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Kärntner Jazzer mit langem Atem

INTERVIEW MIT DEM MUSIKER WOLFGANG PUSCHNIG
INTERVIEW MIT DEM MUSIKER WOLFGANG PUSCHNIG(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Wolfgang Puschnig feiert morgen, Samstag, seinen 60. Geburtstag im Wiener Konzerthaus. Mit der „Presse“ sprach er über seine Karriere und seine Vorbilder.

Seinen glühenden Ton hat er sich über die Jahrzehnte erhalten, auch wenn sein Spiel nicht mehr so drängend wie einst ist: Heute neigt der aus Klagenfurt stammende, aber weit über die Grenzen Österreichs wirkende Jazzsaxofonist Wolfgang Puschnig mehr zu meditativen Klängen. Eines seiner Alben heißt „Odem“. Der Atem steht im Zentrum seiner Kunst. Viele Kulturen begreifen ihn als Träger der Seele, in dem sich deren Ausgeglichenheit äußert.

Dieses Ideal ist längst auch Teil von Puschnigs Charakter. Dass sich mit dem Alter automatisch Weisheit einstellt, glaubt er nicht. „Aber es stimmt natürlich schon, dass man mit der Zeit mehr kapiert. Heute komme ich mit viel weniger Noten aus. Wenn man jung ist, will man's einfach wissen und lässt die Muskeln spielen. Dieser Tage geht es mir um die gute Platzierung der Noten.“

Puschnigs Weg zum Jazz war verschlungen. Erst studierte er klassische Flöte. „Was mich aus der engen Welt der Klassik herausbrachte, war die Popband Jethro Tull. Ihr Flötist und Sänger Ian Anderson machte etwas, was mich total ansprach.“ Puschnig schloss sich zunächst einer Folk-Jazz-Band an. Das Saxofon entdeckte er eher zufällig, so richtig befasste er sich damit erst nach seiner Übersiedlung nach Wien. Am dortigen Konservatorium traf er eine Menge ähnlich gepolter Langhaariger. 1977 war er Gründungsmitglied von Mathias Rüeggs Vienna Art Orchester. Erste Auslandstourneen ermutigten ihn, sich auch abseits dieser findigen Big Band zu versuchen. Prägend war seine Zeit in der Band des eine Generation älteren Ikonoklasten Hans Koller. „Er war ein Urviech in der Wiener Szene. So kompromisslos wie er war niemand. Glücklicherweise wusste ich damals nie, wer er eigentlich war, sonst wäre ich total befangen gewesen.“

Feine Duette, auch mit Carla Bley

Auch die sieben Jahre bei Airmail, der Band des 2005 verstorbenen Gitarristen Harry Pepl, zählt Puschnig zu den Highlights seiner Karriere: „Pepl hat ja einen eigenen Wahnsinn in sich getragen. Als Gitarrist war er außerhalb jeder Norm. Das hat mir phrasierungstechnisch einen neuen, flexibleren Zugang erschlossen. Wir hatten es beide gern, wenn sich die Zeit etwas dehnt.“

Tatsächlich hört man den elegischen Grundton Puschnigs besonders fein in den intimen Duetten mit Pepl, Koller und anderen Kollegen, die auf der zum Geburtstag erscheinenden Kompilation „Faces and Stories“ versammelt wurden. Puschnig hat es selbst zusammengestellt. „Es ist ein bisserl wie ein Stammbuch geraten“, sagt er bescheiden. Ein Highlight darauf ist „Another Time“, ein Duo mit der Pianistin Carla Bley, mit der er in jüngeren Jahren viel gearbeitet hat. „Es war eine tolle Zeit, weil ich als relativ naiver europäischer Musiker in eine Welt hineingeraten bin, die von purem Denken und Fühlen geprägt war. Die Chemie zwischen Carla und mir stimmte von Anfang an.“

Dennoch blieb seine Basis immer Österreich. Hat er denn nie eine Karriere in den USA in Betracht gezogen? „Natürlich. Aber warum ich es nie dorthin geschafft habe, weiß ich selbst nicht.“ Vielleicht, weil er sich geistig-musikalisch ohnehin immer in jener Dimension befand, die seine Vorbilder John Coltrane, Eric Dolphy und Ornette Coleman begründet hatten. Dank seines langjährigen Freundes, des Bassisten Jamaaladeen Tacuma, nahm er 2010 sogar mit seinem Idol Coleman in New York auf. „Das waren heilige Stunden für mich. Er hat mir die Türen zu einer neuen Welt geöffnet, die abseits der Virtuosität liegt. Was mir so an seiner Harmolodics-Theorie gefällt: Man kann sie nicht als simple Anleitung verwenden. ,I just play my surroundings‘, sagte er einmal. Damit meinte er seine Herkunft. Das gab mir zu denken.“

Puschnig beschäftigte sich bald auch mit seinen Wurzeln. 2013 veröffentlichte er „For the Love of It“, seine berührende Hommage an das Kärntnerlied. Für sein Geburtstagskonzert hat er sich neben seinem grandiosen Jazzquartett auch Tacuma und das koreanische Ensemble Samul Nori eingeladen. Sehnt er sich manchmal nach dem Goldenen Zeitalter des Jazz? „Nein. Natürlich war die Musik früher anders, spiegelte Aufbruch, Revolte und Spiritualität wider. Aber retrospektiv wird gern idealisiert. Ich denke, die Glücksgefühle sind in jeder Ära gleich verteilt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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