die Möglichkeiten der Stimme beigebracht. Zudem schloss ich mich der Acid-Jazz-Band Liquid Soul an.

Was sagte Ihre Mutter zu Ihrer späten Berufung?
Es machte sie froh. 1999 standen wir sogar beim Guinness Blues Festival in Dublin gemeinsam auf der Bühne.

Aber so richtig haben Sie sich erst nach dem Tod Ihrer berühmten Mutter mit deren Werk auseinandergesetzt. 2008 erschien Ihr Album "Simone on Simone". Warum so spät?
Das war ursprünglich überhaupt nicht mein Plan. Zunächst wollte ich meine eigene Musik machen. Aber dann hatte ich Probleme mit meinem Alter. Für die amerikanische Musikindustrie war ich einfach als Debütantin zu alt. Das einzige Genre, in dem es keine Altersbeschränkungen gab, war Jazz. Nachdem ich meine Frustration darüber überwunden hatte, machte ich mich daran, ein Tributalbum an meine Mutter vorzubreiten. In neuen Big-Band-Arrangements sang ich erstmals Lieder wie "Keeper of the Flame" oder "Black Is the Colour of My True Love s Hair" ohne Mom.

Mit "All Is Well" realisierten Sie Ihr eindrucksvolles Debüt 2014. Warum haben Sie darauf so viele afrikanische Elemente integriert?
Afrika ist Teil meines Lebens. Meine Mutter liebte Afrika, und ich wuchs da teilweise auf. Dazu kam, dass mein musikalischer Direktor, Herv Sambe, aus dem Senegal stammt. So war es ein ganz natürlicher Prozess, dass da viele afrikanische Farben in die Arrangements reinspielten.

Der Liederreigen startet mit "Finally Free". Von welcher Art Freiheit ist hier die Rede?
Die erste Strophe schrieb ich 2006, die zweite 2008, die letzte 2014. Das Lied entstand also sehr langsam. Es war eine Zeit vieler bitterer Erkenntnisse. "Finally Free" ist nicht bloß ein Song, es ist ein Schlachtruf, eine Hymne.

Sollte Musik versuchen, die Welt zu verbessern?
Absolut ja. Meine Mutter sah es immer als ihre künstlerische Verpflichtung, die Zeit und ihre Probleme in ihrer Musik zu reflektieren. In den USA ist es leider nicht mehr so. Da geht es nicht um die wichtigen Werte, sondern nur mehr um Positionen in der Hitparade.

Sie waren als Kind Zeugin, wie Ihre Mutter den berühmten Protestsong "To Be Young, Gifted and Black" mit Weldon Irvine komponierte. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Dass meine Mutter sehr aufgewühlt war, von den politischen und sozialen Umwälzungen jener Zeit. Sie wollte eine neue afroamerikanische Nationalhymne schreiben. Ihr Lied sollte das ihrer Ansicht nach zu unpolitische "Lift Every Voice and Sing" ablösen. Als sie das Lied schrieb, schaute sie mich an und sagte: "Du musst wissen, wer du bist. Und woher du kommst." Ich war damals elf Jahre alt und dachte bloß: "Ja, ja, ist schon okay." Heute verstehe ich genau, was sie meinte.

Was halten Sie von den Interpretationen von "To Be Young, Gifted and Black" durch Aretha Franklin und Donny Hathaway?
Aretha Franklin lernten Mom und ich auf Barbados kennen. Das war was: Zwei Diven der afroamerikanischen Musik trafen da aufeinander und verstanden sich extrem gut. Wir verbrachten viel gemeinsame Zeit am Strand. Und eines Nachmittags fragte Aretha Franklin meine Mutter, ob sie ihr Lied singen dürfe. Ich liebe beide Versionen. Sie bringen ihren eigenen Stil in das Lied.

Was ist die Essenz eines guten Liedes für Sie?
Herz, Seele und Geist. Und hoffentlich eine gute Story, die neue Denkmöglichkeiten eröffnet.

Was geben Ihnen Ihre Konzerte?
Ich teile meine Freude mit dem Publikum. Wenn alles gut geht, sind wir am Ende ein gemeinsames Kraftfeld.

Tipp

"My World". Am 2. Mai gastiert Lisa Simone im großen Saal des Wiener Konzerthauses und präsentiert ihr neues Album. www.konzerthaus.at

("Kultur Magazin", 15.04.2016)

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