Pop

Whiskey, Blues und Augen voller Soul

Beth Hart
Beth Hart Greg Watermann/Jazz Fest Wien
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Jazzfest Wien: Beth Hart sang robust in der Staatsoper, Kandace Springs subtil im Porgy & Bess.

Beth Hart liebt es, eigene Fehlbarkeit bei Konzerten zu bekennen. Ihr Leben, bitter gewürzt von Alkohol und Drogen, hat sich ja lang in einer Art Vorhölle abgespielt. Dieser ist sie entkommen: 18 Monate sei sie schon trocken, erzählte sie – und verwandelte wissend wühlenden Schmerz in raue Blues-Soul-Ästhetik. „I wanna get close to you“, murmelte sie und hob – noch ohne Band – mit „St. Teresa“ an, einer Ode an die katholische Heilige Teresa von Avila. Ihren eigenen Hang zum Büßen zeigten Zeilen wie „The good must die young, that's why I'm getting so old“.

Dann kam ihre Band und trieb Harts dramatischen Blues an. In ihrem Gesang zwischen Derbheit und Sensibilität hört man Echos ihrer höchst weltlichen Idole, den Schmerzensfrauen Billie Holiday, Etta James, Janis Joplin. Auch für Hart sind Versuchungen nie weit: „Whiskey wants a joke, the Marlboro wants to smoke, and tears need salt to get by“, sang sie. An der Wurzel ihres Seins lauert ewige Unzufriedenheit. Diese masochistische Disposition akzeptiert sie, macht sie sich zum Genuss: „The thorn looks for a crown, the beggar for a town, and the woman is never satisfied“ hieß es in „Tell 'em to Hold on“. Aber zuweilen ist es auch genug mit dem Wühlen im Morast des Lebens. Dann erwacht selbst Beth Hart mit einem Lächeln, ohne so recht zu wissen, warum: „Woke up laughing the blues“ triumphierte sie in „Might As Well Smile“.

Mit abenteuerlich hohen High Heels stapfte sie durch die Oper, führte das bisserl Haut aus, das zwischen ihren martialischen Tattoos noch frei ist. Ihre wuchtige Version von „Your Heart Is Black As Night“ salbte die Nerven ähnlich gut wie Billie Holidays „Don't Explain“, diese bittersüßen Hymne an amouröse Ausgeliefertheit. Psychodramen wie „Baddest Blues“ forderten höchste Konzentration, zu krawalligen Groovern wie „Boom Boom Bang Bang“ bewegte sich Hart raubtierhaft. Mit „Trouble“ endete ihre Tour in menschliche Abgründe effektvoll. Zugaben sind ihr zu konventionell.

Superbes Debüt: „Soul Eyes“

Kandace Springs, die 27-Jährige aus der Gegend um Nashville, die eben ihr superbes Albumdebüt auf Blue Note veröffentlicht hat, lud schon nachmittags zur öffentlichen Session ins Supersense, dieser Leopoldstädter Kathedrale für analoge Technik. Fazit: Sie singt ihre zart melancholischen Lieder bei Tageslicht genauso intensiv wie in der schwarzen Luft von Jazzklubs wie dem Porgy & Bess. Freilich, bei ihr lodern die Emotionen heimlicher als bei Beth Hart. Ein besonderes Erlebnis: die verzehrende Version von „Soul Eyes“, der Ballade, die Mal Waldron, der letzte Pianist von Billie Holiday, 1957 ersonnen hat. Shelby Lynnes flauschiges „Thought It Would Be Easier“ entzückte genauso wie der Roberta-Flack-Klassiker „The First Time Ever I Saw Your Face“ und Etta James' Glücksballade „At Last“. In Springs' Kunst herrscht noch unkorrumpierter Wohlklang. Das ist rar heute.

(Print-Ausgabe, 06.07.2016)

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